"Es wird brenzlig für die Regierung Michel", titelt bedrohlich De Standaard. Fast alle Zeitungen beschäftigen sich am Samstag ausgiebig mit der Haushaltslage des Landes. Dies, nachdem Mitte der Woche bekannt wurde, dass das Haushaltsloch wohl fast doppelt so groß ist wie befürchtet.
De Standaard fasst zusammen: "17 Tage für 4,2 Milliarden Euro". Bislang war man davon ausgegangen, dass "nur" 2,4 Milliarden Euro fehlen, damit Belgien den EU-Haushaltsvorgaben genügt. "Von 2,4 nach 4,2 Milliarden: Wie um Himmels Willen ist das möglich?", so die empörte Schlagzeile im Innenteil von Het Nieuwsblad.
Le Soir geht der Frage nach, "warum das föderale Budget abgeschmiert ist". Die maue Konjunktur und auch die vergleichsweise hohe Inflation haben demnach dazu geführt, dass der Haushalt offensichtlich vollends entgleist ist. Danach hebt das Blatt aber vor allem die Tatsache hervor, dass die Steuereinnahmen schon in diesem Jahr deutlich geringer ausfallen als erwartet.
Und da zeigen viele - auch innerhalb der Koalition - mit dem Finger auf den N-VA-Finanzminister Johan Van Overtveldt. De Standaard nennt ihn eine "Zielscheibe". "Van Overtveldt ist für Mehrheit wie Opposition der Sündenbock", notiert auch Het Nieuwsblad. Die Aussichten für die nächsten Jahre sind jedenfalls alles andere als rosig. "Wenn die Regierung wie versprochen bis 2018 eine Schwarze Null schreiben will, dann fehlen bis zu acht Milliarden Euro", sagt ein Experte des Planbüros in La Dernière Heure.
"Haushaltsloch: "Warnstufe 4"
Het Nieuwsblad ruft in seinem Leitartikel "Warnstufe 4" aus. Die Lage ist noch schlimmer als es selbst die pessimistischsten Schwarzseher noch vor einigen Monaten befürchtet hatten. Wollte diese Regierung nicht alles so viel besser machen, wie die angeblichen "Stümper" in der Vorgänger-Regierung? Erst recht angesichts der vollmundigen Versprechen dieser Koalition ist das neuerliche Haushaltsloch eine regelrechte Katastrophe. Schlimmer noch: Die Regierung hat sich in eine Zwickmühle manövriert: Eigentlich müsste man jetzt radikale Einschnitte vornehmen, doch würde man damit wohl den letzten Rest des Wachstums abwürgen. Die einzige Alternative ist wohl, von den ehren Haushaltszielen abzurücken. Das würde aber bedeuten, dass die Koalition künftig ein Stück weit bescheidener und demütiger daherkommen müsste.
Het Laatste Nieuws bemüht ein Bild, das dem Premier allzu bekannt sein müsste. Auf dem Zebrastreifen vor dem Amtssitz von Charles Michel führen bei jeder Rotphase der Verkehrsampel Jongleure Kunststückchen auf. Dafür bekommen sie dann von den Autofahrern ein paar Cent zugesteckt. Diese Regierung verdient nicht mal das. Es sind Jongleure, die mehr Teller zerdeppern als sie in der Luft halten können. Kein Mensch glaubt noch, dass Michel, Peeters, De Croo und Van Overtveldt in den nächsten zwei Wochen noch die Kurve kriegen. Entschuldigungen für das Desaster gibt es keine.
