Eine Islamische Republik Iran, die über Atomwaffen verfügt, das kann niemand wollen.
Eine schiitische Bombe würde das ohnehin äußerst prekäre geopolitische Gleichgewicht im Nahen Osten sofort aus den Fugen hebeln. Postwendend würde nämlich ein Rüstungswettlauf in Gang gesetzt. Allen voran der große sunnitische Widersacher Saudi-Arabien würde alle Mittel in Bewegung setzen, um nuklear gleichzuziehen. Die Türkei könnte sehr schnell folgen.
Und dann gibt es dann noch das Kapitel Israel. Eine iranische Bombe wäre eine existentielle Bedrohung für Israel. Man kann dagegenhalten, dass Israel doch selbst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit über Atomwaffen verfügt. Eine Diskussion darüber würde an dieser Stelle zu weit führen. Sagen wir mal so: Mag sein! Aber daran ist jetzt nunmal nichts mehr zu ändern.
Es gibt aber vor allem ein rechtliches Argument, das den Iran von Israel unterscheidet: Israel hat den Atomwaffensperrvertrag nie unterzeichnet, der Iran sehr wohl, ebenso wie im Übrigen alle anderen arabischen Länder in der Region. Würde der Iran dieses Abkommen brechen, dann sähe sich im Nahen Osten und darüber hinaus wohl niemand mehr daran gebunden. Und dann würde schnell aus einem Pulverfass eine atomare Hexenküche.
Untrügerisches Zeichen dafür, dass es hier um das große Ganze geht, ist wohl allein der Umstand, dass nicht nur die westlichen Staaten, also genauer gesagt die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, da Druck auf Teheran ausgeübt haben, sondern eben auch Russland und China.
Jetzt also, nach 13 Jahren, endlich ein Abkommen. Das sieht, grob zusammengefasst, strenge Beschränkungen für die iranische Atomindustrie vor. Die Anlagen müssen so weit zurückgebaut werden, dass es dem Land nicht mehr möglich ist, in großem Stil hochangereichertes Uran zu produzieren.
Aber: Man hört es schon raus: Der Iran muss nicht auf seine gesamte Nuklearindustrie verzichten. Das war ursprünglich mal das Maximalziel, nur hätte Teheran wohl nie ein solches Abkommen hingenommen.
Realpolitischer Ansatz
Deswegen hat man sich also für den realpolitischen Ansatz entschieden: die Deckelung. Die Tatsache, dass der Iran Atomanlagen behalten darf, geht aber mit strengen und mitunter unangemeldeten Kontrollen einher - und zwar durch die Internationale Atomenergie-Behörde. Die Kontrolleure sollen sogar im Zweifel Zugang zu militärischen Einrichtungen bekommen können. Im Gegenzug werden die Wirtschaftssanktionen gegen Iran schrittweise aufgehoben.
So! Was ist davon zu halten? "Gar nichts!", sagt der Pessimist. Aus dem Irak weiß man längst, wie spielend leicht das einstige Saddam-Regime die Kontrolleure seinerzeit hinters Licht geführt hat. Die Tatsache, dass der Iran weiter über Atomanlagen verfügen wird, ist, so sagen die Kritiker, eigentlich nur eine Einladung, weiterhin im Verborgenen weiterzumachen. Man hätte niemals einen Deal eingehen dürfen, erst recht nicht mit einem Regime, das für seine Menschenrechtsverletzungen bekannt ist, zudem in großem Stil Terrorismus gesponsert hat und in allen Konflikten der Region, sei es in Syrien, Libanon, Jemen oder dem Irak, die Finger im Spiel hat.
Mag sein, dass der Iran nur die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen erwirken wollte, um in einer ersten Phase mehr Geld für seine Stellvertreterkriege zu haben, und um – einmal wiedererstarkt - dann sein Atomwaffenprogramm wieder aufzunehmen. Man weiß ja jetzt, wie es geht. Nach dem Motto also: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Mag alles stimmen. Doch die Alternative wäre in einem Wort zusammengefasst: Krieg.
