"Die Dissidenten werden rausgesetzt", titelt De Standaard. "Bart De Wever räumt bei den Hardlinern auf", so die Schlagzeile von L'Echo. "De Wever verpasst allen N-VA-Mitgliedern einen Maulkorb", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Ganz klar Thema Nummer eins sind am Dienstag die Spannungen innerhalb der N-VA. Begonnen hatte alles mit einem Interview, das die Zeitung L'Echo in der vergangenen Woche veröffentlicht hatte. Darin übten Hendrik Vuye und Veerle Wouters scharfe Kritik an Parteichef Bart De Wever. Vuye und Wouters waren von der Parteispitze mit einem Sonderauftrag befasst; sie sollten, mit Blick auf die Wahl 2019, eine neue Staatsreform vorbereiten. Vor einigen Tagen erklärte aber Bart De Wever, dass 2019 auch eine Regierungsbildung ohne Staatsreform denkbar wäre. Nachdem Vuye und Wouters ihrem Ärger über diese Aussage Luft gemacht hatten, wurden sie am Montag aus dem Parteivorstand geworfen und zugleich von ihrem Sonderauftrag entbunden. "Beiseitegeschoben, weil sie öffentlich zu kritisch waren", so resümiert es Het Belang van Limburg.
Vuye und Wouters stehen aber nicht alleine da: "Die flämisch-nationale Basis ist wütend auf De Wever", titeln Gazet van Antwerpen und Het Laatste Nieuws. De Morgen veröffentlicht einen offenen Brief von bekannten Vertretern der Flämischen Bewegung; unterzeichnet wurde der unter anderem vom Vorsitzenden der Vlaamse Volksbeweging und dem Chefredakteur des flämisch-nationalen Nachrichtenportals Doorbraak. De Morgen fasst zusammen: "Flämischer Widerstand gegen die N-VA". Gazet van Antwerpen formuliert es anders: "Der flämische Löwe brüllt die N-VA an".
Ausnahmezustand bei der N-VA
Bei der N-VA herrscht offensichtlich Ausnahmezustand, frotzelt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Das ist wohl auch eine Anspielung auf die N-VA-Forderung nach Notstandsgesetzen. Für das Image der Partei ist die ganze Geschichte jedenfalls desaströs. Es entsteht das Bild einer Partei, deren Vorsitzender einen komplizierten Plan im Kopf hat - und das Parteivolk hat brav zu warten, bis man ihm diesen Plan dann erklärt. Und wer ein allzu kritisches Interview gibt, der wird kurzerhand abgesägt. Die größte Partei Flanderns wird plötzlich sehr klein, wenn sie nur noch Abnicker toleriert.
Het Laatste Nieuws schlägt in dieselbe Kerbe. Die Affäre um Vuye und Wouters entfesselt gefährliche Kräfte, meint das Blatt. Das erinnert an die Selbstzerfleischung der liberalen VLD vor einigen Jahren. Die Liberalen demontierten sich derartig gegenseitig, dass die Partei ihre Vormachtstellung einbüßte. Denn es gilt die Maxime: Eine Kneipe, in der es regelmäßig Schlägereien gibt, zieht keine Gäste an.
Het Belang van Limburg bescheinigt der N-VA Verschleißerscheinungen. Zu Beginn galt allein das Wort des allmächtigen Vorsitzenden Bart De Wever. Inzwischen haben aber viele Mandatsträger ausreichend Selbstbewusstsein entwickelt und sind davon überzeugt, dass sie ihr Amt auch mit eigener Kraft erlangen können. Und die anstehenden Wahlen 2018 beziehungsweise 2019 sorgen für zusätzliche Profilneurosen.
Andere Zeitungen dagegen attestieren dem N-VA-Chef Weitblick. Hendrik Vuye und Veerle Wouters haben sich spektakulär überschätzt, meint etwa Gazet van Antwerpen. Sie haben allen Ernstes geglaubt, dass jetzt überall im Land flämische Nationalisten aufstehen, um der N-VA die Rechnung zu präsentieren. Dabei ist es wohl eher so, dass nur ganz wenige nachts wach werden und an eine weitere Staatsreform denken. Diese Gruppe von Hardlinern ist sehr klein und wurde von De Wever jetzt entsprechend behandelt.
Hannibal De Wever schwört nicht ab, ist aber pragmatisch
De Wever weiß im Grunde, dass er die nächste große, weltbewegende Staatsreform zumindest in seiner aktiven Laufbahn nicht mehr erleben wird, glaubt De Morgen. Natürlich schwört er nicht ab, träumt er weiter von der flämischen Unabhängigkeit. Ihm ist nur bewusst, dass er eben für diesen Traum nicht genügend Verbündete hat. Die Strategie sieht jetzt also so aus: Die N-VA formuliert gemeinschaftspolitische Forderungen, die dann aber erst "beim nächsten Mal" realisiert werden sollen.
La Libre Belgique macht eine ähnliche Analyse. Genetisch hat sich die N-VA nicht verändert. Allerdings ist der Pragmatismus eingekehrt. Für De Wever ist es wichtiger, dass Belgien und damit auch Flandern eine rechtsgerichtete Regierung hat. Deswegen strebt er auch eine Neuauflage der derzeitigen Koalition an. Es ist die richtige Entscheidung, meint La Libre: Er zieht die wirtschaftliche Erholung einem neuen institutionellen Abenteuer vor.
Das allerdings ist nicht ohne Risiko, meint De Standaard. Mit jedem Tag wird der rechtsextreme Vlaams Belang wieder stärker. De Wever steht da wie einst der Feldherr Hannibal: Nachdem er die Alpen überquert hatte, schlug er zwar die römischen Truppen, konnte die ewige Stadt selbst aber nie erobern. Am Ende musste er wegen innenpolitischer Sorgen unverrichteter Dinge den Heimweg antreten.
Wesphael in Tränen und eine Katze auf großer Reise
Ebenfalls auf vielen Titelseiten sieht man Bernard Wesphael. Wesphael hat am Montag vor Gericht seine Aussage gemacht. "Erst suchte ich noch nach Hilfe, danach hab' ich nur noch gebetet", zitiert etwa Het Nieuwsblad aus den Aussagen des ehemaligen wallonischen Abgeordneten. "Für Wesphael ist seine Frau wegen eines Cocktails aus Alkohol und Medikamenten gestorben", hält La Libre Belgique fest.
Am Ende sind Bernard Wesphael sogar die Gefühle durchgegangen; "Wesphael in Tränen", schreibt Le Soir und zitiert seine Worte: "Sie kommt nie wieder zurück..."
Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen bringen schließlich noch eine fast unglaubliche Geschichte. "Katze überlebt eine Reise von 6.500 Kilometern in einem Container", so die Schlagzeile. Die Odyssee begann vor vier Wochen in Baltimore an der amerikanischen Ostküste und endete am Freitag in einem Transportunternehmen in Deurne bei Antwerpen. Fast wäre das Tier noch von einem Gabelstapler zerquetscht worden. Der Fahrer hat die Katze inzwischen adoptiert.
Roger Pint - Bild: Dirk Waem/BELGA