"War es die Entgleisung zu viel?", fragt sich De Standaard auf Seite eins. "Donald Trump wird mehr denn je von den eigenen Leuten fallengelassen", konstatiert Le Soir. Für La Libre Belgique steht "Donald Trump am Abgrund".
Ausnahmslos alle Zeitungen beschäftigen sich am Montag mit den sexistischen Entgleisungen des republikanischen Präsidentschaftskandidaten, die am Wochenende bekannt geworden sind. Die Zeitung Washington Post hat ein zehn Jahre altes Video ausgegraben, in dem sich Trump extrem abfällig über Frauen äußert. Sinngemäß: "Wenn man Geld hat und berühmt ist, dann kann man mit Frauen machen was man will." Die Aussage sorgte für einen Sturm der Entrüstung. Die meisten republikanischen Spitzenpolitiker kündigten ihre Unterstützung für den Kandidaten auf. "Trump stand wohl noch nie zuvor dermaßen unter Beschuss", stellen Het Nieuwsblad und Het Belang van Limburg auf ihren Titelseiten fest. Het Laatste Nieuws bringt ein Foto, auf dem man Trump umringt von Frauen sieht. Die Schlagzeile: "Führen Frauen Trump zum Ausgang?"
In jedem anderen Land wäre Donald Trump jetzt weg vom Fenster, bemerkt dazu L'Avenir. Die Bemerkung war derart niederträchtig, dass man fast schon behaupten kann, er wäre bei einem Akt der sexuellen Belästigung auf frischer Tat ertappt worden. Jetzt wird er von Gott und der Welt verlassen; selbst sein eigener Vizepräsidentschaftskandidat distanziert sich von ihm.
Schlimmer geht immer - aber Trump-Fans ficht das nicht an
Warum erst jetzt, fragt sich aber anklagend De Standaard. Wie kann es sein, dass Donald Trump erst jetzt an den Pranger gestellt wird? Warum haben insbesondere die Republikaner all seine Beleidigungen bislang akzeptiert, seine unflätigen Bemerkungen über, wahlweise, Mexikaner, Moslems, Journalisten, eine Schönheitskönigin oder die Eltern eines getöteten US-Soldaten? Die bisherige Haltung dem Kandidaten gegenüber war eine moralische Bankrotterklärung, die die Republikaner jetzt in die schlimmste Krise seit dem Watergate-Skandal stürzt.
Schlimmer geht immer, kann Het Belang van Limburg nur feststellen. Schon diverse Male hatte man den Eindruck, dass das Niveau nicht mehr tiefer sinken könnte. Ob der Tiefpunkt jetzt erreicht ist oder nicht: Seine Anhänger wird das wohl nicht umstimmen. Die Trump-Fans, das sind die Menschen, die dem Establishment in Washington den ausgestreckten Mittelfinger zeigen. Auch in Europa gibt es Politiker, die diese Wählerschaft bedienen. Und es wird Zeit, dass wir aufhören, darüber zu schweigen.
Trump ist kein Kandidat wie jeder andere, gibt De Morgen zu bedenken. Er ist die Stimme derer, die sich abgehängt fühlen. Trump ist in gewisser Weise die Versinnbildlichung der gesellschaftlichen Spaltung. Und es wäre ein großer und gefährlicher Fehler, wenn man das Misstrauen dieser Menschen ignorieren würde.
Einige Zeitungen sehen in den jüngsten Entwicklungen aber auch Zeichen der Hoffnung. Vielleicht besinnen sich die USA jetzt doch noch einmal auf ihre Grundwerte, meint etwa Le Soir. Das allerdings wäre fast schon die sprichwörtliche Ironie der Geschichte, nach dem Motto: An die Grundwerte wird erinnert, nicht, weil ein Präsidentschaftskandidat sie praktiziert, sondern weil er sie aufs Gröbste mit Füßen tritt.
Auch Gazet van Antwerpen hofft auf ein Aufbäumen. Man kann nur hoffen, dass die sexistischen Entgleisungen des Donald Trump in den USA etwas in Bewegung setzen, dass Frauen sich dazu ermutigt sehen, das Verhalten von Männern, das Trump propagiert, anzuklagen. In diesem Fall hätte Trump doch noch ein historisches Verdienst.
B-Fast darf in Haiti nicht helfen
"Wir könnten in Haiti Leben retten, aber wir dürfen nicht", das ist heute die anklagende Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Das Zitat stammt von Mitgliedern von B-Fast, der schnellen Katastropheneinsatztruppe. Trotz der verheerenden Schäden, die Tropensturm Matthew hinterlassen hat, wurde B-Fast bislang nicht losgeschickt - und das sorge für enormen Frust.
Haushalt und Umfragen: Regierungskoalition auf heißen Kohlen
Allein Le Soir bringt am Montag auf seiner Titelseite das Thema, das die innenpolitische Woche wohl bestimmen dürfte: "Haushalt: Kräftemessen um die Arbeitslosenunterstützung", so die Schlagzeile. Die Regierung arbeitet weiter mit Hochdruck an den Haushaltsplänen für das laufende und das kommende Jahr. Damit das Budget in der EU-Spur bleibt, müssen mindestens drei Milliarden Euro gefunden werden. Vor diesem Hintergrund wollen insbesondere die liberale OpenVLD, aber auch die N-VA Einsparungen bei der Arbeitslosenunterstützung vornehmen. Konkret soll das Arbeitslosengeld schneller als bisher schrittweise beschnitten werden. Die CD&V ist strikt dagegen.
Het Nieuwsblad spricht in diesem Zusammenhang von einem Stellungskrieg. Einmal mehr zeigen sich hier die Bruchlinien innerhalb dieser Koalition. Auf der einen Seite überbieten sich N-VA und OpenVLD mit wirtschaftsliberalen Ideen. Auf der anderen Seite gibt die CD&V mehr denn je das soziale Gewissen der Regierung. Bleiben beide Seiten konsequent bei ihrer Haltung, dann kommt der Tag, an dem eine Einigung unmöglich sein wird.
Het Laatste Nieuws appelliert seinerseits an den Ehrgeiz der Koalition. Die Staatsfinanzen müssen schnellstmöglich saniert werden, denn es kommt der Tag, an dem die Zinsen wieder steigen werden. Zugleich darf die Regierung aber nicht das soziale Gleichgewicht aus dem Lot bringen. Das ist eine schwierige Gleichung. Und mehr denn je stellt sich die Frage, ob das Personal dieser Equipe dafür ausreichend kompetent ist.
De Standaard bringt am Montag die Ergebnisse einer neuen Umfrage, die die Koalition nur noch nervöser machen dürfte. Demnach verlieren die flämischen Regierungsparteien insgesamt über acht Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Wahl. Wichtigste Erkenntnis: Alle Koalitionspartner müssen Einbußen hinnehmen. Die Rechnung der CD&V, die auf Kosten der N-VA punkten wollte, scheint nicht aufzugehen.
Roger Pint - Bild: Paul J. Richards/AFP