"Beispielloser Rassismus im Parlament", titelt Het Belang van Limburg. "Rassistisches Gerede in der Kammer", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. "Das Parlament und die OpenVLD sind auch nicht immun gegen Rassismus", stellt De Standaard auf seiner Titelseite fest.
Am Donnerstag, bei der ersten Kammersitzung nach der Sommerpause, kam es zu einem hässlichen Vorfall. Die marokkanischstämmige SP.A.-Abgeordnete Meryame Kitir hatte gerade harsche Kritik an der Politik der Regierung geübt und ging zurück an ihren Platz, als ihr der OpenVLD-Parlamentarier Luk Van Biesen einen Satz zuraunte: "Dann geh doch einfach zurück nach Marokko", soll er gesagt haben.
Le Soir spricht denn auch auf Seite eins von dem "Satz, der die Kammer in Brand steckt". Van Biesen selbst behauptet, den Satz nie so ausgesprochen zu haben. Vielmehr habe er erklärt, dass, wenn die Arbeiter von Caterpillar wirklich so gut seien, diese wohl überall einen neuen Job finden würden, selbst in Marokko.
"Gleich, was er nun gesagt hat, beide Sätze sind dämlich", wettert aber Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Und De Morgen stellt sich nur die Frage: "Was passiert jetzt mit Luk Van Biesen?" De Standaard wird direkter: "Van Biesen überlebt, vorläufig..."
Katastrophe und Alarmsignal
"Dann geh doch zurück nach Marokko", ob dieser Satz nun ausgesprochen wurde oder nicht, das Unheil ist angerichtet, glaubt Le Soir in seinem Leitartikel. Und das ausgerechnet jetzt, wo man doch beobachtet, dass sich Rassismus überall banalisiert. Eigentlich erwarten wir von unseren Politikern, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen und das Niveau der Debatte heben. Das solch ein Satz ausgerechnet im Parlament fällt, ist denn auch eine Katastrophe.
Und selbst wenn Van Biesens Version stimmt, dann macht das die Sache keinen Deut besser, findet Het Nieuwsblad. Oder wie wäre der Satz dann zu verstehen? Sollten also alle ausländischstämmigen Caterpillar-Arbeiter sich nun in ihrer Heimat nach einem Job umsehen? In jedem Fall ist die Tatsache, dass Rassismus jetzt Einzug ins Parlament gehalten hat, ein deutliches Alarmsignal. Politik und Gesellschaft müssen jetzt klar zeigen, wo die Grenzen liegen.
Het Laatste Nieuws schlägt in dieselbe Kerbe. Schon jetzt muss man feststellen, dass viele Politiker, wohl unter dem Eindruck der Meinungsumfragen, immer leiser gegen Rassismus anreden. Mit Plädoyers für eine multikulturelle Gesellschaft hält man sich im Moment offensichtlich lieber zurück. Gerade die Partei von Luk Van Biesen ist es ihrer liberalen Ehre schuldig, diesen Trend umzukehren.
Eine von uns
De Morgen spricht von einer "unerträglichen Schande". Hier hat sich auf erschreckende Weise gezeigt, wie weit verbreitet dieser "Alltagsrassismus" inzwischen ist. Insofern ist das Ganze mehr als nur eine Anekdote. Und die ganze Nation, inklusive der ausländischstämmigen Bürger, konnte jetzt zuschauen, wie die ehrenwerten Volksvertreter mit Rassismus umgehen. Präsentiert bekamen wir nämlich eine unwürdige Diskussion über die Frage, wie der Satz denn nun im Einzelnen formuliert war, gekrönt von einer halbherzigen Entschuldigung. Die Botschaft: Mitbürger zu beleidigen wegen ihrer Herkunft, das ist vollkommen okay.
"Meryame Kitir ist eine von uns", meint auch Het Belang van Limburg in einem emotionalen Kommentar. Dies erst recht, weil die Abgeordnete aus Limburg stammt. Sie ist geboren und aufgewachsen in Maasmechelen. Sie ist eine Flämin, was im Übrigen für die gesamte marokkanische und auch türkische Gemeinschaft in Limburg gilt. Hier gibt es keinen Unterschied zwischen "uns" und "denen": Sie ist eine von uns.
"Flops, Flops, Flops" statt "Jobs, Jobs, Jobs"
Auf der Titelseite von L'Echo steht eine Zahl: 8.742. In den ersten neun Monaten des Jahres ist der Abbau von 8.742 Jobs im Land angekündigt worden. Andere Zeitungen ziehen lediglich die Bilanz des Monats September: Caterpillar, AXA, P&V - seit Beginn des Monats sind schon 4.140 Stellen gestrichen worden. Am Donnerstag war ein besonders schwarzer Tag: 544 Arbeitsplätze sprangen über die Klinge, 274 allein beim Kaffeehersteller Douwe Egberts.
"Der Kaffee schmeckt heute besonders bitter", beklagt denn auch Het Laatste Nieuws. Und das ist wohl noch nicht das Ende der Fahnenstange: "Bei der ING-Bank sind möglicherweise 1.000 Arbeitsplätze bedroht", so die düstere Schlagzeile von Het Nieuwsblad. "Von wegen Jobs, Jobs, Jobs", wettert der CSC-Vorsitzende Marc Leemans in Gazet van Antwerpen und Het Nieuwsblad. "Was wir jetzt sehen, das sind wohl eher: Flops, Flops, Flops", so Leemans.
La Libre Belgique spricht in ihrem Leitartikel denn auch von einem "mörderischen September". Offensichtlich haben der Tax-Shift und die damit verbundenen Lastensenkungen nicht gereicht. Die Regierung wird mit ihrer eigenen Ohnmacht konfrontiert. Jetzt ist wohl der Zeitpunkt gekommen, wo sich alle Regierungen des Landes und auch Vertreter der Privatwirtschaft zusammensetzen müssen, um gemeinsam nach Lösungen für die Zukunft zu suchen.
Das Mantra "Jobs, Jobs, Jobs" ständig zu wiederholen, wird jedenfalls nicht reichen, glaubt auch Gazet van Antwerpen. Im Moment rieseln der Regierung die Jobs wie Sand durch die Finger. Hier bedarf es einer schnellen und entschlossenen Reaktion.
Allerdings: Die Ursachen für diesen "schwarzen September" sind vielschichtig, wie L'Echo analysiert. Entsprechend schwierig ist es, auf die Entlassungswelle mit konkreten Maßnahmen zu reagieren. Wir sollten uns dadurch aber nicht herunterziehen lassen, mahnt das Blatt. Vielmehr sollten wir optimistisch und ehrgeizig in die Zukunft blicken. Denn Reformen allein reichen nicht. Was wir brauchen, sind auch Ambition und Vision.
Roger Pint - Bild: Dirk Waem/BELGA