"Gesucht: 4,2 Milliarden Euro und das bitte schnell", titelt Gazet van Antwerpen. "Das Haushaltsloch ist beinahe doppelt so groß", so die Schlagzeile von De Morgen. "Die Regierung sucht 4,2 Milliarden Euro und hat dafür gerade mal zwei Wochen Zeit", schreiben auch Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Auf den Tisch der Regierung sind Mitte der Woche besonders schlechte Neuigkeiten geflattert: Nach Berechnungen des so genannten Monitoring-Komitees muss die Koalition nicht, wie bislang gedacht, 2,4 Milliarden sondern 4,2 Milliarden Euro auftreiben, damit der Haushalt in der EU-Spur bleibt.
Haushalt wird zur Mission impossible
L'Écho spricht denn auch auf Seite eins von einem "neuen haushaltspolitischen Missgeschick" der Regierung Michel. Grund für die Entgleisung ist insbesondere das schwächere Haushaltswachstum; damit verbunden sind auch niedrigere Steuereinnahmen. Für einen Kurswechsel bleibt nicht viel Zeit. Eigentlich muss die Regierung am 11. Oktober im Parlament die Korrektur des laufenden Haushalts und auch das Budget 2017 vorstellen.
De Standaard ist da wenig optimistisch: "Der Haushalt wird zur Mission impossible", bemerkt das Blatt.
La Libre Belgique glaubt ihrerseits zu wissen, wo die Regierung unter anderem den Hebel ansetzen könnte: "Werden schon bald die wahren Einkünfte von Arbeitslosen überprüft?", fragt sich das Blatt auf Seite eins. Grob zusammengefasst: Es soll ermittelt werden, ob die Empfänger von Arbeitslosenunterstützung wirklich bedürftig sind, ob sie nicht etwa über Einkünfte aus Kapitalerträgen oder Mieteinkünften verfügen.
Nach Informationen von La Libre Belgique sieht sich die Koalition jedenfalls gezwungen, an Tabus zu rütteln.
Die Alternative ist, dass unsere Kinder die Zeche zahlen, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Genau das scheint aber vielerorts der Plan zu sein. Eine Reihe von EU-Staaten sucht händeringend nach allen möglichen Entschuldigungen und Ausreden, um das Erreichen des Haushaltsgleichgewichts hinauszuschieben. Dabei gibt es ein Gegenbeispiel:
Deutschland hat seine Staatsfinanzen in Ordnung gebracht, mit dem Resultat, dass die Wirtschaft brummt und die Arbeitslosenzahlen zurückgehen. Schulden haben dagegen noch nie Wachstum generiert. "Aber was solls", sagen sich immer noch zu viele, "dann bezahlen eben unsere Kinder".
Pünktlich zur heißen Phase der Haushaltsberatungen meldet sich auf Seite eins von Le Soir ein alter Bekannter zurück: "Man hat mich wohl ein bisschen zu früh beerdigt", sagt FGTB-Generalsekretär Marc Goblet. Nach einer gesundheitsbedingten Zwangspause übernimmt Goblet wieder die Zügel bei der sozialistischen Gewerkschaft.
Und er erhöht gleich wieder den Druck auf die Regierung Michel: "Sollte die Koalition jetzt wieder Sparmaßnahmen ergreifen, die die Arbeiter treffen, dann gibts noch vor Ende des Jahres einen Generalstreik", warnt Goblet im Gespräch mit Le Soir.
De Wever und die verlorene "Unfehlbarkeit"
Vor allem in Flandern beschäftigen sich die Zeitungen weiter mit dem Rummel an der Spitze der N-VA. Dies, nachdem mit Hendrik Vuye und Veerle Wouters, die zwei bekanntesten Gesichter des flämisch-nationalen Flügels die Partei verlassen haben. In einem offenen Brief hatte N-VA-Chef Bart De Wever die Verantwortung für das Kommunikationsdebakel übernommen.
Der große Kommunikator De Wever hat in den letzten Tagen eine bemerkenswerte Serie von strategischen Kommunikationsfehlern hingelegt, analysiert Het Nieuwsblad. Dass die Querelen um Vuye und Wouters ein solches Ausmaß angenommen haben, ist im Wesentlichen tatsächlich die Schuld des Parteichefs. Hier zeigt sich vor allem eins: De Wever brilliert nur, wenn er den Wind in den Segel hat. Krisenkommunikation beherrscht er dagegen nicht.
Man sollte jetzt aber nicht den Fehler machen und De Wever gleich beerdigen, warnt Het Laatste Nieuws. Klar: Nach rund zehn Jahren, in denen er fast wie ein Sonnenkönig da stand, erlebt er jetzt seine wohl schwierigste Phase. Man sollte nicht so naiv sein und das größte politische Talent seiner Generation unterschätzen. Die Wahl 2019 ist noch weit. Zumindest eine Feststellung bleibt aber: Die Aura der Unfehlbarkeit hat De Wever verloren.
"N-VA missbraucht Belgien"
Le Soir hat sich den Offenen Brief des N-VA-Chefs mal genauer angeschaut. Darin erklärte De Wever unter anderem auch mit entwaffnender Offenheit seine bisherige Strategie, nach dem Motto: Man muss die Frankophonen nur so lange schikanieren, bis sie selbst eine Staatsreform wollen.
Die N-VA missbraucht ihre Macht und benutzt den Föderalstaat als Instrument, wettert Le Soir in seinem Kommentar. Selten wohl hat eine Koalitionspartei so offen zugegeben, dass sie in der Föderalregierung allein ihre eigene Sprachgruppe bedient. Da darf man sich fragen, inwieweit die MR als einzige frankophone Regierungspartei hier überhaupt ein Gegengewicht darstellt.
Marghem: "Der Maß ist fast voll"
Vor allem die frankophonen Zeitungen beschäftigen sich ihrerseits mit dem Schicksal der föderalen Energieministerin Marie-Christine Marghem (MR). Sie steht einmal mehr im Verdacht, das Parlament belogen zu haben. Im Zusammenhang mit der so genannten Atomabgabe für den Reaktor Tihange 1 soll sie Informationen unterschlagen haben.
"Es werde Licht", fordert L'Avenir in seinem Leitartikel. Spätestens diese Episode zeigt, dass wir endlich maximale Transparenz brauchen in den Beziehungen zwischen dem Staat und den Energiekonzernen.
Für L'Écho ist Marie-Christine Marghem jetzt definitiv angezählt. Die MR-Politikerin hat seit ihrem Amtsantritt eigentlich geglänzt durch Fehler, Ungenauigkeiten und Arroganz dem Parlament gegenüber. Das Maß ist fast voll. Entweder, die Ministerin liefert jetzt endlich gute Arbeit ab, oder die Geschichte endet schlecht. Und das nicht nur für sie, sondern auch für die energiepolitische Zukunft des ganzen Landes.
rop - Bild: Jonas Hamers (belga)