"Lohnerhöhungen könnten erneut ausgesetzt werden", titelt Het Laatste Nieuws. L'Écho wird auf Seite eins deutlicher: "Die NVA plädiert für einen zweiten Indexsprung", so die Schlagzeile.
Jetzt schießen also doch Spekulationen ins Kraut über die Frage, wo die Regierung denn wohl die 4,2 Milliarden Euro auftreiben will, die im föderalen Haushalt fehlen. Und da steht offensichtlich unter anderem ein möglicher zweiter Indexsprung im Raum. Nach Informationen von Het Laatste Nieuws könnte es zumindest darauf hinauslaufen, dass die im Herbst 2017 anstehende Erhöhung der Löhne und Sozialleistungen auf 2018 verschoben werden könnte.
"Katalog der Verzweiflung"
Das ist aber nur eine von anscheinend hundert Ideen, die gerade auf dem Tisch der Regierung liegen. Zu Papier gebracht hat die Liste anscheinend Premierminister Charles Michel. Het Laatste Nieuws spricht in diesem Zusammenhang vom "Katalog der Verzweiflung". Und darin sind offensichtlich sämtliche Tabus aufgelistet, die die Regierungsparteien anpacken könnten.
Eins davon steht auf Seite eins von Le Soir: "Die Schwedische Koalition könnte sich die Bankkonten vorknöpfen", schreibt das Blatt. Genauer gesagt ist demnach die Steuerbefreiung im Fadenkreuz der Regierung. Bislang ist es so, dass bis zu einem Betrag von 1.800 Euro an Zinsen keine Quellensteuer fällig wird. Offensichtlich will man diese Regelung entweder anpassen oder gleich ganz abschaffen.
ll diese Spekulationen dürften heute bei der Großkundgebung in Brüssel die Entschlossenheit der Gewerkschaften noch steigern. 50.000 Menschen werden erwartet, die anlässlich des zweiten Geburtstags der Regierung Michel gegen die Politik der Koalition protestieren wollen. Unter anderem gegen die Erhöhung des Renteneintrittalters, den bereits vorgenommenen Indexsprung oder die geplante Aufweichung der 38Stunden-Woche.
Die Kritik der Gewerkschaften an diesen Maßnahmen ist zwar verständlich, meint Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel, bestimmt wäre es schön, wenn alles beim Alten geblieben wäre. Allerdings: Wer soll das bezahlen? Dass die Regierung alles tut, um den Standort Belgien attraktiver und die Betriebe wettbewerbsfähiger zu machen, das hingegen ist richtig. Und das wirft auch Früchte ab. Haushaltssorgen hin oder her, aber die Zahl der Arbeitsplätze ist gestiegen.
Unsichere Zukunft für Brussels Airlines
Natürlich beschäftigen sich heute aber auch viele Blätter mit der angekündigten vollständigen Übernahme der belgischen Fluggesellschaft Brussels Airlines durch die deutsche Lufthansa. Besorgte Schlagzeile dazu auf Seite eins von La Libre Belgique: "Die unsichere Zukunft von Brussels Airlines unter deutscher Flagge". Die Gefahr ist nämlich, dass die Marke "Brussels Airlines" ganz verschwindet, dass die Gesellschaft vollständig in die Lufthansa-Tochter Eurowings eingegliedert werden könnte. Damit verbunden sind auch Ängste in Bezug auf die Zukunft des Brussels Airport in Zaventem. Le Soir wundert sich deshalb denn auch über das "Schweigen der Politiker".
L'Echo denkt an die belgischen Aktionäre: "Die Rechte der Belgier bei der Übernahme von Brussels Airlines werden verletzt", titelt das Blatt. Es ist ja so, dass Lufthansa eine Klausel aktiviert hat, um die verbleibenden 55 Prozent der Brussels Airlines-Anteile zu kaufen, und demnach müssen die Deutschen für die Fluggesellschaft lediglich einen Kleckerbetrag auf den Tisch legen. Die belgischen Anleger, die schauen ihrerseits in die Röhre.
