Die Olympischen Spiele in Rio neigen sich dem Ende entgegen und viele Zeitungen ziehen heute schon eine erste Bilanz. Die Wirtschaftszeitung L'Écho meint in ihrem Leitartikel: Für Belgien waren das gelungene Spiele, eine der erfolgreichsten Olympiaden. Unsere Athleten haben uns begeistert, wir verneigen uns vor ihrem Auftritt. Sie haben eine wahre Mannschaft geformt, ohne Ausnahme. Wie toll war es zu hören, wenn unsere Nationalhymne wie von den Hockeyherren und –damen gleichzeitig in zwei Sprachen gesungen wurde.
Doch wie geht es jetzt weiter? Es steht zu befürchten, dass Belgiens Sport wieder in der Mittelmäßigkeit versinkt. Die Nationallotterie hat ihre finanziellen Zuwendungen an das Olympische Komitee gesenkt. Da darf man dann keine Wunder erwarten. Großbritannien hat es anders gemacht. Hier gab es eine nationale Strategie zur Förderung des Sports. Und das zahlt sich aus. Bei den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 rangierte Großbritannien im Medaillenspiegel auf Platz 36, noch hinter Belgien. Jetzt in Rio streitet sich Großbritannien zusammen mit China um Platz 2. Belgien sollte sich von Großbritannien inspirieren lassen, um auch in Zukunft goldene Momente bei Olympia zu erleben, empfiehlt L'Écho.
Hockeyherren Vorbild für Regierung
Het Laatste Nieuws kommt auf den zweiten Platz der Hockeyherren zurück: Auch unsere Politiker haben sich über diesen Erfolg gefreut. In diesem Zusammenhang waren die Glückwünsche von Vizepremier Alexander De Croo bemerkenswert. Seine Wünsche lesen sich nämlich wie eine Aufforderung an die Regierung, es den Hockeyherren gleich zu tun. De Croo schrieb: Diese Mannschaft hat alles gezeigt, Selbstvertrauen in die eigene Stärke, Schwung, Teamgeist. Ein Vorbild. Zitat Ende. Der Wink mit dem Zaunpfahl ist nicht zu übersehen. Was De Croo hiermit sagen will: Die Red Lions haben all das gezeigt, was der Regierung Michel all zu oft fehlt. Jetzt gilt es, alles so zu machen wie die Hockeyherren, interpretiert Het Laatste Nieuws.
Einige Zeitungen beschäftigen sich erneut mit dem Burkini, dem Ganzkörperbadeanzug für muslimische Frauen. La Libre Belgique hat dazu mit der Präsidentin des Senats, der MR-Politikerin Christine Defraigne gesprochen. Kernaussage der Politikerin: "Der Burkini ist die Ablehnung der Freiheit von Frauen", so auch die Schlagzeile auf Seite eins bei La Libre Belgique.
Der Burkini – eine "Öffnung gegenüber dem Westen"
Das GrenzEcho sieht das etwas anders. In seinem Kommentar heißt es: Auch wenn der Burkini die Unterdrückung von Frauen dokumentiert, ist er gleichzeitig ein Symbol für die Öffnung gegenüber dem Westen. Vor 12 Jahren erfand die Muslima Aheda Zanetti in Australien den Ganzkörperschwimmanzug und revolutionierte damit das Badeerlebnis für die muslimische Frau. Anders als die Burka verhüllt der Burkini nicht den ganzen Körper – das Gesicht bleibt frei. Deshalb müssen wir uns fragen, was wir eigentlich wollen. Die Freiheit, das jeder das anziehen darf, was er möchte, darf nicht zu einem Zwang führen, nur anziehen zu dürfen, was wir als richtig erachten, findet das GrenzEcho.
De Morgen schreibt: Viel wichtiger als das Burkini-Verbot sollte zurzeit die Frage sein, wie wir auf die Ereignisse in der Türkei reagieren. Dort findet eine wahre Hexenjagd statt, auf Menschen, die anders denken als Staatsoberhaupt Erdogan. Sogar Verbrecher werden jetzt aus den Gefängnissen entlassen, damit genug Platz ist für Oppositionelle, Journalisten und Karikaturisten. Das Alles schwappt jetzt auch zu uns nach Belgien rüber. Es finden Einschüchterungsversuche innerhalb der türkischen Gemeinde in Belgien statt. Einschüchterungsversuche von Anhängern Erdogans gegen Nicht-Erdogan-Anhänger. Das geht so nicht. Hier sollten unsere Politiker mal den Mund aufmachen, fordert De Morgen.
Viele unterschiedliche Interessen bei Steuerreform
Le Soir kommt auf die Ankündigung der Föderalregierung zurück, die Unternehmenssteuer reformieren zu wollen und schreibt: Die Regierung macht das ungern. In der Regierungserklärung hatte diese Reform keine Priorität. Jetzt nimmt sie die Reform doch in Angriff, auch aufgrund des Drucks von OECD und Europa. Schnell werden sich dabei alle einig sein, dass der Steuersatz von knapp 34 Prozent deutlich gesenkt werden soll und die großzügigen Steuerprivilegien für ausländische und multinationale Unternehmen beseitigt werden müssen. Das Problem dabei wird sein, dass das Geld, das dem Staat durch niedrigere Unternehmenssteuer entgeht, irgendwo anders wieder herkommen muss. Und hier wird das wahre Problem der anstehenden Diskussion liegen. Zu viele unterschiedliche und gegensätzliche Interessen werden da aufeinander prallen. Und keiner wird bereit sein, den Preis für eine Reform zu zahlen, die unbedingt notwendig ist, glaubt Le Soir.
La Dernière Heure kommentiert zur Euthanasiepraxis in Belgien: Die Ankündigung unserer belgischen behinderten Leichtathletin Marieke Vervoort, Spezialistin im Rollstuhlsprint, sich nach den Paraolympischen Spielen in Rio euthanasieren zu lassen, ist im Ausland eingeschlagen wie eine Bombe. Die Vorstellung, dass man bei uns auch Behinderten, die unter unmenschlichen Schmerzen leiden, die Möglichkeit gibt, würdevoll aus dem Leben zu scheiden, ruft im Ausland laute Kritik hervor. Dort zieht man es vor, die Augen vor dem Leid solcher Menschen zu schließen, die sich dann vor einem Zug schmeißen oder von einem Balkon springen. In solchen Momenten kann man sich glücklich schätzen, in einem Land "aux idées larges", also mit liberalem Gedankengut, zu leben, so La Dernière Heure.
KW - Bild: Dirk Waem/BELGA