"Roberto Martínez ist der neue Fußballnationaltrainer", so die nüchterne Schlagzeile auf vielen Titelseiten. Einige Blätter werden ein bisschen genauer: "Roberto Martínez muss mit den Roten Teufeln jetzt Titel gewinnen!", fordert De Standaard.
Das Foto des Spaniers prangt jedenfalls auf fast allen Zeitungen. Bislang war der 43-Jährige vor allem in England aktiv, zuletzt trainierte er den Premier League-Club FC Everton. "Der neue Coach der Roten Teufel ist in jedem Fall ein Taktiker", betont Het Laatste Nieuws. Het Nieuwsblad wird deutlicher: "Roberto Martínez soll das schaffen, was Marc Wilmots nicht konnte".
Online-Rassisten: Von Scham keine Spur
In Flandern tobt derweil weiter die Rassismusdebatte, die nach dem Tod des 15-jährigen Ramzi aus Genk entbrannt war. Die Presse hatte ihn als jungen "Belgier" beziehungsweise "Flamen" bezeichnet. Wegen seiner marokkanischen Wurzeln gab es daraufhin eine Welle von wütenden Kommentaren im Internet, unter anderem von der "Flämischen Verteidigungsliga", einer Facebook-Gruppe mit 23.000 Mitgliedern, die für ihre rassistischen Inhalte bekannt ist. Gegen die "Flämische Verteidigungsliga" läuft bereits seit über einem Jahr eine Klage, die das Zentrum für Chancengleichheit (Unia) eingereicht hatte. Weil die bislang ohne Folgen geblieben ist, beklagt Le Soir eine "faktische Straffreiheit für Rassisten im Internet".
Seit gestern "hagelt es aber Anzeigen wegen Online-Rassismus", wie Gazet van Antwerpen auf Seite eins hervorhebt. 80 Personen haben Strafanzeige, insbesondere gegen die "Flämische Verteidigungsliga", erstattet. "Und die Genker Politik will ebenfalls noch klagen", wie Het Belang van Limburg berichtet. Man wolle den Schritt nur noch mit den Angehörigen von Ramzi abstimmen.
Angesichts dieser neuen Entwicklungen hat die "Flämische Verteidigungs-Liga" offensichtlich "die Flucht nach vorn angetreten", wie Het Laatste Nieuws es formuliert. Fakt ist: "Die rassistische Gruppe hat Facebook verlassen".
Der Gründer der "Flämischen Verteidigungs-Liga" sieht sich und seine Gruppe als das Opfer einer Medienkampagne. Und Het Nieuwsblad hat Menschen ausfindig gemacht, die, ungeachtet der derzeitigen Polemik, weiter offen zu ihren rassistischen Aussagen stehen. Die Zeitung bringt einige Auszüge von rassistischen Hasskommentaren, versehen mit den Klarnamen der Autoren. "Nein, sie schämen sich nicht", kann Het Nieuwsblad nur festhalten.
Wer Wind sät, wird Sturm ernten
Die Debatte hat natürlich auch längst die politische Klasse erfasst. "Die N-VA schürt diese Art von Rassismus", so der Vorwurf von linken Oppositionsparteien unter anderem in Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen. Auch der Koalitionspartner CD&V zeigt mit dem Finger auf die flämischen Nationalisten.
"Ist die N-VA rassistisch?", fragt sich also Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Mal abgesehen davon, dass die N-VA derlei Fragen meist aggressiv abbügelt, kann man sie eigentlich mit "Nein" beantworten. Wenn es sich bei De Wever und Bourgeois wirklich um Rassisten handeln würde, dann hätten sie sich, als die N-VA ums Überleben kämpfte, sofort dem Vlaams Belang angeschlossen. Inhaltlich unterscheiden sich diese Leute also von Rechtsextremen. Was nicht heißt, dass die Partei nicht mit den Grenzen flirtet, wenn zum Beispiel der N-VA-Innenminister über angeblich "tanzende Moslems" nach den Anschlägen schwadroniert.
