"Wieder einmal trifft es Italien", titelt La Libre Belgique. "Italien wurde ins Herz getroffen", schreibt L'Avenir auf Seite eins. Ausnahmslos alle Zeitungen beschäftigen sich heute auf ihren Titelseiten mit dem schrecklichen Erdbeben, das gestern Morgen Mittelitalien getroffen hat.
"Um 3:36 Uhr blieb die Uhr stehen", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Gemeint ist die Kirchturmuhr im Ort Amatrice. Und tatsächlich sieht man auf Fotos, dass die Uhr immer noch den Zeitpunkt des Bebens anzeigt. Besagter Kirchturm gehört zu den wenigen Gebäuden in dem Dorf, die noch stehen.
"Innerhalb von einer Sekunde ist alles eingestürzt", schreibt Le Soir auf Seite eins. Die Titelseite von De Standaard besteht eigentlich nur aus einem Foto, einem Luftbild eben von dem Dorf Amatrice, das das Ausmaß der Zerstörung zeigt.
"Non c'é più", sagt aber auch der Bürgermeister des Dorfes Pescara del Tronto auf Seite eins von De Morgen. "Non c'é più", mein Dorf existiert nicht mehr. Die schreckliche Bilanz: "Mindestens 120 Tote", schreibt Het Belang van Limburg in Blockbuchstaben auf Seite eins. Andere Zeitungen nennen schon die Zahl 159.
Jetzt läuft ein Wettlauf gegen die Zeit: "Mit Mann und Macht auf der Suche nach Überlebenden", titelt Gazet van Antwerpen. "Wir hören immer noch Stimmen", sagen Helfer auf Seite eins von Het Laatste Nieuws. Zu sehen sind Fotos von Menschen, die lebend aus den Trümmern geborgen werden konnten. "Trotz aller Anstrengungen wird sich die Zahl der Opfer aber wohl leider noch erhöhen", glaubt die Zeitung.
Haben Sie noch den Überblick in Syrien?
Neben dem schweren Erdbeben in Mittelitalien hat es auch noch ein weiteres Auslandsthema auf die Titelseiten geschafft. "Die Türkei geht in Syrien in die Offensive", so etwa die Schlagzeile von Le Soir. "Die türkische Armee schlägt IS in Syrien zurück", schreibt auch L'Echo. Die Türkei hat ja gestern Panzer und Elitesoldaten über die Grenze nach Syrien beordert. Erstes Ziel ist die Befreiung der Grenzstadt Dscharablus aus der Hand der Terrororganisation IS. "Wir wollen nicht mehr gegen Mücken kämpfen, sondern den Sumpf trockenlegen", sagt der türkische Außenminister auf Seite eins von De Morgen.
Präsident Erdogan versucht hier, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Denn machen wir uns nichts weis: Bei der Mission "Schutzschild Euphrat" geht es nicht nur um die Bekämpfung von IS, er will bei der Gelegenheit auch die kurdischen Träume von einem eigenen Staat deckeln. Die türkische Intervention macht das syrische Chaos aber nur noch komplizierter. Besagte Kurden galten bislang als de facto Verbündete der Amerikaner, die nun ihrerseits den Türken militärische Hilfestellung geben. Immerhin: Das doppelte Spiel, das Ankara bislang mit IS spielte, das ist jetzt vorbei.
Das Wort "Sumpf", das der türkische Außenminister in den Mund genommen hat, fasst die Situation eigentlich treffend zusammen, meint auch L'Avenir. Im syrischen Konflikt blickt wirklich niemand mehr durch. Und die flatterhafte Haltung Ankaras insbesondere den USA gegenüber macht die Situation nicht lesbarer.
Oder haben Sie noch den Überblick?, wendet sich Het Belang van Limburg an seine Leser. Die USA helfen der Türkei bei der Operation "Schutzschild Euphrat", die sich unter anderem gegen die Kurden richtet, die ebenfalls durch die Amerikaner unterstützt werden. Das wirft auch Fragen auf mit Blick auf die Zukunft. Jeder weiß: Wenn die nordirakische Stadt Mossul aus den Klauen des IS befreit werden soll, dann geht das nur mit Hilfe der Kurden.
Wo ist Europa?, fragt sich derweil anklagend De Morgen. Die EU scheint mehr denn je kurzsichtig zu sein und verpasst gerade wieder einmal ihr Rendezvous mit der Geschichte. Spätestens jetzt, wo quasi alle Beteiligten eine Verzweiflungsoffensive beginnen, sollten die Europäer einen neuen Versuch starten, um eine diplomatische Lösung zu finden. Wie 1995 in Bosnien müssen schnellstens Demarkationslinien in Syrien gezogen, die Kriegsparteien durch Blauhelme voneinander getrennt werden. Und das nicht im Namen Gottes oder der Geopolitik, sondern im Interesse der Zivilisten und insbesondere der Kinder, die unter dem Konflikt zu leiden haben.
Genau deren Schicksal scheint aber niemanden zu interessieren, meint De Standaard. Europa kann in dem Konflikt eigentlich nichts ausrichten. Allerdings sollte man jetzt erst recht seine Beziehungen mit der Türkei noch einmal überdenken. Mit dem Flüchtlingsdeal hat man sich mit Händen und Füßen an Ankara gebunden. Und das erweist sich mit jedem Tag mehr als "gefährliche Liebschaft".
Körperschaftssteuer: Vorsicht vor Augenwischerei
Einige Zeitungen beschäftigen sich auch heute noch mit dem Vorschlag von Finanzminister Johan Van Overtveldt über eine Reform der Körperschaftssteuer. Die soll nach dem Willen des N-VA-Politikers von 33 auf 20 Prozent gesenkt werden. Zwecks Gegenfinanzierung würde dann die Quellensteuer auf Dividenden erhöht.
Vorsicht vor Augenwischerei!, warnt hier aber La Libre Belgique. Wer Dividenden besteuert, der trifft im Falle kleiner und mittlerer Betriebe häufig den Unternehmer selbst. Hier würde der Staat buchstäblich mit einer Hand geben und sich das Geld gleich wieder mit der anderen zurückholen.
Prinzipiell wäre eine Reform der Körperschaftssteuer aber zu begrüßen, glaubt L'Echo. Es wäre aber falsch, einmal mehr die Aktionäre zur Kasse zu bitten. Dieses Land braucht doch gerade Risikokapital und unternehmerische Initiative.
Die Regierung sollte hier jedenfalls ihre Hausaufgaben machen, fordert Gazet van Antwerpen. Eine Reform, die sich am Ende als unbezahlbar erweist, die vielleicht sogar neue Haushaltslöcher reißt, dafür haben die Bürger kein Verständnis mehr.
Wasser auf die Mühlen der Dschihadisten
Einige Leitartikler schließlich kommentieren wieder das Burkini-Verbot in Frankreich. In Nizza haben gestern Polizisten eine Muslima dazu gezwungen, ihren Burkini auszuziehen. Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad sind sich einig: Ein solches Vorgehen ist kontraproduktiv, sorgt allenfalls für Fremdschämen bei uns und ist zugleich Wasser auf die Mühlen der Dschihadisten, die das problemlos als Beweis dafür verkaufen können, dass sich der Westen wirklich im Krieg gegen den Islam wähnt.
Roger Pint - Bild: Filippo Monteforte/AFP