Ausgerechnet Jan Jambon. Das Kommunikationsgenie der Föderalregierung. Sanfte Stimme, einfache Sprache, treuherziger Blick. Selbst beim Termin im AKW Doel. Sogar die niederländische Ministerin meinte nach dem Besuch, es gehe doch nur um Kommunikation.
Und dann, urplötzlich: Nach einem Verkehrsunfall solle nicht mehr die Polizei, sondern sollen Privatfirmen den Unfallort sichern. Denn das gehöre nicht zu den polizeilichen Aufgaben im engeren Sinne. Bitte? Kennt man das Wort Verkehrspolizist nicht bereits von Kindesbeinen an? Na, die Sicherung des Unfallorts auszulagern, darauf wäre nicht mal Frau Thatcher gekommen. Alsdann: Der Unfallverursacher solle die Kosten tragen. Klar doch, dass dann die Versicherung teurer wird. Nun, die Klausel müsse ja nicht im Vertrag stehen, meinte dazu Jambon.
Ist das jetzt nur ungeschickt oder Profilsucht? Mijnheer Jambon, ausgerechnet das Auto angreifen über eine Erhöhung der Versicherung, also, ob das beim "hard werkende vlaming" unter den N-VA-Wählern ankommt? Ist es ein weiteres Signal des früheren Managers, liberaler zu sein als die Liberalen der OpenVLD, in deren Wählerreservoir die N-VA erfolgreich fischt?
Gleichzeitig aber hat seit dieser Woche Peter De Roover den Fraktionsvorsitz inne, ein Weggefährte von Jambon in der "Vlaamse Volksbeweging". Die sieht sich als das Gewissen der flämischen Bewegung. Womit Parteichef De Wever seiner zum Teil verunsicherten, verärgerten oder nur ratlosen Parteibasis signalisiert: wir bleiben unseren Zielen treu.
Was denn nun: flämisch-national mit De Roover oder ultra-neo-liberal mit Jambons Verursacherprinzip über teurere Versicherungen? Oder etwa ein weiteres zweigleisiges Fahren? Es muss unsere Sorge nicht sein, zumindest durfte Alexander De Croo (OpenVLD) in Davos in die Objektive lachen, im Bemühen um liberale Wirtschaftskompetenz. Aber auch nur, weil Premier Michel bei seiner hochschwangeren Freundin im Lande blieb. Witzig ist nur, dass der Schachzug mit De Roover nicht so ganz glatt läuft. Dem hat nämlich Hendrik Vuye auf dem Sessel des Fraktionssprechers Platz gemacht. Auch ein Hardliner, zudem ein umgänglicher und beliebter Hochschulprofessor in Namur. Er soll nun, zusammen mit einem Ausschuss, Modelle entwerfen zum Ausbau des Konföderalismus. Auch das sollte die flämische Bewegung besänftigen.
Die aber giftet in ihrer Online-Zeitschrift Doorbraak: Was soll das! Nachdenken über Flandern, dafür haben wir einen eigenen Denktank, dafür sind wir da! Wieso wird das zu Hendrik Vuye und seinem Arbeitskreis ausgelagert!
Nun, der eine spielt mit dem Traum der Republik, der andere spielt mit dem emotionalen Thema Auto, man darf gespannt sein.
Apropos Auto: Im deutschen Melodram über den Zusammenhalt der Koalition zog Wolfgang Schäuble eine explosive Karte: Herr Schäuble, dass haben Sie doch wohl nicht bewusst gemacht, die Zahl der Flüchtlinge an den Benzinpreis zu koppeln, mit ihrem Vorschlag, die Kosten über eine Erhöhung der Benzinsteuer zu finanzieren? Das wäre für Ihre Kanzlerin weit gefährlicher als die Attacken Horst Seehofers. Und recht perfide. Auf diesen emotionalen Sprengstoff ist nicht mal Frauke Petry von der AfD gekommen.
Nicht weniger als vier Regierungsspitzen stritten sich derweil um das Verdienst, Audi in Brüssel gehalten zu haben: Dreistellig sollen die Fördermittel sein, die KMUs blicken neidisch, auch endete die Woche mit einem Paukenschlag, als die EU frühere Steuerabsprachen mit 35 Multis für nichtig erklärte und Belgien auffordert, rund 700 Millionen Euro zurück zu fordern. Nicht nur im Kernkabinett rauchen die Köpfe.
Frederik Schunck