"Ranziger Straßenkampf", titelt Het Nieuwsblad. "Die N-VA bedient sich einer ranzigen Rhetorik", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws.
N-VA-Chef Bart De Wever sorgt wieder für Schlagzeilen. Der Vorsitzende der flämischen Nationalisten beziehungsweise sein Pressesprecher hatten sich in den letzten Tagen mehrmals insbesondere über die Aussagen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel geäußert. Unter anderem macht die N-VA die deutsche Regierungschefin quasi unmittelbar für den Mord an dem französischen Priester am vergangenen Dienstag verantwortlich. Konkret: Die deutsche "Willkommenskultur" habe dazu geführt, dass Dschihadisten nach Europa gelangt sind. "Geschmacklos!", wetterte daraufhin CD&V-Chef Wouter Beke. Frau Merkel einen Mord in die Schuhe schieben zu wollen, das folge einer "ranzigen" Rhetorik; die N-VA lege es offensichtlich auf eine "Trumpisierung" der belgischen Politik an.
Zuvor hatten die flämischen Nationalisten in gewissen Fällen für eine Beschneidung der Meinungsfreiheit plädiert. Dies beispielsweise, wenn es um die Äußerung von Sympathien gegenüber Terroristen geht. "Gibt es keine Grenzen mehr?", so denn auch die bange Frage auf Seite eins von De Morgen. De Wever und seine N-VA benutzen ganz klar Kriegsrhetorik. "Und mit der Idee einer Beschneidung der Meinungsfreiheit geht die N-VA weiter als der Vlaams Belang", wettert etwa auch Wouter Beke in Het Laatste Nieuws. Deswegen wohl auch die provokative Frage in De Morgen: "Darf denn bald auch wieder gefoltert werden?"
Wir brauchen keine Polarisierung wie in den USA
Diese neuerliche Polemik ist eigentlich nur Ausdruck der allgemeinen Ohnmacht, glaubt De Standaard in seinem Leitartikel. Die politisch Verantwortlichen sind ratlos, suchen verzweifelt nach Wegen, um die bösen Geister zu vertreiben. Wenn hier aber Mitbürger, wie unlängst von Bart De Wever, zu potentiellen Mitgliedern einer fünften Kolonne gestempelt werden, zu Kollaborateuren, dann geht das Ganze doch zu weit. Vielleicht müssen wir einige Gesetze der neuen Wirklichkeit anpassen. Diese Zeit schreit aber nach einem vernünftigen und besonnenen Denkprozess.
Eigentlich ist es ja begrüßenswert, dass Parteien für einmal klare Standpunkte vertreten, bemerkt Het Nieuwsblad. Viel zu häufig kann man ja gar nicht mehr die Eigenheiten der einzelnen Parteien genau erkennen, steht der Bürger vor einem allgemeinen politischen Wischiwaschi. Eindeutige Positionen, das wäre also mal eine erfrischende Neuigkeit. Wenn sich die Kampagne aber derartig gegen einzelne Bevölkerungsgruppen richtet, dann kann man nur sagen: Nein, danke! Wir brauchen keine Polarisierung wie in den USA. Sehr geehrte Herren De Wever und Beke: Hören Sie sofort damit auf!
Bart De Wever will "wehrhafte Behörden"
In Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen legt Bart De Wever derweil noch eine Schippe drauf. "Bart De Wever will einen belgischen 'Patriot Act'", so die Schlagzeile. Der N-VA-Chef plädiert also für ein Heimatschutzgesetz nach amerikanischem Vorbild. Und im Mittelpunkt sollen hier vor allem die lokalen Behörden stehen, also die Städte und Gemeinden. De Wever spricht hier nicht umsonst ausdrücklich in seiner Eigenschaft als Bürgermeister von Antwerpen. Auf Seite eins von Gazet van Antwerpen spricht er von "gewapend bestuur". Hier handelt es sich um ein niederländisches Konzept, das man übersetzen könnte mit "wehrhafte Behörden". Gemeint ist damit, dass die Städte und Gemeinden deutlich mehr Handhabe und Freiheiten bekommen bei der Wahrung der öffentlichen Sicherheit.
