Die Arbeitgeber jubeln, die Gewerkschaften toben. Da muss man wohl nicht fragen, wer da beim Tax-Shift am besten weggekommen ist. Und, mal ehrlich: Ist es wirklich so verwunderlich, wenn eine Regierung, der mindestens drei bekennende rechts-konservative Parteien angehören, am Ende rechte Politik macht? Nur das Gegenteil wäre eine Überraschung gewesen.
Und aus rein politischer Sicht gesprochen, mal unabhängig vom Inhalt der Reform: Es ist eigentlich erfrischend, dass endlich nochmal klare Entscheidungen getroffen werden, nach Jahrzehnten der "Konsensregierungen", wo oft Rechts wie Links auf derselben Regierungsbank saßen, was meist Wischi-Waschi-Politik zur Folge hatte.
Nein! Die Regierung Michel hat sich für eine klare Richtung entschieden, die ganz ihrer ideologischen DNA entspricht.
Aber apropos "ideologisch", was dann doch wieder schade ist: Um das Ganze zu finanzieren, greift die Mitte-Rechts-Regierung einmal mehr ausschließlich in eine doch allzu klassische Trickkiste. Mehrwertsteuererhöhung hier, Akzisenanhebung da, eine Prise Steueramnestie, hinterrücks ein Seitenhieb gegen den so oft verteufelten PS-Versorgungsstaat, und fertig ist ein ziemlich fader Eintopf.
"Originell" wäre wohl was anderes. Fast schon sträflich ist etwa, dass die Regierung die Gunst der Stunde nicht genutzt hat für eine wirkliche Steuerreform: Neuordnung der Steuerklassen, Vereinfachung des Fiskalrechts: Den Wald durchforsten, ausholzen, ausdünnen, auch um Hintertüren zu schließen. Man hat sich da für den einfachsten Weg entschieden: die, mit Verlaub, "blöde" Steuerschraube.
Und "gerecht" ist auch etwas anderes. Verbrauchssteuern wie TVA oder Akzisen sind die mit Abstand ungerechtesten Abgaben, weil sie jeden gleichermaßen treffen. Die Erhöhung der Strom- oder Dieselpreise gilt für alle, den Reichen wie für den weniger Reichen, wobei des einen Fußnote des anderen Problem ist.
Zwar verspricht die Regierung monatlich 100 Euro mehr für kleine und mittlere Einkommen. Ob sie das Versprechen halten kann, das weiß sie aber noch gar nicht.
Fest steht demgegenüber aber schon, dass die Reichen von dem Ganzen mal wieder kaum was mitbekommen werden. Das, was in dem Tax-Shift noch am ehesten unter "Vermögenssteuer" laufen könnte, ist nicht mehr als ein Feigenblatt. Dabei fehlt es nicht an Ideen. Von einer Abgabe auf Börsenmehrwerten etwa, die den Namen wirklich verdient, fehlt aber weiterhin jede Spur. Und auch die klassischen Tabuthemen bleiben unangetastet: Mieteinkünfte, Firmenwagen oder der unverhältnismäßig hohe Steuerfreibetrag bei Sparbüchern ... da wurde wohl nicht mal drüber geredet.
Es ist eben ein ziemlich ideologisch motivierter Tax-Shift. Aber gut: Der Zweck heiligt die Mittel, hat sich die Regierung wohl gesagt. Heißt wohl: Man will alles dransetzen, um der Wirtschaftswelt das Bettchen so weich wie möglich machen.
Prinzipiell ist das, zumal in Belgien, mit Sicherheit richtig. Hierzulande sind die Lohnkosten im Vergleich zu den Nachbarländern erwiesenermaßen zu hoch. Und Ehre, wem Ehre gebührt: Was man der Regierung wirklich zugute halten muss, ist, dass sie hier keine halben Sachen macht. Sie setzt - im Gegensatz zu vielen ihrer Vorgänger - auf ein einziges Pferd. Die Senkung des Arbeitgeberbeitrags von 33 auf 25 Prozent, das ist eine klare Ansage. Alles andere wird dem Ziel untergeordnet. Und das hat Premierminister Charles Michel ja definiert, in Form von drei Prioritäten: Jobs, Jobs und Jobs.
Genau daran wird er sich messen lassen müssen. Die Regierung Michel kann ihre Kritiker nur eines Besseren belehren und auch die Wähler überzeugen, wenn diese Rechnung aufgeht, wenn es tatsächlich mittelfristig zumindest ein kleines Jobwunder gibt. Was die Sache für die Regierung so riskant macht: Ab jetzt liegt's nicht mehr in ihrer Hand. Es sind die Unternehmen, die Jobs schaffen, oder eben nicht.
Mit dieser Verantwortung sollten die Arbeitgeber weitsichtig umgehen. Sie sollten nie vergessen, dass sie im Grunde die Regierung bekommen haben, die sie schon immer gewollt haben, und diese Regierung serviert ihnen jetzt die lange geforderte Lastensenkung auf dem Silbertablett. Sollten sich die Unternehmen darauf beschränken, die bald neu gewonnenen Margen eins zu eins als Gewinne zu verbuchen bzw. an ihre Aktionäre weiterzureichen, ohne neue Jobs zu schaffen, dann würden sie damit das liberale Credo nachhaltig diskreditieren.
Wenn der Zweck vielleicht die Mittel heiligt, dann gilt das nur, wenn der Zweck am Ende auch erfüllt wird. Die Unternehmen sollten sich des Vertrauens würdig erweisen. Hier geht es nicht nur um Soziale Verantwortung. Auf dem Prüfstand steht hier auch die Soziale Marktwirtschaft insgesamt.
Roger Pint - Bild: Achim Nelles/BRF