Ja, es gibt Hoffnung. Dort, wo die Menschen sich begegnen, die Helfer und die Flüchtlinge, wächst eine Kultur des Miteinanders und des Verstehens. Das hat mit Sozialromantik nichts zu tun und auch nichts mit dem Unwort "Gutmenschtum", vielleicht ist es Christsein im eigentlichen Sinn. Jenseits aller Klischees und Vorurteile packen diese Menschen an und gehen dabei an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Schutzsuchenden und jene, die ihnen Obdach und Zuwendung geben, beschimpft, verunglimpft oder diskriminiert werden.
Ganz schlimm: Vor allem in den Internetforen grassieren Fremdenfeindlichkeit und Rassismus wie dereinst nur an so mancher Kneipentheke. Allerdings sollte fein unterschieden werden: Zwischen menschenverachtendem Hass und dem banalen Vorurteil. Vor dem ist nämlich niemand gefeit. Der Aachener Islamwissenschaftler und interkulturelle Coach Markus Reissen sagt es so: Natürlich habe jeder Mensch Vorurteile, wichtig sei es nur, sich dessen bewusst zu werden und die nun einmal vorhandenen Schubladen offen zu halten. Und: Man sollte einfach Begegnung wagen!
Der deutlich überstrapazierte Begriff Willkommenskultur ist auch bei uns gelebte Wirklichkeit. Schauen wir also nicht so sehr auf jene, die sich hartnäckig verweigern, sondern auf die, die bereits helfen oder bereitstehen, aber noch nicht dürfen. Das gilt für so manche Bedienstete in öffentlichen Einrichtungen wie für eine Vielzahl von Ehrenamtlichen, deren Einsatz an Paragraphen und verkrusteten Strukturen zu scheitern droht.
Ja, es gibt Hoffnung! Allerdings müssen wir den Verunsicherten, den Zweiflern einiges erklären. Zum Beispiel, dass die Flüchtlinge den sozial Benachteiligten nicht das Geld wegnehmen. Dass die Zuwanderung mit einer Verjüngungskur einhergeht, die der drohenden Überalterung unserer Gesellschaft entgegenwirkt. Dass die Flüchtlinge - wenn es richtig angegangen wird - unseren wirtschaftlichen Aufschwung beförden und die leeren Rentenkassen wieder füllen können. Dass die große Mehrheit der Muslime keine Radikalinskis sind, die uns islamisieren wollen. Und und und...
Gleichwohl dürfen wir nicht verschweigen, dass es Risiken gibt: getarnte Terroristen etwa. Aber die gab es auch vorher schon. Oder: Religiöse Eiferer. Auch die hat es übrigens schon immer gegeben. Auch unter Christen und Katholiken. Siehe die lange Zeit unrühmliche Kirchengeschichte, siehe - aktuell - Opus Dei! Wir dürfen nicht übersehen, dass es ein Risiko ist, Menschen zu beherbergen, über die wir zu wenig wissen; sie könnten uns täuschen und enttäuschen. Das Leben ist voller Risiken. Das größte Risiko wäre es, wenn wir Belgier, wir Deutsche, wir Niederländer, wir Europäer unter uns blieben, was ja - Allah und anderen Göttern sei Dank - längst gar nicht mehr möglich ist.
Belgien, Deutschland, England, Frankreich - alles Einwanderungsländer. Allen voran: die USA, die Multikultination par excellence. Zur Zeit ist nicht Einwanderung, sondern Völkerwanderung. Und sie wird andauern. Denn der politische Karren steckt fest. Weil die Weltmächte und ihr Gefolge vornehmlich aus wirtschaftlichen und geostrategischen Gründen finsterste Diktatoren im Amt halten. Sie verhindern im Verbund zwingend notwendige Veränderungen in den Krisenregionen. Erst deren Befriedung und der Stopp von Ausbeutung könnten helfen, das Ruder herumzureißen und die Flüchtlingsbewegungen einzudämmen. Aber davon sind wir meilenweit entfernt.
Was bleibt uns nun? Helfen! Jetzt! Den Menschen! Den Flüchtlingen! Vor Ort! In den Städten! In den Auffanglagern! Es ist ein Anfang - nicht mehr und nicht weniger. Ein bisschen Hoffnung gibt es.
Rudi Schroeder