Die Äußerungen von Gesundheitsministerin Maggie De Block zum Thema Alkohol werden von einigen belgischen Tageszeitungen kommentiert. De Block hatte am Wochenende für Schlagzeilen und Kritik gesorgt. Die liberale Politikerin ist gegen ein Verkaufsverbot an Tankstellen und Nightshops. Es habe bereits genug Konkurse gegeben, so De Block. Sie setze auf gezielte Präventionsmaßnahmen, nicht auf ein allgemeines Verkaufsverbot.
Gazet van Antwerpen fragt: Was ist allgemein und was ist gezielt? Muss jetzt wirklich Alkohol an Autobahntankstellen verkauft werden, Orte, wo man nur mit dem Auto hin- und wieder wegkommt? Die Menschen müssen ihr Glas Wein oder Bier genießen dürfen, sagt die Ministerin. Das ist wahr, aber ist die Autobahn da wirklich der geeignete Platz?, so Gazet van Antwerpen.
Eine heuchlerische Debatte
L'Avenir findet das Ganze heuchlerisch. Alkoholismus ist eine Plage; er zerstört Leben, Familien und Beziehungen. Er tötet – schnell auf den Straßen und langsam im Alltag. Er sorgt für volle Krankenhäuser und Friedhöfe. Aber Geschäft ist Geschäft, würde Maggie De Block sagen. Der Alkoholverkauf ist ein einträgliches Geschäft, eine Branche, in der gerade unsere Industrie glänzt. Ist nicht eines unserer Aushängeschilder sogar Weltmarktführer im Bier? Und während sich die Staatskasse an den Einnahmen aus Steuer und Akzisen erfreut, werden die Kassen der Sozialen Sicherheit immer leerer. Unsere Politiker wissen schon warum, meint L'Avenir sarkastisch.
Die Debatte über Rauchen und Alkohol ist eine ideologische, kommentiert Het Nieuwsblad. Die CD&V und die liberale Maggie De Block stehen sich gegenüber. De Block findet, dass die Menschen vernünftig genug sind oder sein sollten, ihre eigene Entscheidung zu treffen. Die CD&V dagegen warnt vor den Folgen der Alkoholsucht und den Krankheiten, die durch das Rauchen verursacht werden. Die Schwierigkeit liegt in der Frage, wieweit eine Regierung eingreifen soll. Verbietet sie zu viel, dann werden Alkohol und Tabak noch attraktiver. Unternimmt sie gar nichts, dann entzieht sie sich ihrer Verantwortung für die Volksgesundheit.
Beim Alkohol ist es sehr schwierig, die Balance zu finden, da er so stark in unserer Kultur verwurzelt ist. Beim Tabak ist das schon einfacher. Niemand bezweifelt die schädlichen Folgen und die Gesellschaft unterstützt hier eine strenge Haltung, meint Het Nieuwsblad.
Vom langersehnten Anti-Tabak-Plan De Blocks, der diese Woche im Parlament besprochen wird, erwartet De Standaard nicht viel. Keine neutralen Verpackungen, kein Reklameverbot in den Geschäften, keine Verringerung der Verkaufsstellen und auch keine Erhöhung des Alters von 16 auf 18 Jahre. De Blocks Haltung beim Rauchen liegt auf derselben Linie wie beim Alkohol: Menschen müssen selbst Verantwortung übernehmen. Aber kann diese liberale, Jeder- nach-seiner-Façon-Philosophie auch in der Gesundheitsversorgung durchgezogen werden, fragt De Standaard.
Einschränkung des Streikrechts ist beunruhigend
Het Belang van Limburg kritisiert eine andere Entscheidung der Regierung. Sie verbietet zwei kleinen und unabhängigen Eisenbahn-Gewerkschaften Streikankündigungen zu hinterlegen. Sie dürfen zwar weiterhin mitstreiken, die Ankündigung bleibt aber Vorrecht der großen nationalen Gewerkschaften. Dazu meint die Zeitung: Dass diese Regierung so offensichtlich und ungeniert an den gewerkschaftlichen Freiheiten herumpfuscht, ist wirklich beunruhigend. Die Frage, ob das Ausschalten der kleinen Eisenbahn-Gewerkschaften nur Vorbote von Schlimmerem ist, ist gerechtfertigt. Die Befürchtung der Gewerkschaften, dass diese Regierung das Streikrecht noch strenger einschränken will, ebenfalls. Dass diese Regierung keine hohe Meinung über die Gewerkschaften hat und umgekehrt, ist kein Geheimnis. Und dass in Antwerpens Rathaus – mit Bart De Wever – ein Parteivorsitzender sitzt, der die Gewerkschaften lieber gleich los wäre, ist ebenfalls allgemein bekannt.
Man sollte sich aber gelegentlich daran erinnern, dass die sozialen Errungenschaften, die während des vergangenen Jahrhunderts erzielt wurden, starken und unabhängigen Gewerkschaften zu verdanken sind. Ansonsten würden wir wohl immer noch sechs Tage pro Woche und 14 Stunden am Tag für einen Euro Stundenlohn arbeiten. Het Belang van Limburg zitiert einen Gewerkschafter: "Das erste, was Diktaturen abschaffen, sind Pressefreiheit und Gewerkschaftsrechte".
Die USA: ein gespaltenes Land
Auch der Endspurt im US-Präsidentschaftswahlkampf wird in der belgischen Presse kommentiert. Die Vereinigten Staaten sind ein gespaltenes Land, meint Het Laatste Nieuws. Auf der einen Seite Metropolitan und Guggenheim Museum, auf der anderen Seite in Reservate zusammengetriebene indianische Ureinwohner. Die USA haben den am höchsten entwickelten Technologiegrad der Welt und sind in manchen anderen Aspekten Dritte-Welt-Land. Hohe Militärausgaben, eine enorme Kluft zwischen Arm und Reich, eine erschütternde Diskriminierung von Minderheiten und eine Obrigkeit, die sich regelmäßig gegenseitig beleidigt.
So etwas findet man auch in Ländern der südlichen Halbkugel, die wir in der Regel als Dritte oder Vierte Welt bezeichnen. Was wir in diesem Wahlkampf erlebt haben, zeigt wir krank die amerikanische Demokratie ist. Sie ist weniger denn je repräsentativ, sondern eine Form von direkter Verwaltung durch Leute, die nur sich selbst vertreten und nur nach Meinungsumfrage handeln.
VKr - Foto: Frank May (epa)