"Magnette bleibt bei seinem 'Non'", titelt De Standaard. "Die Wallonie sagt weiterhin 'Nein' zu Ceta", so auch die Schlagzeile von La Libre Belgique.
Die EU-Kommission hat gestern der Wallonischen Region eine Reihe von neuen Vorschlägen beziehungsweise Text-Interpretationen übermittelt, um auf die wallonischen Einwände gegen das angestrebte Freihandelsabkommen mit Kanada einzugehen. Die Regierung in Namur hat die Texte am Abend geprüft. "Doch blieb das EU-Angebot hinter Magnettes Erwartungen zurück", stellt L'Echo auf seiner Titelseite fest. Es bleibt also beim wallonischen "Nein" zu Ceta.
"Die Wallonie bietet Europa weiter die Stirn", konstatiert denn auch Le Soir auf Seite eins. "Die Wallonie sagt 'Non' an die Adresse von Europa", so formuliert es De Morgen. Für L'Avenir sind die Folgen weitreichender: "Die Wallonie beerdigt Ceta", schreibt das Blatt. Tatsächlich mag es so aussehen. Heute läuft ein EU-Ultimatum aus, die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström wollte für heute eine Antwort von allen 28 EU-Mitgliedsstaaten. "Doch hat Magnette zu hoch gepokert", sagt ein Experte von der Universität Gent in De Morgen. Mit seinem '"Nein" zu Ceta ist der PS-Politiker quasi über Nacht zur Lichtgestalt der europäischen Linken geworden. Da könne er sich jetzt auch nicht mit Peanuts zufriedengeben, sagt der Professor sinngemäß.
Paul "Ma Njet" beschwört die nächste Staatsreform herauf
Die ganze Akte hat sich irgendwie gleich in mehreren Bereichen verheddert, stellt L'Avenir in seinem Leitartikel fest. Erstmal sind da die altbekannten innerbelgischen Rangeleien. Oben drauf kommt dann ein Ultimatum der EU, das einzig dazu führt, dass sich alle Seiten noch weiter in ihren jeweiligen Stellungen eingraben. Und so, wie die Karten jetzt liegen, kommt keiner mehr ohne Gesichtsverlust aus dieser Geschichte heraus.
Immerhin: Im Moment scheint es niemand auf eine innerbelgische Krise anzulegen; mit einer Ausnahme: "Einzig die OpenVLD ist bereit, eine institutionelle Krise in Kauf zu nehmen", stellt Le Soir fest. Keine geringere als Parteichefin Gwendolyn Rutten plädierte am Mittwoch dafür, sich notfalls über das wallonische "Nein" hinwegzusetzen. Die drei anderen Koalitionspartner der Föderalregierung, N-VA, MR und CD&V, wollen sich ihrerseits strikt an den verfassungsrechtlichen Rahmen halten.
Beifall gibt es da von Het Belang van Limburg. Das wallonische "Nein" mag schlecht sein für die flämische Wirtschaft, auch für das belgische Image innerhalb der EU. Doch darf das immer noch kein Grund sein, unsere Gesetze oder unsere Verfassung auszuhebeln. Gesetz ist Gesetz. Was allerdings nicht heißt, dass man besagte Regeln nicht ändern kann. Die Wallonie beschwört mit ihrer Haltung eine Siebte Staatsreform herauf. Die Ceta-Geschichte wird am Ende zum Königsargument für die Übertragung von noch mehr Zuständigkeiten an Flandern.
Belgien im Fadenkreuz der russischen Propaganda
Zweites großes Thema sind die russischen Vorwürfe an die Adresse der belgischen Luftstreitkräfte. Moskau hatte die Belgier für einen Luftangriff verantwortlich gemacht, bei dem in der Nähe von Aleppo unter anderem auch Zivilisten getötet worden seien. Die Föderalregierung hatte daraufhin Protest eingelegt und sogar den russischen Botschafter einbestellt. Gestern gab es dann die russische Retourkutsche: Moskau legte angebliche "Beweise" vor, die die Verantwortung der belgischen F16 belegen sollten.
"Genau das Gegenteil ist der Fall", meint aber Verteidigungsminister Steven Vandeput. "Die angeblichen 'Beweise' waschen Belgien von allen Vorwürfen rein", sagt er auf Seite eins von Het Laatste Nieuws. Konkret: Man sieht zwar Radarbilder von Flugzeugen, inklusive der Kennungen der Jets. Allerdings: Besagte Kennungen werden nicht von den belgischen F16 benutzt. "Deswegen verlangt Belgien jetzt eine Entschuldigung von Russland", sagt der Verteidigungsminister auf Seite eins von Het Belang van Limburg.
"Russland missbraucht Belgien für seine Propaganda", sagt dazu ein Militärexperte in De Morgen. Angesichts der internationalen Kritik will der Kreml der Welt und vor allem auch den eigenen Bürgern weismachen, dass auch die US-geführte Koalition Zivilisten tötet.
Die Russen sind nun mal auf Desinformation spezialisiert, meint Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. In der Regel verfolgen sie nur ein Ziel: Sie wollen Zweifel säen, um einen Keil in die Gesellschaften zu treiben. Die Belgier allerdings laden durch ihre Geheimniskrämerei auch dazu ein, wer nicht kommuniziert, der muss sich nicht wundern, wenn man ihm alles Mögliche unterstellt.
Das ist eben Propaganda im Kalten Krieg 2.0, stellt Gazet van Antwerpen fest. Die Belgier sollten sich jetzt von den Russen nicht verrückt machen lassen. Selbst die Opposition glaubt dem föderalen Verteidigungsminister eher als dem Kreml. Einheit macht stark. Das allerdings in der Hoffnung, dass sich nicht doch noch herausstellt, dass es am Ende Vandeput war, der gelogen hat.
Wenn wir es nicht waren, wer war es dann?, fragt sich seinerseits De Standaard. Mal angenommen, Moskaus Radardaten sind nicht komplett gefälscht, dann würde das ja bedeuten, dass ein Verbündeter für den Angriff verantwortlich ist. Und besagter Verbündeter hätte dann also die Belgier alleine im diplomatischen Gewitter stehen lassen. Die Konsequenz von alledem ist in jedem Fall, dass der Vorfall und damit der Tod von unschuldigen Zivilisten wohl nie geklärt werden wird.
"Un grand Monsieur"
Viele Zeitungen erinnern heute schließlich an den PS-Staatsminister Roger Lallemand, der im Alter von 84 Jahren verstorben ist. Er war einer der Väter des Gesetzes zur teilweisen Legalisierung der Abtreibung. "Der Mann, der das Leben der Belgier verändert hat", schreibt La Dernière Heure. "Er brachte sogar einen König zum Weichen", hält Le Soir fest; König Baudouin hatte sich ja geweigert, das Gesetz gegenzuzeichnen. "Un grand Monsieur", meint Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Nur wenige Politiker verdienen das Prädikat "bahnbrechend"; der PS-Politiker Roger Lallemand war einer von ihnen. De Morgen nennt Roger Lallemand einen "Giganten". Seine Art ist leider heute ausgestorben.
Roger Pint- Foto: Wallonische Regierung/BELGA