"Grenzenloser Rassismus", titelt Le Soir. "Rassismus ohne Scham", so die Schlagzeile von De Morgen. "Ranziger Rassismus lässt Flandern rot anlaufen", schreibt De Standaard auf Seite eins.
Vor allem in Flandern sorgt der Tod des 15-jährigen Ramzi aus dem limburgischen Genk für eine Welle von Emotionen, allerdings zunächst vorwiegend negativer Art. Der marrokanischstämmige Jugendliche machte Ferien in der Heimat seiner Familie. Dort kam er bei einem Unfall mit einem Quad ums Leben.
Das Unglück löste eine Lawine von rassistischen Hasskommentaren aus, die De Morgen auf seiner in schwarz gehaltenen Titelseite auszugsweise wiedergibt. Beispiele: "Da geht doch mal einer mit gutem Beispiel voran!", oder: "Wieder einer weniger!", oder: "Makaken sind keine Flamen". "Der Junge, der den Rassismus in Flandern wieder zum Vorschein bringt", so lautet denn auch das Fazit auf Seite eins von Het Nieuwsblad.
Eine besonders negative Rolle spielt in diesem Zusammenhang eine bekannte Facebook-Gruppe mit dem Namen "Flämische Verteidigungsliga". "Gegen diese rassistische Internetgruppe wird schon seit einem Jahr ermittelt", bemerkt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Demnach ist es längst nicht das erste Mal, dass die "Flämische Verteidigungsliga" mit besonders niederträchtigen Kommentaren von sich reden macht. "Rassismus wird aber von Polizei und Justiz offensichtlich nicht als Priorität gesehen", beklagen Anwälte in der Zeitung.
Het Belang van Limburg hat mit dem Gründer der Facebook-Gruppe gesprochen. Der betrachtet die "Flämische Verteidigungsliga" offensichtlich als so eine Art Ventil: So lange nicht zu Mord und Totschlag aufgerufen wird, habe er mit den Kommentaren in der Gruppe kein Problem. Nichtsdestotrotz will der Bürgermeister von Genk in Absprache mit der Familie des toten Jungen strafrechtliche Schritte prüfen lassen.
Hass-Schreiber identifizieren und strafrechtlich belangen
Es gibt Grenzen, wettert Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Was früher nur ein Hintergrundrauschen war, das wird heute über die sozialen Netzwerke unverhohlen in die Welt posaunt. Rassistisches Gemaule schockiert nicht mehr, ist alltäglich geworden, und das ist eine schädliche Entwicklung. Die Justiz sollte den Fall Ramzi zum Anlass nehmen, um die Hass-Schreiber zu identifizieren und strafrechtlich zu verfolgen. Denn ihre Kommentare schaden der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit.
Wer macht den Anfang?, fragt sich in diesem Zusammenhang Het Belang van Limburg. In Rassismusangelegenheiten hat jeder Bürger das Recht, Anzeige zu erstatten, man muss nicht persönlich betroffen sein. Gestern noch haben Politiker mit scharfen Worten auf die Hasskommentare reagiert. Mal sehen, wer denn am Ende auch Nägel mit Köpfen machen will.
"Selektive Empörung" und Scheinheiligkeit
Für Het Nieuwsblad ist die Sache längst eingerissen. Die allgemeine Empörung kommt viel zu spät. Rabiater Rassismus ist im Internet längst trauriger Alltag. Um das zu sehen, musste man nicht erst die zugegeben ekelhaften Kommentare zum Tod von Ramzi abwarten. In diesem Zusammenhang könnte man wohl von "selektiver Empörung" sprechen.
De Morgen bescheinigt einigen Politikern ein gehöriges Maß an Scheinheiligkeit. Es ehrt die politische Klasse zwar, dass sie ziemlich geschlossen ihre Empörung zum Ausdruck gebracht hat. Doch sollte sich der eine oder andere mal die Frage stellen, inwieweit er selbst Wasser auf die Mühlen der Rassisten gegossen hat, ob er nicht in den letzten Monaten mit seinen Aussagen die Toleranzgrenzen selbst verschoben hat. Wer permanent die Schreckensvision des untergehenden Abendlandes beschwört, der darf sich nicht wundern, wenn Leute sich irgendwann zu selbsternannten Verteidigern dieses Abendlandes aufschwingen. Es wäre gut, wenn Ramzi am Ende doch zu einem Symbol wird im Kampf gegen den immer alltäglicheren Rassismus.
De Standaard schlägt in dieselbe Kerbe. Eine solche Debatte wird nicht über Nacht vergiftet. Das ist ein schleichender Prozess. Und jeder, der an dieser Debatte teilnimmt, sollte künftig seine Worte abwägen.
Wir dürfen Rassismus im Internet nicht totschweigen, aber auch nicht ignorieren, fordert Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Grob rassistische Aussagen in sozialen Medien müssen mehr denn je verurteilt werden. Denn dadurch werden nur weiter Zwietracht und Angst gesät. Aber: Die Beunruhigung über die Flüchtlingskrise und die Angst vor Terrorismus sind eine Realität. Darüber muss man reden und auch vernünftig debattieren.
Mathe-Misere in der Französischen Gemeinschaft
Die frankophonen Zeitungen sorgen sich derweil um das Niveau an den Schulen der Französischen Gemeinschaft. "Warum werden wir in Mathe immer schlechter?", fragen sich sinngemäß L'Avenir und La Libre Belgique. Hintergrund sind die Ergebnisse des jüngsten Mathematiktests, der nach dem zweiten Sekundarschuljahr an allen Schulen im südlichen Landesteil durchgeführt wird. Resultat: Fast die Hälfte der Schüler hat die Prüfung nicht bestanden.
Das kann man so nicht stehenlassen, meint La Libre Belgique. Hier müssen die Lehrmethoden dringend überdacht werden. L'Echo und L'Avenir glauben derweil, dass es hier in erster Linie um eine Frage der Einstellung geht. In der Französischen Gemeinschaft gilt die Maxime, die Schüler möglichst nicht durchfallen zu lassen. Hier wird ihnen ein falscher Eindruck vermittelt. Die Botschaft muss lauten, dass allein Anstrengung und Arbeit belohnt werden.
Roger Pint