N-VA (-Finanzminister) unter Druck
Man sollte sich nochmal vor Augen führen, wie Johan Van Overtveldt - seinerzeit noch als Journalist - über die Vorgänger-Regierung hergezogen ist, erinnert sich De Morgen. Da gab's oft die volle Breitseite vom damaligen Chef-Redakteur des Wirtschaftsmagazins Trends; da schrieb Van Overtveldt mit spitzer Feder Worte wie "amateurhaft", "haushaltspolitische Dilettanten", "improvisiertes Stückwerk". Naja, im Nachhinein betrachtet muss man sagen, dass die Regierung Di Rupo für ihre Haushaltspläne zwar keinen Schönheitspreis verdiente, das ist aber kein Vergleich zu den heutigen Frickeleien, die unter der Verantwortung von demselben Johan Van Overtveldt abgehen. Und nicht vergessen, das dicke Ende kommt erst noch. Der Tax-Shift des Herrn Van Overtveldt ist ja auch nicht gegenfinanziert. Es fällt immer schwerer, dieses Theater noch ernst zu nehmen.
Der Haushalt wird zur Nagelprobe für die Schwedische Koalition, analysiert De Standaard in seinem Leitartikel. Interessant wird jetzt zu beobachten sein, wie sich die CD&V positioniert. Die Christdemokraten haben sich ja auch deswegen auf eine Koalition mit der N-VA eingelassen, um die Nationalisten zu entzaubern. Jetzt wäre also ein strategisch günstiger Zeitpunkt, um den Druck insbesondere auf den N-VA-Finanzminister Johan Van Overtveldt noch einmal spürbar zu erhöhen. Dies, zumal die N-VA wegen ihrer parteiinternen Querelen ohnehin angeschlagen ist.
Flämisch-nationale Waffelbude
Apropos: Die beiden N-VA-Desperados, die in dieser Woche die Partei verlassen haben, karten am Samstag in Interviews mit einigen Zeitungen nach. Hendrik Vuye und Veerle Wouters hatten ja den gemeinschaftspolitischen Kurs der N-VA kritisiert und sich deswegen mit Parteichef Bart De Wever überworfen. "De Wever denkt immer noch, er wäre ein Alleinherrscher", sagen beide im Gespräch mit De Standaard. Jetzt aber habe der N-VA-Chef die Kontrolle verloren, zitiert Het Nieuwsblad die beiden parteiinternen Quertreiber, die ja in gewisser Weise das Gesicht der flämischen Bewegung innerhalb der N-VA waren.
Gazet van Antwerpen und Het Nieuwsblad nehmen am Samstag besagte flämische Bewegung einmal unter die Lupe und stellen fest: "Die flämische Bewegung, die beschränkt sich eigentlich nur noch auf Waffelbuden". Het Nieuwsblad bringt eine besonders giftige Diagnose: "veraltet, leergesaugt, irrelevant".
Neuer Wettskandal im Fußball?
"Lufthansa will 100 Prozent der Anteile von Brussels Airlines kaufen", so die Aufmachergeschichte von Le Soir. Lufthansa ist ja schon Hauptaktionär von Brussels Airlines. Seit längerer Zeit schon gibt es Gerüchte, dass Lufthansa die belgische Fluggesellschaft komplett übernehmen will. Das soll jetzt laut Le Soir am 28. September passieren...
"Bei der ING-Bank steht eine tiefgreifende Umstrukturierung kurz bevor", schreibt L'Echo. Auch hier gibt es ja schon seit Wochen Gerüchte. Jetzt wurde anscheinend für den 3. Oktober eine außerordentliche Sitzung des Betriebsrates anberaumt - und das verheißt wohl nichts Gutes.
Schließlich prangt auf einigen Titelseiten das Bild von einem Fußballprofi, nämlich Olivier Deschacht, Urgestein des RSC Anderlecht. "Gerichtliche Untersuchung nach Wetten auf Anderlecht-Spiele", titelt Het Laatste Nieuws. "Deschacht ist im Fadenkreuz von Ermittlungen", schreibt La Dernière Heure. Deschacht soll an Sportwetten teilgenommen haben und dabei auf Spiele des RSC Anderlecht geboten haben, bei denen er also selbst dabei war. In La Dernière Heure verteidigt er sich aber wie folgt: "Nicht ich habe gewettet, sondern mein Bruder".
Roger Pint - Bild: Nicolas Maeterlinck/BELGA