"Wie soll Charles Michel das noch zurechtbiegen?", fragt sich Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Der Premierminister in der Mangel", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws.
Die Krise innerhalb der Föderalregierung dauert an. In den vergangenen Tagen haben sich die Fronten eher noch verhärtet. Die CD&V fordert weiter eine Steuer auf Börsenmehrwerte, die N-VA besteht auf einer Senkung der Körperschaftssteuer, und quasi obendrauf plädiert die OpenVLD jetzt für "steuerliche Anreize", um das Geld, das auf belgischen Sparkonten schlummert, zu "mobilisieren".
Premier Michel hat sich am Mittwoch auf bilaterale Kontakte beschränkt. Seit die Krise am Dienstag offen zu Tage getreten ist, hat die Regierungsspitze nicht mehr zusammen am Verhandlungstisch gesessen. Das Problem, so diagnostiziert es Het Laatste Nieuws: "Das Vertrauen liegt bei 0,0 - jeder hat Angst, über den Tisch gezogen zu werden."
Das Schlimme ist, so die Meinung von Gazet van Antwerpen: Alle Ideen, die auf dem Tisch der Regierung liegen, sind absolut löblich. Die Steuergerechtigkeit der CD&V, mehr Sauerstoff für die Unternehmen durch eine Senkung der Körperschaftssteuer dank der N-VA, die OpenVLD-Anreize, damit ein Teil der 260 Milliarden Euro auf belgischen Sparkonten wieder in die Wirtschaft fließt: Gegen all das kann man doch nichts haben. In einer idealen Welt würden alle drei Vorschläge so schnell wie möglich umgesetzt. Leider fehlt jetzt aber die Zeit, muss die Koalition übereilt vorgehen und das Resultat sind am Ende wohl halbgare Maßnahmen.
Im Augenblick scheint sich die Regierung aber eher noch von einer Einigung zu entfernen. "Das Gezanke wird nur noch lauter", stellt Het Nieuwsblad ernüchtert fest. Und während Charles Michel also versucht, seine Koalition zu kitten, wird er am Nachmittag auch noch in der Kammer erwartet. Der Regierungschef muss sich im Rahmen der "Aktuellen Stunde" den Fragen der Abgeordneten stellen. "Hier droht dem Premier die totale Erniedrigung", warnt Het Laatste Nieuws. Die Regierung wäre jedenfalls gut beraten, möglichst vor Beginn der Kammersitzung doch noch zu einer Einigung zu gelangen, um dem Regierungschef eine Blamage zu ersparen.
Selbst wenn sich die Koalition einigt, ist da noch die EU-Kommission
Für De Morgen gibt es da in jedem Fall mindestens eine Hintertür: "Entscheidet sich Michel am Ende für die abgespeckte Lösung?", fragt sich das Blatt. Konkret: Offenbar wächst die Bereitschaft, die Akte aufzuspalten. Demnach würde man jetzt den Haushalt abkoppeln, um den dann noch fristgerecht der EU-Kommission übermitteln zu können. Das muss bis spätestens Samstag erfolgt sein. Und die Strukturreformen, über die würde man dann im Paket später beraten.
Doch selbst diese Vorgehensweise wäre womöglich kein Sonntagsspaziergang: "Die EU misstraut dem belgischen Haushalt", konstatiert jedenfalls De Standaard auf seiner Titelseite. Das Blatt bringt am Donnerstag ein Interview mit dem Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici. Und der wirft einen skeptischen Blick auf die belgische Haushaltssituation. Erstens: Das Problem der astronomischen Staatsschuld ist nach wie vor nicht gelöst. Und zweitens, schlimmer noch: In diesem Jahr könnte Belgien sogar gegen die Drei-Prozent-Defizitgrenze verstoßen. Ergo: Dass die EU-Kommission den belgischen Haushalt "mal eben so" durchwinkt, ist eher unwahrscheinlich.
Belgien droht Isolation wegen Namurs Blockade von Ceta
"Das frankophone Belgien alleine gegen den Rest der Welt", so die Schlagzeile im Innenteil von La Libre Belgique. Konkret: Nach der Wallonischen und der Brüsseler Region probt nun auch das Parlament der Französischen Gemeinschaft den Aufstand gegen Ceta, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Damit Ceta in Kraft treten kann, müssen alle Parlamente in allen EU-Mitgliedsstaaten den Vertrag ratifizieren. Die belgische Unterschrift ist abhängig von der Zustimmung aller Regional- und Gemeinschaftsparlamente.
In Namur bahnt sich da längst eine Ablehnung an. "Und die Brüsseler und Deutschsprachigen bleiben da wohl im Fahrwasser der wallonischen Kollegen", berichtet La Libre. Deswegen auch die Warnung: "Belgien droht in Europa die Isolation". De Standaard macht die frankophonen Sozialisten für die Blockade verantwortlich. "Die PS nimmt die europäische Wirtschaftswelt als Geisel", so die Schlagzeile. Das beginnt schon im eigenen Land: Flandern befürwortet das Freihandelsabkommen mit Kanada.
Dass hier aber nicht nur die PS auf der Bremse steht, darauf deutet ein Artikel von L'Avenir hin. "Wenn wir 'Nein' sagen, dann heißt das 'Nein'", warnt der CDH-Politiker und Vorsitzende des wallonischen Parlaments, André Antoine. Die Wallonie will jedenfalls, dass Belgien als Land Korrekturen an dem Abkommen fordert. Andernfalls gäbe es jedenfalls nicht den Segen des Parlaments in Namur.
Armut ist nicht mehr nur ein Problem der anderen
Ganz anderes Thema auf Seite eins von Le Soir: "Jeder siebte Arbeiter lebt unter der Armutsgrenze", schreibt das Blatt. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der sozialistischen Krankenkasse. Heißt also: Selbst ein Job schützt nicht vor Armut.
Diese Studie ist alarmierend, findet Le Soir in seinem Leitartikel. Und das Problem betrifft längst nicht mehr nur die Niedrigqualifizierten. Klar: Wer nicht oder nur wenig qualifiziert ist, für den ist das Armutsrisiko besonders hoch. Nur muss man feststellen: Auch Akademiker müssen sich inzwischen von einem prekären Job zum nächsten hangeln. Mit der Armut ist es inzwischen wie mit der Krankheit: Nein, das passiert eben nicht nur anderen.
Roger Pint - Bild: Jasper Jacobs/BELGA