"Monsieur Non", titelt La Libre Belgique. "Kanada knallt die Tür von Magnette zu", stellt L'Echo fest. "Kanada hat die Nase voll von der Wallonie", schreibt De Morgen auf Seite eins.
Die wallonische Regierung blockiert weiter das angestrebte Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Konkret verhindert das "Nein" aus Namur die belgische Unterschrift unter Ceta; die 27 anderen EU-Mitgliedsstaaten wollen demgegenüber das Abkommen auf die Schienen setzen.
Am Freitag hatte der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette (PS) sogar direkte Gespräche mit der kanadischen Seite geführt, genauer gesagt mit der kanadischen Handelsministerin Chrystia Freeland. Die warf aber am späten Nachmittag entnervt das Handtuch. "Magnette jagt die kanadische Ministerin weinend nach Hause", so formuliert es Het Nieuwsblad. Und das ist wörtlich zu verstehen: Nachdem sie die Verhandlungen für beendet erklärt hatte, brachte Freeland in einer kurzen Stellungnahme, den Tränen nahe, ihre "grenzenlose Enttäuschung" zum Ausdruck.
"Das ist kein Sieg", sagt Paul Magnette aber auf Seite eins von Le Soir. Ihm gehe es nicht darum, Ceta zu kippen, sondern einzig um ein ausgeglichenes Abkommen. Erst wenn das erreicht ist, könne man wirklich von einem Triumph sprechen.
Zu viel oder zu wenig Demokratie? Populismus oder Widerstand?
De Standaard versucht, die ganze Geschichte zu deuten, und stellt sich da vor allem eine Frage: "Ist das jetzt rücksichtsloser Populismus oder ein Hoffnung erweckender Widerstand?". Drunter gibts aber schon den Beginn einer Antwort; der Untertitel lautet nämlich: "Wie Paul Magnette die EU blamiert".
Die Leitartikler sehen die wallonische Blockadehaltung mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite, so meint etwa Le Soir, wird die EU hier in ihren existenziellen Grundfesten erschüttert. Wenn Europa keine Handelsabkommen mehr schließen kann, dann sieht es düster aus. Auf der anderen Seite hat die Wallonische Region mit ihrem "Nein" aber auch ihren Finger in die Wunde gelegt.
Die Globalisierung hat bislang die sozialen Ungleichheiten nur noch verstärkt. Und die Gruppe derer, die den Mensch wieder in den Mittelpunkt stellen wollen, wird immer größer. Und konkreter: Viele Bürger teilen die wallonischen Bauchschmerzen hinsichtlich der Schiedsgerichte, da hier die Gefahr besteht, dass die demokratischen Staaten von den Konzernen politisch entmündigt werden.
Ist das Problem nun zu viel oder zu wenig Demokratie?, fragt sich De Standaard. In gewisser Weise ist das Verhalten der Wallonen mit dem der Briten zu vergleichen: Sie wollen schlicht und einfach mehr Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen. Die anonyme Brüsseler Bürokratie hat vielen das Gefühl gegeben, dass sie ihr Schicksal nicht mehr selbst in der Hand haben. Und eben diese Elite reagiert jetzt wie von der Tarantel gestochen, wenn ein winzig kleines Parlament mal wirklich Mitsprache einfordert. Und alles, was den EU-Granden dazu einfällt, sind hohle und drohende Phrasen.
Die Zeiten, in denen Einigkeit vorausgesetzt war, sind eben vorbei, bemerkt De Morgen. Viel zu lange beschränkte sich das demokratische Mitspracherecht auf einen Song der britischen Band Snow Patrol: "Just say yes", einfach nur Ja sagen. Jetzt hat ein zugegeben kleiner Teilstaat sich eben auch mal getraut, auszuscheren. Und das dürfte nicht das letzte Mal gewesen sein. Die EU sollte entsprechend das Signal ernstnehmen.
Eigentlich nur Verlierer
Für La Libre Belgique gibt es in dem Ganzen eigentlich nur Verlierer. Die wallonischen Bauchschmerzen sind bestimmt in Teilen nachvollziehbar. Doch sollte man hier die Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen. Andere Sozialisten wie François Hollande oder Martin Schulz und sogar der linksradikale Grieche Alexis Tsipras haben das offensichtlich getan. Kleine Klammer: Marine Le Pen ist gegen Ceta. In der Zwischenzeit versetzt das wallonische "Nein" der Europäischen Union einen weiteren Schlag. Wobei die sich eine neue Krise eigentlich nicht leisten kann. Und innenpolitisch liefern die Sozialisten insbesondere der N-VA eine neue Steilvorlage.
Apropos Innenpolitik: L'Echo ist mehr denn je davon überzeugt, dass die PS von wahltaktischen Erwägungen getrieben ist. Weiter steht der Verdacht im Raum, dass Paul Magnette nur deswegen das Kostüm des Musterdemokraten und Kapitalismuskritikers angelegt hat, um der linksextremen PTB nicht das Feld zu überlassen. Ob diese Position allerdings zu halten sein wird, das ist fraglich. Entweder Paul Magnette kippt ein europäisches Abkommen und ruiniert damit den Ruf der Wallonie – oder er muss Wasser in seinen Wein gießen.
Stichwort Image: Premierminister Charles Michel war beim EU-Gipfel nicht wirklich zu beneiden, bemerkt Gazet van Antwerpen. Der musste nämlich seinen 27 Kollegen erklären, was da gerade in Belgien los ist. In der Sache mögen die Wallonen zwar in Teilen Recht haben, dennoch hat man eigentlich Lust zu sagen: "Je suis Charles".
Weniger Verkehrstote – aber noch weit von den Zielen entfernt
"Die Zahl der Wochenend-Toten hat sich halbiert", so derweil die Aufmachergeschichte von Het Laatste Nieuws. Das Blatt beruft sich da auf jüngste Zahlen des Belgischen Instituts für Straßenverkehrssicherheit IBSR. Im Jahr 2006 starben noch 104 Menschen am Wochenende auf Belgiens Straßen; in diesem Jahr sind es 44.
Das ist bestimmt ein Erfolg, aber leider viel zu wenig, bemerkt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Nach wie vor gehört Belgien zu den Europameistern, wenn es um die Zahl der Verkehrstoten pro Einwohner geht. Zwar gibt die Politik da in regelmäßigen Abständen unter dem Motto "Go for zero" das Ziel vor, die Zahl der Verkehrsopfer drastisch zu senken. Frage ist dann allerdings: Warum passiert denn da nix? Fakt ist jedenfalls, dass die getroffenen Maßnahmen nicht den gesteckten Zielen entsprechen.
rop - Bild: Bruno Fahy (belga)