Die einst verschworene Gemeinschaft namens FIFA zerlegt sich selbst. Von der ursprünglichen internen Mafiatreue ist wenig übrig geblieben. Die Herren beschimpfen und beschuldigen sich gegenseitig. Die totale Auflösung von Blatters Cosa Nostra, italienisch für "unsere Sache", ist nur noch eine Frage der Zeit. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Ermittlungen von US- und Schweizer Behörden zu einer Zerschlagung der Vereinigung führen wird, die man wahrscheinlich schon bald kriminell nennen darf, ohne dafür rechtlich belangt zu werden. Was über Jahrzehnte gemutmaßt wurde, verdichtet sich immer mehr zu trauriger Gewissheit: Dutzende FIFA-Repräsentanten haben sich in einem diktatorisch-korrupten System schamlos bereichert, es sind Schmiergelder in Milliardenhöhe geflossen - nicht nur bei der Vergabe von Weltmeisterschaften.
Geradezu absurd mutet es an, dass Blatter und sein potenzieller Nachfolger Platini Widerspruch gegen ihre Suspendierung für 90 Tage eingelegt haben. Offensichtlich haben sie Bodenhaftung und Wirklichkeitssinn vollkommen verloren. Das gilt auch für jene, die sie trotz allem immer noch direkt oder indirekt unterstützen. Wenn der mächtige Präsident des Deutschen Fußball Bundes, DFB, Wolfgang Niersbach, nach dem Spruch der Ethikkommission vom schwärzesten Tag und von einem Super-Gau für FIFA und UEFA spricht, ist auch das ein Zeichen von Realitätsverlust. Er verkennt, dass die Chance zur Erneuerung sich erst bietet, wenn schonungslos aufgeräumt wird und die wenigen Aufrechten mit gutem Gewissen das Zepter in die Hand nehmen. Wäre es nicht so ernst, müsste man schreiend lachen über den sich dezimierenden Komödiantenstadl von Genf, der sich immer noch fragt: Welche Krise?
Es bleibt wohl nur eins: Die großen europäischen Fußballnationen und ihre Verbände sollten sich zusammenschließen zu tragfähigen Allianzen mit glaubwürdigen personellen Lösungen an der Spitze von FIFA und UEFA. Keine Macht mehr den Manipulatoren! Wenn es sie denn gibt: Neue unverdächtige Männer und Frauen braucht der Fußball. Und der gehört umstrukturiert und umorganisiert - am besten zu Gesellschaften ohne Erwerbszweck...
Soweit wird es wohl - dank Mammon - nicht kommen. Klar ist jedoch, dass ein faires Match nur mit einem völlig neuen Weltverband möglich sein wird. Wenn es den noch verbliebenen FIFA- und UEFA-Verantwortlichen nicht dämmert, dass nur ein radikaler Schnitt helfen kann, werden die ordentlichen Gerichte ihre Arbeit tun. An deren Ende könnte dann das Verbot einer kriminellen Vereinigung stehen...
Immerhin bleibt eines gewiss: Der Fußball wird immer rollen und die Massen begeistern, egal wieviel betrogen und geschoben wird. Wie war das noch? Der Ball ist rund, ein Spiel dauert 90 Minuten, und nach dem Spiel ist vor dem Spiel... Olé, olé, olé!
Rudi Schroeder