"Amerika wählt, die Welt hält den Atem an", titelt De Standaard. "Letzte Runde in einem verrückten Wahlkampf", schreibt La Libre Belgique und Le Soir atmet auf: "Endlich". Nahezu alle belgischen Tageszeitungen kommentieren die heute stattfindende Präsidentschaftswahl in den USA.
Le Soir ist erleichtert, dass dieser Wahlkampf endlich zu Ende ist. Einer brutal, polarisierend und aggressiv wie niemals zuvor in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Sollte dieser amerikanische Wahlkampf zum Standard werden, dann muss man sich Sorgen machen. Eine Wahl, die mehr denn je über Emotionen, persönliche Attacken und einer Mischung aus Informationen und Unterhaltung stattfindet. Dieser Wahlkampf war so vergiftet, dass man schon fast etwas ganz Wichtiges vergessen hat: Zum ersten Mal kann eine Frau US-Präsidentin werden. Ein großartiges, starkes und erfreuliches Symbol, meint Le Soir.
Het Laatste Nieuws hofft, dass beide Kandidaten den Wahlausgang respektieren. Trump müsse im Falle einer Niederlage von seinen Zweifeln an der Zuverlässigkeit der Wahl Abstand nehmen. Er darf nicht nachtreten und auch kein Öl aufs Feuer gießen. Das könnte die Wahlnacht zu einer Schande der Gewalt ausarten lassen.
Kein Volk von Idioten
Dasselbe gilt aber auch für Clinton, falls sie verlieren sollte. Es stände ihr gut zu Gesicht, ihre Schwarzmalerei nicht noch zu schüren. Der Wähler hat nun mal Recht. Nicht manchmal, sondern immer. Und kein Volk der Welt, auch die Amerikaner nicht, besteht zu mehr als der Hälfte aus Idioten, meint Het Laatste Nieuws.
De Standaard ist sich sicher: Wer auch immer die Wahl gewinnt, die Folgen dieses Wahlkampfes werden noch jahrelang zu spüren sein. Gewinnt Trump, bekommen die USA einen Präsidenten, der auf Frauen und Nicht-Weiße herabschaut. Einen Präsidenten, der keine Migranten und Flüchtlinge will. Der internationale Handelsabkommen und Militärbündnisse in Frage stellt. Ein selbst erklärter erfolgreicher Geschäftsmann und Millionär, der sechsmal pleiteging. Und wie kein anderer die Hintertürchen des Steuersystems missbraucht hat. Ein Lügner und Hassprediger, der damit gedroht hat, seine politischen Gegner hinter Gitter zu bringen.
Falls Clinton gewinnt, wird es eine Präsidentin des politischen und des Eine-Hand-wäscht-die-andere-Wall-Street-Systems. Sie muss nicht nur das Land regieren, sondern auch den Laden zusammenhalten. Nicht nur eine Präsidentin für ihre Wähler, sondern auch für die Millionen Amerikaner, die aus Unzufriedenheit mit dem System für Trump gestimmt haben. Schafft sie es, das Land zu vereinen anstatt zu spalten? Der Auftrag ist immens. Doch falls sie es nicht schafft, dann wird ihr Nachfolger eine Kopie von Trump oder noch schlimmer, meint De Standaard.
Alles nur ein böser Traum?
Auch Gazet van Antwerpen blickt in die Zukunft und hofft, dass das alles ein böser Traum war, dass in vier Jahren beide Parteien bessere Kandidaten ins Feld führen und wir wieder einen anständigen inhaltlichen Wahlkampf sehen werden. Falls das so sein sollte, dann können wir diese Wahl schnell vergessen. Doch dieser Urnengang hat die Schwachpunkte im amerikanischen Wahlsystem entblößt, den Frust innerhalb der Bevölkerung ans Licht gebracht und die Amerikaner mehr entzweit denn je.
Viele Amerikaner würden heute lieber nicht zwischen diesen beiden wählen wollen, aber eine andere Wahl haben sie nicht. Das politische System lässt das nicht zu und es bleibt die Frage, ob das Zwei-Parteien- und Wahlmänner-System nach dieser Wahl nicht zur Diskussion gestellt werden sollte.
Auch Het Nieuwsblad befürchtet wenig Enthusiasmus an den Wahlurnen. Zyniker merken an, dass es sowieso keine Rolle spielt, wer es wird. Dass die Unterschiede nicht so groß sind und Präsidenten nicht so mächtig. Das ist Unsinn. Hätte die Welt vielleicht anders ausgesehen, wenn George W. Bush am 11. September nicht Präsident gewesen wäre? Der Einfluss eines Präsidenten ist größer als seine effektive Macht.
Für L'Avenir ist der Wahlkampf auch für Europa desillusionierend. Nicht nur weil die USA eine wichtige Rolle in der Welt und in unseren kollektiven Träumen spielen, sondern auch, weil die Enttäuschung der Amerikaner auch unsere ist. In Europa und anderswo beobachtet man Skepsis gegenüber der politischen Klasse und ihren Institutionen, dieselben wirtschaftlichen und sozialen Ängste, dieselben Befürchtungen gegenüber technologischen und sozialen Veränderungen. Denselben Auftrieb populistischer Kräfte, von links wie von rechts, analysiert L'Avenir.
Synergiemöglichkeiten sind gering
Die Wirtschaftszeitung L'Écho kommentiert eine mögliche Übernahme der niederländischen PostNL durch bpost. Das Angebot wurde bei unseren nördlichen Nachbarn nicht besonders begeistert aufgenommen. Sie scheinen bereit, dagegen zu halten und ihre Post schützen zu wollen. Die Zeitung erinnert das an ein Szenario aus dem vergangenen Jahr, als die niederländische Gruppe KPN Proximus kaufen wollte.
Damals hatte Proximus-Chefin Dominique Leroy ebenfalls gemeint, dass eine solche Hochzeit nichts bringen würde und man im Namen belgischer Interessen lieber alleine bleiben würde. In beiden Fällen ist die industrielle Logik die gleiche: Komplementarität, gemeinsamer Markt und Skaleneffekte. Doch in beiden Fällen scheinen die Synergiemöglichkeiten gering, wie es damals Proximus und heute die Analysten von bpost unterstreichen.
VKr - Foto: Alice Chiche (afp)