"Calais: Das Ende des Dschungels", titelt Le Soir. "Der Dschungel wartet auf die Bulldozer", so die Schlagzeile von De Morgen. Der "Dschungel", so wird ja das große Flüchtlingslager in der französischen Hafenstadt Calais genannt. Dort harren Tausende Migranten aus, die nur ein Ziel haben: Sie wollen nach Großbritannien. Eben dieser "Dschungel" soll also ab heute geräumt werden.
"6.400 Menschen müssen weg und dann kommen die Bagger", schreibt denn auch Het Laatste Nieuws. Die Flüchtlinge sollen auf 167 Auffangstrukturen in Frankreich verteilt werden; die Verlegung soll innerhalb von drei Tagen abgeschlossen sein. Im Anschluss soll das Lager verschwinden.
Allerdings: Viele Menschen wollen nicht weg; die Behörden rechnen mit Widerstand. La Libre Belgique spricht denn auch von einer "Hochrisiko-Aktion". "Im Dschungel liegen die Nerven blank", so formuliert es Gazet van Antwerpen.
Einige Flüchtlinge haben derweil buchstäblich die Flucht nach vorn angetreten und in den letzten Tagen das Lager verlassen. Die belgischen Behörden hatten genau das befürchtet und entsprechend vorgesorgt. In der Küstenregion und an der französischen Grenze wurde die Polizeipräsenz verstärkt.
Insbesondere will man verhindern, dass sich die Flüchtlinge etwa in Seebrügge wieder sammeln, um von dort aus zu versuchen, nach Großbritannien zu gelangen. "Und im Moment werden doppelt so viele Illegale wie sonst entlang der Autobahnen aufgegriffen", berichtet Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Den Dschungel verschwinden zu lassen löst das Problem nicht
Mit dem Dschungel verschwindet ein Symbol der Heuchelei, findet De Morgen. Und das brutale Machtspektakel, das die französischen Behörden ab heute darbieten wollen, sollte niemanden mit Stolz erfüllen. Calais ist das Sinnbild für eine Europäische Union, der in der Migrationspolitik ihre Werte abhanden gekommen sind.
Doch auch auf der anderen Seite des Ärmelkanals herrscht die Scheinheiligkeit. Die Migranten zieht es auch auf die Insel, weil Großbritannien über Jahre stillschweigend und wissentlich Illegale akzeptiert hat, um in den versteckten Heizräumen die britische Wirtschaft zu befeuern. Der Erfolg der Metropole London ist wohl auch mit dem Schweiß von illegalen Einwanderern gebaut. Und eben dieses Großbritannien will jetzt eben wegen der Migrationsproblematik die EU verlassen.
Sicher, Calais ist kein Ruhmesblatt, meint La Libre Belgique. Doch muss jeder zugeben, dass es so nicht weitergehen konnte. Die Situation war für alle unerträglich: für die Bewohner, die unter widrigsten Bedingungen leben mussten; und für die Bürger von Calais, die tagtäglich die negativen Folgen dieses Slums in Kauf nehmen mussten.
Allerdings sollten die politisch Verantwortlichen wissen: Es reicht nicht, ein Lager verschwinden zu lassen, um das Migrationsproblem zu lösen. Mehr denn je muss man sich mit den Fluchtursachen beschäftigen.
Die Wallonie bleibt auf Konfrontationskurs mit dem Rest der Welt
Das wallonische "Nein" zu Ceta beschäftigt natürlich auch heute die Zeitungen. "Die EU setzt Magnette die Pistole auf die Brust", konstatiert etwa Het Belang van Limburg. EU-Ratspräsident Donald Tusk will bis heute Abend eine klare Antwort von Belgien. Ansonsten wird der für Donnerstag anberaumte EU-Kanada-Gipfel abgesagt. "Europa ist mit seiner Geduld am Ende", so formuliert es auch Het Nieuwsblad.
Die Signale aus Namur sind aber aus Sicht der EU und der 27 Staaten, die Ceta zugestimmt haben, nicht unbedingt hoffnungsvoll. "Die Wallonie ist wohl heute Abend noch nicht bereit, 'Ja' zu sagen", orakelt La Libre Belgique auf ihrer Titelseite.
Für Le Soir "könnte sich das wallonische Problem noch etwas in die Länge ziehen". Anscheinend ist es so, dass das jüngste Kompromisspapier, das die EU-Kommission der Regierung in Namur gestern übermittelt hat, bei den Wallonen auf wenig Gegenliebe stößt. "Geht es nach Paul Magnette, dann wird Charles Michel Kanada gegenüber wohl 'Nein' sagen müssen", glaubt Le Soir.
Die Wallonie begibt sich auf Konfrontationskurs mit dem Rest der Welt, urteilt Het Laatste Nieuws. Dafür gibt es Wesentlichen zwei Gründe: Zunächst ist es offensichtlich, dass die PS den heißen Atem der kommunistischen PTB im Nacken spürt.
Das wallonische "Nein" ist wohl in erster Linie innenpolitisch motiviert. Darüber hinaus entspricht Paul Magnette aber auch einem gewissen Zeitgeist. Gegen die Globalisierung regt sich mehr und mehr Widerstand. Und dieses Phänomen betrifft längst nicht nur die Wallonie. Die EU jedenfalls wäre gut beraten, die Zeichen der Zeit zur Kenntnis zu nehmen.
Für Het Belang van Limburg gibt es demzufolge auch nur zwei Möglichkeiten: Wenn die Wallonie wirklich grundsätzliche Einwände gegen Ceta hat, dann muss sie konsequent bleiben und das Freihandelsabkommen kippen. Wenn sie das nicht tut, dann war die Ehrenrunde wohl nur dazu gedacht, Charles Michel noch einmal so richtig vors Schienbein zu treten.
Firmenwagen und schwarz sehende Frankophone
De Standaard hat sich heute noch einmal mit den neuen Maßnahmen beschäftigt, die die Regierung vor einer Woche im Parlament vorgestellt hat: "600 Euro oder einen Firmenwagen?", schreibt das Blatt. Dahinter steht aber ein Fragezeichen. Die Regierung will bekanntlich Anreize schaffen, damit die Menschen auf einen Firmenwagen verzichten. Stattdessen bekäme man also den "Gegenwert" netto als Gehalt. Die Frage ist noch: Wie hoch wird die Summe sein? Bis zu 600 Euro, das wäre da wohl doch schon eine Ansage.
Le Soir bringt heute exklusiv die Ergebnisse einer Studie, bei der die Zukunftsaussichten der Menschen abgefragt wurden. Daraus geht ziemlich deutlich hervor, dass viele richtiggehend schwarz sehen. Neun von zehn Befragten etwa sind der Ansicht, dass unsere Gesellschaft gegen die Wand fährt. Ebenfalls über 90 Prozent der frankophonen Belgier wollen ein anderes Gesellschaftsmodell.
Bezeichnend: Für die meisten Befragten kann die Veränderung nur durch die Zivilgesellschaft herbeigeführt werden, vielleicht auch durch die EU. Der heimischen Politik, im Besonderen der Föderalregierung, traut man offensichtlich in diesem Zusammenhang nichts zu.
rop - Bild: Philippe Huguen (afp)