Die frankophonen Zeitungen bescheinigen der N-VA jedenfalls eine scheinheilige Haltung. Leute wie De Wever oder Francken tragen nicht unerheblich zu einer gewissen Banalisierung von Alltagsrassismus bei, glaubt etwa Le Soir. Immer wieder bewegen sie sich mit ihren polemischen oder abschätzigen Bemerkungen über Ausländer beziehungsweise den Islam hart an der Grenze. Aber Achtung: Es ist nicht so, als gäbe es nicht auch im frankophonen Landesteil Politiker, die die Ängste beziehungsweise die latente Fremdenfeindlichkeit der Menschen bedienen.
L'Avenir sieht das genauso. Wenn die Frankophonen glauben, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Belgien ein rein flämisches Problem sind, dann täuschen sie sich gewaltig. Überall sind Phänomene wie die Banalisierung von Rassismus oder das Verschieben von Toleranzgrenzen zu beobachten. Dennoch ist es im vorliegenden Fall mit der N-VA ausgerechnet eine Regierungspartei, die den Wind sät. Und wer Wind sät, wird Sturm ernten.
Politische Einheitsfront statt Parteipolitik
Het Nieuwsblad hält die Vorwürfe an die Adresse der N-VA dagegen für groben Unfug. Das Unkraut, das jetzt aus dem Boden schießt, das wächst auf dem Boden, den der Vlaams Belang bereitet hat. Das Problem Rassismus ist doch ganz klar älter als die N-VA. Statt jetzt verzweifelt einer Partei den Schwarzen Peter zuschustern zu wollen, sollten die Parteien möglichst geschlossen nach Strategien gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit suchen. Insbesondere den Linken wird es noch Leid tun, dass sie den eigentlich idealen Zeitpunkt dafür mit ihrer billigen Parteipolitik torpediert haben.
Gazet van Antwerpen sieht das ähnlich: Die Politik gibt mal wieder ein jämmerliches Schauspiel zum Besten. Gerade jetzt, in diesen düsteren Zeiten, wäre eine politische Einheitsfront wohl ein Symbol der Hoffnung.
De Standaard sorgt sich über den allgemeinen Zustand des politischen Diskurses. Die klassischen Bruchlinien mussten inzwischen neuen weichen. Bislang drehte in erster Linie alles um die soziale Ungleichheit in unseren Gesellschaften. Jetzt verläuft der Graben zwischen den Befürwortern einer offenen Gesellschaft und denen, die möglichst hohe Mauern an den Grenzen errichten wollen. Das eigentlich Beängstigende dabei ist, dass es zwischen beiden Lagern keine Berührungspunkte gibt und die auch nicht erwünscht sind. Das politische Zentrum läuft leer. Platz für Kompromisse gibt es nicht mehr. Polarisierung pur.
Online-Polizisten, Soldaten-Extremisten und gefährliche Ratgeber
"Polizisten sollen auch in ihrer Freizeit Rassisten jagen", so derweil die Aufmachergeschichte von Het Nieuwsblad. Demnach ruft die Polizeiführung die Beamten auf, immer ein wachsames Auge zu haben, auch auf Rassismus im Internet.
De Morgen titelt seinerseits: "50 Extremisten in der Armee". Anscheinend hat der Militärgeheimdienst SGRS 50 Soldaten auf dem Schirm, die offensichtlich Sympathien für extremistische Gruppen haben. Gestern war ja bekannt geworden, dass vier Soldaten wohl Mitglied der "Soldaten Odins" sein sollen, einer Bürgerwehr, der rechtsextreme Tendenzen nachgesagt werden.
Seltsame Geschichte schließlich auf Seite eins von Le Soir: "Ein Buch wird für den Tod tausender Menschen verantwortlich gemacht". Dabei handelt es sich um einen Ratgeber, der über angeblich unnütze Medikamente aufklären will. Auf Basis dieses Buches haben viele Menschen wohl ein Cholesterin-Mittel abgesetzt. Und deswegen soll sich die Zahl der Opfer von Gefäßerkrankungen allein in Belgien um 2.000 erhöht haben. Die Autoren weisen die Vorwürfe zurück und sprechen von einem Komplott der Pharma-Lobby.
Roger Pint - Bild: Eric Lalmand/Belga