Aus Sicht von De Wever ist diese Forderung nachvollziehbar, meint Gazet van Antwerpen in ihrem Kommentar. Wobei: In dem Begriff ist das Wort "bewaffnet" enthalten, und das wohl nicht umsonst. Dieses Eis ist ziemlich dünn. Hier bewegt man sich an der Grenze zum Willkürregime. Zugegebenermaßen extremer Vergleich: In Guantanamo sind jahrelang Verdächtige festgehalten worden, die sich später als unschuldig erwiesen haben. Hier erwarten uns wohl noch spannende Diskussionen.
Ein "Patriot Act", inklusive besagter "wehrhafter Behörden", das ist kein Pappenstiel, warnt auch Het Belang van Limburg. Das wäre ein durchaus spürbarer Eingriff in unsere derzeitige Lebensart. Wir müssten einen nicht unerheblichen Teil unsere Grundfreiheiten aufgeben. Besonders problematisch ist, dass nach De Wevers Plänen die Bürgermeister zu Hauptakteuren würden; da sind die Risiken einer Entgleisung besonders groß, wenn man sich vor Augen hält, dass kommunale Verwaltungen das Recht bekämen, nach Belieben Telefongespräche abzuhören oder "präventive" Festnahmen vorzunehmen. Sind wir wirklich bereit, mitunter unschuldige, Menschen für eine Illusion von Sicherheit zu opfern.
Im frankophonen Landesteil scheint man die ganze Diskussion derweil noch gar nicht mitbekommen zu haben. L'Echo etwa bescheinigt insbesondere dem politischen Personal hierzulande noch eine löbliche Wehrhaftigkeit. Populistische Entgleisungen haben sich bislang noch in Grenzen gehalten. Und auch die Bürger reagieren würdevoll. Glücklicherweise mussten wir bislang noch keine gewaltsamen Übergriffe beobachten. Hier zeigt sich: 70 Jahre bürgerlich-demokratische Erziehung, gepaart mit gut funktionierenden Institutionen, das ist die beste Medizin gegen Barbarei, meint L'Echo.
Wahlkampf in den USA: Der Rest der Welt kann nur hoffen
Noch einmal auf die Polemik zwischen Bart De Wever und Wouter Beke zurückgekommen: Het Nieuwsblad sieht darin eigentlich nur die flämische Version dessen, was in den USA zu beobachten ist. Die extreme Polarisierung zwischen Donald Trump und Hillary Clinton scheint irgendwie ansteckend zu wirken auf den europäischen Kontinent in seiner Gesamtheit. Eben in Bezug auf den Wahlkampf in den USA machen einige Zeitungen keinen Hehl aus ihrer tiefen Besorgnis.
Dass die Amerikaner am Ende Donald Trump zu ihrem neuen Präsidenten machen werden, das ist längst nicht so ausgeschlossen, wie gewisse Europäer es vielleicht glauben könnten, warnt etwa Le Soir. Das hat auch teilweise mit seiner Gegnerin zu tun. Sieben von zehn Amerikanern halten Hillary Clinton für unehrlich und nicht vertrauenswürdig. Sie geht da wohl allenfalls als das kleinere Übel durch. Zumindest müssen wir hoffen, dass eine Mehrheit der amerikanischen Wähler das so sieht.
La Libre Belgique sieht das ähnlich: Hillary Clinton ist für viele nicht wirklich der Inbegriff von einem politischen Wechsel, von einem Neuanfang. Und sie hat jetzt hundert Tage Zeit, die Wähler eines Besseren zu belehren, ihnen zu beweisen, dass nicht nur die Wall Street wichtig ist, sondern auch die Hauptstraße in den Städten und Dörfern des Landes.
Was besonders beunruhigend ist, so meint De Morgen: Donald Trump verfügt offensichtlich über Narrenfreiheit. Hätten Leute wie Ronald Reagan, Bill Clinton oder George Bush im Wahlkampf die Russen dazu aufgerufen, E-Mails des Außenministeriums zu hacken, sie wären garantiert nie Präsident geworden. Trump ist ein Mann, der seinen Kritikern mitunter sogar Gewalt androht. Das alles ist wohl nur ein Vorgeschmack dessen, was uns erwartet, käme Trump ins Weiße Haus. Das Schlimme ist: Die Europäer, Afrikaner, Asiaten,... der Rest der Welt kann nichts tun, sondern nur hoffen, dass Trump der Welt erspart bleibt.
