"Wir schaffen das!", dieser Satz steht – auf Deutsch wohlgemerkt – auf Seite eins von De Morgen und De Standaard. "Wir schaffen das!" - Das ist der wohl berühmteste Satz, den die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel jemals ausgesprochen hat. Das erste Mal war das anscheinend am 31. August vergangenen Jahres. De Morgen jedenfalls bringt ein Foto von eben diesem Tag, das Angela Merkel in einem roten Blazer zeigt. Daneben ein Bild von der gestrigen Pressekonferenz. Der Blazer ist jetzt blau, die Kernbotschaft aber dieselbe: "Wir schaffen das!" "Angela Merkel knickt nicht ein", notiert auch De Standaard auf seiner Titelseite. "Die Angst darf uns nicht leiten", zitiert La Libre Belgique die deutsche Kanzlerin. Das GrenzEcho fasst zusammen: "Merkel bleibt dabei: Wir schaffen das".
Dieser Satz ist kein politisches Versprechen, sondern ein humanitäres Statement, glaubt Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. "Der politisch Verantwortliche, der am meisten Mumm hat, das ist heute eine Frau", sagen nicht umsonst die Bewunderer der deutschen Kanzlerin, allen voran der CD&V-Vorsitzende Wouter Beke. Bart De Wever von der nationalistischen Konkurrenz hingegen spuckte gestern verbal mal wieder auf Angela Merkel, als handele es sich bei ihr um die Personifizierung der Sprachgrenze. De Wever unterstellte der Kanzlerin gar "Gutmenschengehabe". Stellt sich nur die Frage: Inwieweit unterscheidet sich eigentlich die Politik vom Parteikollegen, dem N-VA-Asylstaatssekretär Theo Francken, vom deutschen Ansatz? Es ist seltsam, dass sich die größte belgische Regierungspartei fast schon für die eigene Politik schämt. Im Gegensatz zu Merkel fehlt es De Wever eben an Courage.
Wir schaffen das II
Das zweite "Wir schaffen das!" ist vielleicht noch bemerkenswerter als das erste, findet De Morgen. Während viele ihrer Kollegen inzwischen wankelmütig geworden sind, macht Angela Merkel klar, dass die Menschenrechte und die UN-Flüchtlingskonvention für sie nach wie vor die Richtschnur sind. Außerdem verzichtet sie auch nach den Anschlägen, die Deutschland getroffen haben, nach wie vor auf Kriegsrhetorik. Und es wird auch keine drakonischen Grenzkontrollen oder unverhältnismäßige Repression geben. Es wäre schön, wenn sich die Nachbarländer, angefangen bei Belgien und Frankreich, jetzt weniger abfällig zeigen würden als beim ersten "Wir schaffen das!"
Dabei ist Frau Merkel isolierter denn je, warnt L'Echo. Innerhalb ihrer politischen Familie brodelt es wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die bayrische CSU probt den Aufstand. Und von rechtsaußen wächst der Druck: Die AfD flirtet mit der Zehnprozentmarke. Mutti Merkel wird große Probleme haben, ihre "Kinder" auf dem richtigen Weg zu halten.
Vom Buhmann zum guten Bullen
De Standaard will seinerseits doch einen Kurswechsel in Berlin erkannt haben. Dies freilich nicht bei Angela Merkel, die resolut bei ihrem Standpunkt bleibt. Nein, überraschenderweise wird der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble höchstwahrscheinlich im Zusammenhang mit den Defizitsündern Portugal und Spanien Milde walten lassen. Dass der jahrelange Buhmann plötzlich soft geworden wäre, das mag niemand glauben. Höchstwahrscheinlich ist das eher ein Indiz dafür, dass man in Berlin jetzt die Prioritäten anders setzt. In Deutschland steht jetzt das Spannungsfeld zwischen den Themenkreisen Migration und Sicherheit im Mittelpunkt. Und dass ein Wolfgang Schäuble plötzlich zum "guten Bullen" wird, sagt viel aus über den derzeitigen Wasserstand in der deutschen Hauptstadt.
Türkische Hexenjagd auch in Belgien
Ganz anderes Thema auf Seite eins von Le Soir: "Der türkische Konflikt nach Belgien importiert", schreibt das Blatt. Die Stimmung innerhalb der türkischen Gemeinschaft im Land ist stellenweise ziemlich grimmig. Anhänger des türkischen Präsidenten Erdogan machen auch in Belgien buchstäblich Jagd auf Menschen, die der Bewegung des Predigers Gülen zugeordnet werden. "Morddrohungen, Aufrufe zur Vergewaltigung: die Anzeigen häufen sich", schreibt Le Soir.
Unsere Freiheiten gelten überall und machen nicht an den Grenzen einiger Viertel halt, unterstreicht das Blatt aber in seinem Leitartikel. Es ist inakzeptabel, wenn sich hierzulande Menschen von den Konflikten in ihrer alten Heimat derartig aufstacheln lassen, dass mitunter gar defacto der Rechtsstaat ausgehebelt wird. Meinungsfreiheit, Frauenrechte, religiöse Neutralität, diese Werte gelten für alle Bürger dieses Landes. Und sie sind nicht verhandelbar. Von Zeit zu Zeit mal muss man offensichtlich daran erinnern.
"Man ist entweder Belgier oder Türke", das sagt derweil die kurdischstämmige N-VA-Abgeordnete Zuhal Demir auf Seite eins von Het Belang van Limburg. "Weg mit der doppelten Staatsbürgerschaft!", fordert sie auf Seite eins von Gazet van Antwerpen. Wir brauchen klare Identitäten, ist die N-VA-Politikerin überzeugt. Davon abgesehen: Sie sei auch schon in der Folge des Putschversuchs in der Türkei bedroht worden. Und sie gehe davon aus, dass das nach der Veröffentlichung des Interviews in Gazet van Antwerpen und Het Belang van Limburg nur noch schlimmer werde.
Neue Wirtschaftsdaten
"Die Wirtschaft kommt der Regierung zu Hilfe", so derweil die Schlagzeile von De Standaard. Also es ist so, dass einige wichtige Parameter im Moment im grünen Bereich sind: Im zweiten Quartal 2016 ist das Bruttoinlandsprodukt um 0,5 Prozent gewachsen. Das betrifft also genau den Zeitraum nach den Anschlägen vom 22. März; der befürchtete Konjunkturknick ist also ausgeblieben. Zugleich ist die Arbeitslosigkeit rückläufig. All das dürfte der Regierung bei ihren Haushaltsberatungen in drei Wochen helfen, meint De Standaard.
"Ein 60-jähriger Belgier verdient doppelt so viel wie ein 20-jähriger", so die Aufmachergeschichte von La Libre Belgique. Konkret: Ein 60-jähriger Angestellter verdient über 5.000 Euro Brutto, ein 20-Jähriger dagegen gerade mal knapp 2.300.
Auch Het Nieuwsblad hat sich die neuen Zahlen des Wirtschaftsministeriums angeschaut. Erstes Fazit, in Form einer Schlagzeile: "Großverdiener bekommen größeren Aufschlag". Demnach steigen die Löhne der Direktoren schneller als die der kleinen Arbeiter. Und zweites Fazit: Frauen verdienen immer noch deutlich weniger als Männer. Im Durchschnitt sind es sechs Prozent.
Roger Pint - Bild: Tobias Schwarz (ap)