"Europa droht, zum Gespött der Welt zu werden", warnt EU-Kommissionspräsident Juncker in L'Echo. "Juncker will das Herz der Europäer zurückerobern", titelt De Standaard. Für De Morgen steht Europa vor dem "Jahr der Wahrheit".
Vor dem Europäischen Parlament hat Jean-Claude Juncker am Mittwoch in seiner Rede zur Lage der Union mehr Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten gefordert. Le Soir pflichtet dem bei: Die europäische Grundidee muss wieder in den Mittelpunkt gerückt werden.
Ratspräsident Donald Tusk dagegen möchte, dass die einzelnen Länder wieder mehr Macht bekommen. Das hält die Zeitung aber für kontraproduktiv, denn die derzeitige Krise der Union hat ihre Ursache genau in der Unfähigkeit der Mitgliedsstaaten, am gleichen Strang zu ziehen.
Nicht nur den Kurs halten, auch wissen, wo die Reise hingeht
La Libre Belgique hält fest: Die existentielle Krise der EU hat sich in den vergangenen Monaten weiter verschärft. Die Briten wollen die Union verlassen, der Konjunkturmotor springt nicht an, die Arbeitslosigkeit bleibt in vielen Regionen hoch, die Führungslosigkeit ist mehr als offensichtlich und dazu wird die Flüchtlingskrise nach wie vor mehr schlecht als recht angepackt. Das alles stärkt Nationalisten, EU-Skeptiker und Populisten - und zwar europaweit. In Polen und Ungarn sitzen sie sogar schon mit in der Regierung, warnt das Blatt.
L'Echo hält die düstere Bestandsaufnahme Junckers zwar für zutreffend, dennoch hätte sich die Zeitung mehr Vision und Ehrgeiz vom Kommissionspräsidenten gewünscht. In schwierigen Zeiten muss der Kapitän nicht nur den Kurs halten, sondern auch wissen, wo die Reise hingeht.
Konföderalismus: Raus aus dem Kühlschrank, rein ins Eisfach
"Die erneute Kehrtwende von Bart De Wever", titelt De Morgen. Im Interview mit L'Echo hat der Parteichef der flämischen Nationalisten am Mittwoch einen auf den ersten Blick unschuldigen Satz fallen lassen: "Wenn der Wähler es will, machen wir 2019 ohne die PS weiter." Will heißen: De Wever liebäugelt mit einer Neuauflage der Regierung Michel nach der nächsten Wahl. Eine weitere Staatsreform wäre damit erneut auf Eis gelegt.
Het Laatste Nieuws glaubt, dass bei der MR bereits die Sektkorken knallen: Die N-VA scheint ihre konföderalen Pläne aus dem Kühlschrank in die Tiefkühltruhe gesteckt zu haben. Eine echte Überraschung ist das nicht, meint Het Nieuwsblad. Seit Monaten, insbesondere nach den Anschlägen von Brüssel, beschäftigt sich die Nationalisten-Partei nur noch mit Sicherheitsfragen und der Begrenzung des Flüchtlingsstroms. Ihre gemeinschaftspolitische Agenda scheint sie darüber vergessen zu haben. Den flämischen Hardlinern dürfte der Angstschweiß auf der Stirn stehen, weil ihr Traum von der Unabhängigkeit in noch weitere Ferne gerückt zu sein scheint.
De Morgen bemerkt: Emotional betrachtet wird De Wevers erneute Kehrtwende parteiintern noch hohe Wellen schlagen. Vom rationalen Standpunkt aus gesehen ist sein Richtungswechsel aber nachvollziehbar. Für den Konföderalismus à la N-VA braucht die Partei eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Und De Wever ist Realpolitiker genug, um zu wissen, dass er die auch 2019 nicht haben wird.
Die Zeitung ist überzeugt, dass die N-VA in den kommenden Monaten eine Nebelkerze nach der anderen zünden wird, damit bloß nicht der Eindruck entsteht, dass sie die Ideale der Flämischen Bewegung verrät. Die Entscheidung, weiter auf soziale und wirtschaftliche Reformen zu setzen, ist in De Wevers Kopf aber bereits gefallen.
De Standaard fügt hinzu: Statt auf ihre eigenen, tiefen Überzeugungen zu setzen, stimmt die N-VA ihre Agenda mehr und mehr auf die Sorgen und Nöte der Bürger ab - und die interessieren sich nicht die Bohne für Staatsreformen. Was für sie zählt, sind Sicherheit und Wohlstand.
Von Ausbrecherkönigen und echten Prinzen
Ganz andere Geschichte in Gazet van Antwerpen: Ausbrecherkönig Ashraf Sekkaki macht wieder von sich reden. Von einer Zelle in einem marokkanischen Hochsicherheitsgefängnis aus hat er seine beiden Brüder gesteuert, die in Belgien mit Waffen und Drogen handelten. Sekkaki soll trotz angeblich strenger Sicherheitsmaßregeln in der Haftanstalt über fünf Handys verfügt haben, möglicherweise durch die Bestechung von Wärtern. Das wurde im Zuge der Aushebung der Bande bekannt. Sekkaki ist hierzulande vor allem deshalb ein Begriff, weil er 2009 auf spektakuläre Weise aus dem Gefängnis von Brügge geflohen war - und zwar filmreif mit einem Hubschrauber.
La Dernière Heure bringt ein Interview mit Prinz Laurent. Dessen Stiftung hat im vergangenen Jahr mehr als 10.000 Haustiere von sozial Bedürftigen behandelt. Die Einrichtung kümmert sich außerdem um Obdachlose. "Ich bin glücklich, Gutes zu tun", erklärt der Prinz. Und weiter: "Wenn jeder das täte, wäre die Welt ein besserer Ort."
Alain Kniebs - Bild: Frederick Florin/AFP