"Demokratischer geht es nicht", hieß es diese Woche im Gemeinderat von Burg Reuland. Gemeint ist die Umfrage, bei der die Bürger von Espeler Ende Mai darüber abstimmen, ob die "Benzinstraße" (und damit eine weitere Transitstrecke) nach Luxemburg wieder komplett für den Verkehr geöffnet werden soll oder nicht. In Espeler selbst ist man sich offenbar unsicher - so ist der Einwand der Opposition zu verstehen, dass die Abstimmung das Dorf spalten könne und "dem Bürger" eher schade als nütze.
Die einen freuen sich über die Beteiligung der Bürger und hätten gerne mehr davon, die anderen fragen: Warum brauchen wir dann noch einen Gemeinderat? Nun, dieser könnte, wie in noch klammeren Kommunen geschehen, nur die Kosten abwägen: Die Straße für alle zu öffnen bedeutet auch, sie entsprechend instand zu setzen - und das kostet mehr als für einen notdürftig geflickten Weg, auf dem ein paar Traktoren oder Holzabfuhren unterwegs sind.
Andernorts, in Büllingen, stellt sich dagegen ein "Luxusproblem". Hier ist noch so viel Geld vorhanden und sind die Preise nun einmal so (unverschämt) günstig, dass man es kaum erwarten konnte, die Summe für die Wegeteerungen gleich zu verdoppeln - um eine stolze halbe Million. Dagegen wird kein Bürger etwas einzuwenden haben - und im Grunde ja auch nicht die Opposition.
Nur hat sie etwas gegen das Hauruckverfahren, das zudem auf wackeligen Füßen stand, wie sich nun bestätigte: Der Beschluss wurde vom Bürgermeister neu vorgelegt, verbunden mit dem Eingeständnis von "Versäumnissen". Das hielt aber den auch anderes politisches Parkett gewohnten Alexander Miesen nicht davon ab, ihm und der Mehrheit gehörig die Leviten zu lesen. Auf das in seine Vorlage geschriebene Wort "anti-demokratisch" verzichtete er noch, konnte sich aber nicht verkneifen, dem Kollegium "im Fach Demokratie" schlechte Noten zu erteilen. Und der "schweigenden" Mehrheit Mitverantwortung ins Stammbuch zu schreiben.
Was nehmen wir aus diesen beiden Fallbeispielen mit? In der Demokratie darf keiner es sich zu leicht machen. Alleingänge zahlen sich selten aus und dienten sie einem noch so praktischen Zweck. Auch blindes Vertrauen birgt den Kern der Enttäuschung in sich (Miesen nannte es "blindes Abnicken"). Die Verantwortung einfach abzugeben, reicht ebenso wenig, wie darauf zu warten, dass "die da oben" schon entscheiden - und ihnen hinterher Unkenntnis oder Parteilichkeit vorzuwerfen.
Unter demokratischen Spielregeln sollten die Politiker Entscheidungen auf der Grundlage dessen treffen, was sich die Bürger mehrheitlich wünschen. Das muss nicht zwangsläufig auf "Pro" und "Contra", auf "Ja" oder "Nein" hinauslaufen. Verantwortlich mitbestimmen heißt: neben den eigenen Interessen auch die Grenzen und Möglichkeiten erkennen, aufeinander zugehen und gegebenenfalls über den eigenen Schatten springen.
In unserem überschaubaren Gebiet, das durch eine eigene Gemeindeaufsicht behütet wird, sollte es möglich sein, mehr Demokratie zu wagen. Es geht auch, aber nicht nur um die nächste Straße. Es geht vor allem darum, dass sich alle mitverantwortlich und ernst genommen fühlen. Dann klappt es auch mit der Teilnahme an Bürgerversammlungen und -befragungen.
Und vielleicht fällt es dann sogar leichter, Kandidaten zu finden, die selbst als gewählte Vertreter Verantwortung übernehmen wollen. Das wäre eine schöne Konsequenz aus den jüngsten Debatten, bei denen noch jeder auf seiner Seite geblieben ist.
Aber: Demokratie ist nicht einseitig - und sie ist nicht zum Nulltarif zu haben. Auch nicht im Kleinen.
Stephan Pesch