Entsprechend groß ist die Verstimmung bei den Aktionären, bemerkt dazu La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Immerhin haben die Lufthansa-Verantwortlichen gestern versprochen, nach einer einvernehmlichen Lösung suchen zu wollen. Und eigentlich hat die deutsche Airline auch kein Interesse daran, den Groll des gesamten wirtschaftlichen Establishments eines ganzen Landes auf sich zu ziehen. Die belgische Seite wäre derweil gut beraten, endlich ihre Naivität abzulegen und Härte zu zeigen.
Das "belgische Syndrom" und das Schweigen der Politiker
L'Écho spricht in diesem Zusammenhang von einem "belgischen Syndrom". Wieder geht ein Schmuckstück der belgischen Wirtschaft in ausländische Hände über". Und wenn die Deutschen ernst machen, dann müssen sie dafür nur 2,6 Millionen Euro auf den Tisch legen. Und obendrauf droht noch der Markenname zu verschwinden. Damit verbunden die Frage, ob der Brussels Airport auch in Zukunft seinen Status als Drehkreuz behält. Dabei hatte sich Brussels Airlines gerade einen Platz in der rauen Luftfahrtwelt erkämpft.
L'Avenir sorgt sich seinerseits um die Arbeitsplätze. Machen wir uns nichts weis: In diesen schwierigen Zeiten ist kaum ein Unternehmen bereit, Geschenke zu machen. Und das gilt bestimmt auch für Lufthansa, man denke nur an den seit zwei Jahren andauernden Tarifkonflikt mit den Piloten der Gesellschaft. Die Gewerkschaften können sich jedenfalls bestimmt nicht beruhigt zurücklehnen.
Und doch schweigt die Politik, notiert Le Soir. Dafür gibt es bestimmt Gründe: Erstmal ist der Belgier von Natur aus pragmatisch, hinzu kommt aber, dass sich hier längst Resignation breitgemacht hat. Hierzulande weiß man inzwischen, wie es sich anfühlt, ein "kleines Land" zu sein.
Eandis, eine Geschichte von Fehleinschätzungen
"Stoppt den Ausverkauf", fordert dennoch De Morgen auf Seite eins. Das Blatt bezieht sich dabei auch auf den geplanten Einstieg des chinesischen Unternehmens State Grid beim flämischen Stromnetz-Verwalter Eandis.
In seinem Leitartikel sieht das Blatt deutliche Parallelen zwischen Brussels Airlines und Eandis. In beiden Fällen ist man mit Aktionären konfrontiert, deren wahre Absichten man nicht kennt. Besonders unverständlich ist: Belgien beziehungsweise die Belgier sitzen auf einem Berg von Spargeld, und doch lassen wir zu, dass regelmäßig strategische Betriebe von ausländischen Konkurrenten übernommen werden.
In die Akte Eandis ist derweil Bewegung gekommen: "Die Eandis-Bombe landet auf den Tisch der flämischen Regierung", titelt sinngemäß De Standaard. "Endlich!", bemerkt das Blatt dazu in seinem Leitartikel. Der flämischen Regierung ist offensichtlich doch noch klar geworden, wie problematisch der Einstieg eines chinesischen Staatsbetriebs in das Kapital der flämischen Stromnetze ist.
Dies trotz der anfänglichen totalen Fehleinschätzung des flämischen Ministerpräsidenten Bourgeois, der die entsprechende Warnung des Inlandsgeheimdienstes als "bloßen Fetzen Papier" bezeichnet hatte. Für Gazet van Antwerpen war das sogar einer der "größten Patzer in der politischen Laufbahn des Geert Bourgeois".
Für Het Nieuwsblad und Het Laatste Nieuws ist die Eandis-Geschichte gleichbedeutend mit einem Totalversagen der gesamten flämischen Politik. Die Parteien hatten allein ihre Interessen vor Augen, kritisiert Het Nieuwsblad. Ans Allgemeinwohl hat hier niemand gedacht.
rop - Foto: Virginie Lefour/BELGA