Roger Pint - Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)
Die Geschichte scheint sich zu wiederholen. Und wenn die ersten Moscheen brennen, werden die zündelnden Populisten auch noch freudig zuschauen.
Die Kriegsrhetorik von De Wever und Co. wird den sich wie ein Krebsgeschwür ausbreitenden blinden Hass auf allen Seiten nur verstärken. Damit lässt sich keine Terrorgefahr bannen und keine religiös-psychopatischen Selbstmörder einschüchtern. Nur wer die Amokläufe und den Terror verstehen will, kann ihn bekämpfen. Denn die Ursachen und Gründe sind so vielfätig, dass jede einfache vermeintliche Lösung nicht greifen wird, zumal wenn sie vom gleichen Hass und den gleichen Rachegelüsten genährt wird. Untersuchungen haben ergeben, dass bei einer Mehrheit der Attentäter neben einer politischen, religiösen oder rassistischen Motivation immer auch ein psychischer Faktor auslösend war.
Alle sicherheitsrelevanten Instrumente sollten auf den Prüfstand, ja ! Vor dem Wahnsinn der Menschen jedoch schützen weder Patriot Acts noch meterhohe Zäune.
Wenn es brennt ruft man die Feuerwehr, und sinnt nicht über die Metaphysik des Feuers nach. Nur Verrückte tun dies.
"Untersuchungen haben ergeben (...) immer auch ein psychischer Faktor auslösend war". Das ist kein sachliches Argument. Eine "Gegen"-Untersuchung, als Beweis (auf die ein Kollege gestern bereits aufmerksam machte): "Le plus souvent, un terroriste djihadiste est éduqué et a des perspectives professionnelles" (La Libre Belgique). Auch zu Daka, Bangladesh, wurde bemerkt, daß die lieben Jungs aus der "High Society" stammten: "Bangladesh attack: Shock over 'elite' Holey Cafe suspects" (BBC News). Mit Relativierungen ("psychische Krankheit") bestattet man Europa. Wer mit dem universalistischen Anspruch einer Weltbürgergesellschaft (nach Kant) argumentiert, bestattet die Diversität der Welt. Dieser Anspruch ist der Ursprung allen heutigen Übels, will er sich doch über alle Glaubensysteme erheben, also auch über den Islam. Dem Christentum wird Imperialismus vorgeworfen? Der gründet genau in diesem Anspruch.
Herr Leonard,wir leben schon längst im Krieg mit dem Islam, das merken noch nicht viele Leute.Die Medien und die meisten Politiker beschönigen das, aber einige haben das kapiert und denen unterstellt man Populismus und unlautere Mittel.
Wir sollten lieber fragen, wann die ersten Kirchen brennen, das ist realistischer, einen Priester haben sie schon ermordet.
Aber statt eine Großdemonstration gegen diese Taten zu organisieren, machen die hier ansässigen Muslime lieber für und gegen Erdogan mobil, was hier gar nichts zu suchen hat. Da sieht man die Integrationsfähigkeit dieser Leute!!
De Wever und alle anderen Rassisten verhöhnen die Opfer der IS-Terrorangriffe in Deutschland und Frankreich auf widerliche Art und Weise durch ihre menschenverachtenden Angrife gegen wirklich Schutzsuchende.
Jedes Vergewaltigungsopfer in Deutschland ist denen dich nur recht für deren krude Hasstiraden sogar gegen christliche Zuwanderer.
Was nötig wäre wäre, dass Inländer wie Ausländer gemeinsam auf die Straße gehen gegen jede Art von Gewalt und Einschüchterung. Und da gebe ich Herrn Meis komplett Recht, sind die Türkenaufmärsche von Köln und anderswo ein Schlag ins Gesicht, genauso wie das einsame Schweigen der eingeschüchterten Nationalbevölkerung, die sich nicht traut zur Kritik an Merkel.