"Es gibt eine Einigung!", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins. "Die Regierung rettet ihr Gesicht", titelt Le Soir. Und Het Laatste Nieuws bemerkt kritisch: "Die Einigung glänzt vor Ungenauigkeit".
Am Freitagabend haben sich die Regierungspartner auf föderaler Ebene auf den Haushalt für 2017 geeinigt. Ermöglicht wurde das auch dadurch, dass die bis zuletzt unter den flämischen Koalitionspartner strittigen Punkte von den Verhandlungen ausgeklammert wurden. Wie es mit der Unternehmensbesteuerung, einer möglichen Abgabe auf Börsengewinne und Impulse für mehr Investitionen weitergehen wird, soll später entschieden werden.
La Libre Belgique freut sich über die Einigung: Es ist zu begrüßen, dass die Mannschaft von Charles Michel es geschafft hat, sich auf einen Haushalt zu verständigen. Michel respektiert damit die zeitlichen Vorgaben der EU und die Haushaltsziele scheinen mit der Einigung erreicht. Damit hat es Michel geschafft, einen Ausweg aus der Krise zu finden, in die seine Regierung Anfang der Woche gestürzt war. Das Krisenmanagement der ersten Tage war amateurhaft. Bei einer fortdauernden Krise hätte die Autorität des Premierministers noch mehr gelitten, glaubt La Libre Belgique.
Sprengstoff bleibt
Het Nieuwsblad meint: Endlich haben wir ein Ergebnis. Es wurde auch langsam Zeit. Denn schon am Montag will die EU-Kommission unseren Haushaltsplan für 2017 sehen. Sie wird ihn bekommen. Mit allem was gefordert wurde, vor allem mit den drei Milliarden Euro, die wir einsparen müssen. Doch diese Einigung hat eher einen technokratischen Wert. Die wirklich heißen Kartoffeln schiebt Premier Michel weiter vor sich her. Die strittigen Punkte zwischen den flämischen Koalitionspartnern sind nicht gelöst. In diesen Punkten liegt noch viel Sprengstoff. Trotz der gestrigen Einigung sind die dunklen Wolken, die über der Regierung hängen, noch nicht verschwunden, urteilt Het Nieuwsblad.
Die Wirtschaftszeitung L'Écho schüttelt den Kopf: Da war diese Mitte-Rechts-Koalition doch mit dem Versprechen angetreten, eine kohärente und ausgewogene Haushaltspolitik zu führen. Vor allem die N-VA hatte sich das in Abgrenzung zu den Sozialisten auf ihren Fahnen geschrieben. Und was sehen wir jetzt? Haushaltspolitisches Gezänke ohne Ende. Feilschen wie auf dem Basar. Und ein Charles Michel, der es kaum fertigbringt, seine flämischen Partner zu beruhigen. Trotzdem muss man der Regierung auch ein Lob aussprechen: Sie versucht es zumindest, wichtige Reformen auf dem Weg zu bringen, so L'Écho.
Nein zu Ceta zeigt Dilemma von Europa
Zu der gestrigen Weigerung des wallonischen Parlaments das Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada zu unterstützen, schreibt Le Soir: Diese Entscheidung mit all ihren Folgen, die sie für Europa haben kann, verdeutlicht ein großes Dilemma. Seit Monaten spricht man davon, dass die Europäische Union demokratischer werden soll. Denn die Bürger wenden sich von Europa ab und sehen ihre Sorgen nicht aufgegriffen von den europäischen Entscheidungsträgern. Das gestrige Votum hat diese Forderung nach mehr Demokratie erfüllt. Dadurch verhindert die Wallonie aber genau das, was man auch vor Europa fordert, nämlich, dass es schlagkräftiger, effizienter werden soll. Beides scheint nicht unter einen Hut zu passen, stellt Le Soir fest.
De Standaard zeigt sich wenig überrascht: Die PS liegt unter Beschuss von links durch die PTB. Das Nein zur Ceta war jetzt eine prima Gelegenheit, den linken Flügel zu bedienen. Außerdem ist das wirtschaftliche Risiko gering, dass die Wallonie mit ihrem Nein eingeht. Den meisten Handel mit Kanada betreiben flämische Unternehmen. Und politisch ausbaden muss das Nein Premierminister Charles Michel. Alles gut also für die PS. Für die flämischen Politiker allerdings ist das eine bittere Pille, findet De Standaard.
Het Belang van Limburg blickt schon nach vorne. Der Widerstand der wallonischen Regierung gegen Ceta verheißt nichts Gutes für TTIP, das Freihandelsabkommen mit den USA. Der Widerstand der Bevölkerung gegen TTIP ist noch größer, die Bedeutung der Handelsbeziehungen zu Amerika noch viel höher. Mit TTIP, so heißt es, soll unser Bruttoinlandsprodukt um mindestens 2,2 Prozent steigen, schreibt Het Belang van Limburg.
Wahlkampf unter der Gürtellinie
Zum amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf bemerkt L'Avenir: Die sexistischen Äußerungen von Donald Trump einigen das demokratische Lager und polarisieren die Gesellschaft. Frauen, allen voran die sonst eher öffentlichkeitsscheue Michelle Obama reihen sich hinter Hillary Clinton. Viele Männer finden Trump weiter gut.
Diese Gender-Debatte scheint zum einzigen Thema zu werden, um das es im amerikanischen Wahlkampf noch geht. Das ist beunruhigend. Denn das würde auch bedeuten, dass es in dem Moment, in dem eine Frau gute Möglichkeiten hat, Präsidentin der Vereinigten Staaten zu werden, ein Wahlkampf nur noch unter der Gürtellinie ausgetragen wird, bedauert L'Avenir.
Kay Wagner - Bild: Nicolas Maeterlinck/BELGA