Im Griechenlandpoker geht es längst nicht mehr um Renten oder Mehrwertsteuer. Die Syriza-Regierung hat seit ihrem Amtsantritt so viel diplomatisches Porzellan zerschlagen, dass mit ihr nichts Ernsthaftes mehr zu machen ist. Was soll man Premier Tsipras und seinem Finanzminister Varoufakis überhaupt noch glauben? Auf jede noch so zaghafte Annäherung mit den Geldgebern folgte postwendend deren Brüskierung. Diese Trickserei ist dann auch das erste Grundübel im Griechenland-Drama. Dass der IWF und die Euroländer über jedes griechische Stöckchen springen, ist das zweite.
Griechenland hat den Euro missbraucht und gönnte sich bis zur Krise exorbitant steigende Löhne und Staatsausgaben. Das Geld floss nicht in nachhaltige Investitionen, sondern blähte den Staatsapparat auf. Und der ist bis heute vor allem eines: ineffizient. Griechenland ist schlicht unfähig, sich nach EU-Standard selbst zu verwalten. Man könnte noch so viele Hilfsmilliarden nach Athen überweisen, sie würden doch nur versanden. Daher macht derzeit auch ein Schuldenschnitt keinen Sinn. Griechenland stände in wenigen Jahren genau da, wo es jetzt steht.
In der aktuell aufgeheizten Stimmung wird es wohl nicht so schnell gelingen, den Staatsapparat von Grund auf neu zu gestalten. Zumal in Griechenland historisch bedingt noch zu viele Bürger den Staat als „Dieb“ und Steuertricksereien als Ehrensache betrachten.
Wer die widerlichen Plakate sieht, mit denen die Syriza-Anhänger für ein „Nein“ beim Referendum am Sonntag werben, dem wird klar, dass Griechenland noch einen langen Weg vor sich hat, bis es das eigene Versagen annimmt und gegensteuert. Stattdessen scheint es einfacher, die Schuld bei den Gläubigern zu suchen. Und ja, auch die Eurozone, der IWF und die EU-Kommission haben Fehler gemacht. Sie haben nicht nur Griechenlands Reformfähigkeit weit überschätzt, sie haben außerdem den Eindruck erweckt, dass Griechenland Mitglied der Eurozone bleibe muss – koste es, was es wolle, auf Biegen und Brechen.
Im Brechen von Regeln haben die Euroländer Erfahrung. Der Euro sollte einmal funktionieren, wenn die Mitgliedsstaaten ihre Staatsverschuldung nicht ausufern lassen. Doch diese Grenzen haben Deutschland und Frankreich selbst in der Vergangenheit in den Wind geschlagen. Alles in dem Irrglauben, dass Politik ökonomische Grundgesetze dauerhaft außer Kraft setzen könnte.
Auch im Fall Griechenland ist die Eurogruppe wieder bereit, sich bis hin zur Selbstverleumdung zu verbiegen. Was ist eine EU wert, die nicht einmal ihre eigenen Regeln einhalten kann? Eine EU, deren Mitgliedsländer die Gemeinschaft mit Füßen treten, sobald sie nicht mehr dem eigenen Profit dient? Da kann auch der vehementeste Europa-Befürworter zum Skeptiker werden.
Die Griechenlandkrise vergiftet die Atmosphäre überall in Europa. Geberländer, die mitunter ärmer sind als Griechenland, wollen nicht weiter zahlen. Griechenland will die Vorzüge des Euros nicht mehr hergeben.
Um die europäische Idee zu retten, braucht Europa vielleicht doch endlich eine klare Kante: ein „bis hierher und nicht weiter“. Dann müsste Griechenland den Euro aufgeben. Auch um den Preis, dass es mit dem Land zunächst weiter abwärts geht. Darin steckt zumindest die Chance, sich neu zu erfinden, endlich wirtschaftlichen Aufschwung zu erleben und europäische Werte wiederzuentdecken. Das heißt für Griechenland: Schluss mit Tricksereien und stattdessen eine solide Verwaltung und Haushaltsplanung schaffen. Dann erst kann und muss es einen Schuldenschnitt für Griechenland geben.
Und Europa dürfte mit dem „Grexit“ unterstreichen, dass Europa nur funktioniert, wenn man es ernst meint mit den gemeinsamen Regeln.
Olivier Krickel
Ich hätte nicht gedacht, dass die Einseitigkeit der Berichterstattung noch gesteigert werden könnte. Starke Leistung.
IWF, EZB und Eurogruppe sind in ihrem humanitären Kern kaum von den Johannitern zu unterscheiden. Die griechische Regierung macht sich einen Spaß daraus, wirtschaftliches Harakiri zu begehen. Und die Welt ist eine Scheibe. Wahrscheinlich Feta.
Wie schön es doch ist, komplizierte Fragen mit einfachen Antworten zu bedenken. Dann bleibt auch genug Zeit für andere DInge.
Ich halte es für gut möglich, dass es bei der Volksabstimmung ein deutliches "Ja" zu den Sanierungsplänen der EU gibt. Denn es ist das kleinere Übel für die Menschen. Ich vertraue auf die Vernunft. Ein "Nein" wäre der Anfang von sozialen Unruhen und Bürgerkrieg.
Mich wundert es schon, dass die aktuelle linkgerichtete griechische Regierung noch nicht mal bereit ist, eine funktionierende Steuerverwaltung aufzubauen. Eine funktionierende Verwaltung ist doch die Grundvoraussetzung eines jedes Staatswesens. Wer das nicht begreift, hat nichts begriffen vom Regieren und Verwalten. Mit dem Mundwerk alleine geht es nicht.
Die meisten Revolutionen in der Weltgeschichte haben mit Finanzproblemen begonnen, wie zum Beispiel die Französiche Revolution oder der Unabhängigkeitskrieg der USA, und haben zu Veränderungen geführt, die vorher kein Mensch für möglich hielt, sowohl im posiven als auch im negativen.