Wie eingangs gesagt: Eine Iranische Bombe wäre ein geopolitischer Albtraum. Wenn man also die Mullahs davon abhalten will, zur Nuklearmacht aufzusteigen, und der Iran trotz Sanktionen und internationaler Isolierung weiter an der Bombe baut, dann läuft es auf eine militärische Intervention hinaus. Israel – und damit verbunden wohl die USA - hätte im Zweifel nicht davor zurückgeschreckt. Der Iran ist allerdings nicht der Irak von Saddam: Das Land ist 55 Mal größer als Belgien, hat knapp 80 Millionen Einwohner und ist hoch gerüstet. Außerdem hätte ein neuer Krieg am Golf unter Garantie definitiv einen Flächenbrand ausgelöst.
Deswegen ist das Abkommen von Wien eben auch so historisch. Es ist ein Sieg der Diplomatie in einer Zeit, wo man eigentlich den Eindruck haben kann, das überall auf der Welt die Tauben von den Falken gefressen werden. Und, kleine Klammer: Dass Russland und die USA in dieser Angelegenheit - trotz des Kriegs in der Ostukraine - an einem Strang gezogen haben, gibt Hoffnung.
Das Abkommen mit dem Iran zeigt, dass beharrliche diplomatische Bemühungen – freilich flankiert von drakonischen Sanktionen - doch zum Erfolg führen können. Wichtig ist aber vor allem, dass der Iran wieder in die Staatengemeinschaft aufgenommen wird, dass man zumindest miteinander redet.
Fazit: Mag sein, dass sich das Abkommen am Ende als Makulatur erweist. Man musste es aber wenigstens versuchen.
Roger Pint
Iran ist bestimmt kein demokratischer Musterknabe. Es gibt aber Länder, die wesentlich gefährlicher sind als Iran. Da wäre das Nachbarland Pakistan. Ein Pulverfass, das ebenfalls die Atombombe hat. Oder auch Nordkorea mit einem total verrückten Diktator.
Iran hat bis jetzt keine Angriffskriege geführt in der Region. Der Irakisch-iranische Krieg in den achtziger Jahren hatte der damalige irakische Diktator Sadam Hussein angefangen und wurde sowohl von westlichen als auch von kommunistischen Ländern unterstützt. In diesem Zusammenhang sollte man Irans Atomprogramm sehen. Es ist nichts weiter als die übliche Abschreckungsstrategie.
Man braucht den Iran als Verbündeten gegen den IS. Und der ist wesentlich schlimmer als die Mullahs in Teheran. Die US-geführten Kriege in Iran, Afghanistan ode Libyen haben die Region mehr destabilisiert als Irans Politik. Die USA haben ja noch nicht mal gewonnen und sich somit unglaubwürdig gemacht.
"Dem Iran wird damit ein sicherer Weg eröffnet, Atomwaffen zu erlangen", kritisierte Netanjahu am Dienstag in Jerusalem. Viele der Beschränkungen, die genau das verhindern sollten, würden nun aufgehoben. "Der Iran gewinnt den Jackpot, Hunderte Milliarden Dollar, mit denen das Land weiter Aggression und Terror in der Region und der Welt vorantreiben kann. Dies ist ein schlimmer Fehler historischen Ausmaßes."
Netanyahu hat Recht. Damit wird Irans Terror legitimiert und finanziert. Die iranische Bombe wird kommen. Und eines der wichtigsten Ziele der Islamischen Republik ist nach wie vor die Auslöschung Israels.
Das "schlimmste", was Israel passieren könnte, wäre der totale Friede mit seinen Nachbarn. Dann bräuchte es keine hochgerüstete Armee mehr, die das Land zusammenhält wie eine Klammer. Dies weil Israel ein Einwanderstaat ist mit Juden aus den verschiedensten Ländern und Kulturkreisen.