Es ist normal und vernünftig, dass man Einschnitte in Entwicklungen dazu nutzt, eine Neuausrichtung anzugehen und neue Potentiale zu erschließen.
Im Falle des Verkehrsamtes der Ostkantone wird derzeit ein Einschnitt vollzogen. Es ist der personelle Wechsel in der Geschäftsführung des Amtes nach der Pensionierung von Direktor Manfred Dahmen.
Über eine ganze Generation hinweg hat Dahmen das Tourismusgeschäft in der Region aufgebaut, professionalisiert, Kooperationen angestoßen und dem Tourismus in den Ostkantonen ein Gesicht gegeben. Wohlgemerkt und nicht von ungefähr unter dem Label Ostkantone.
"Marke" Ostkantone
Auch wenn der historische Begriff nicht mehr in die institutionelle Terminologie des Landes passt und mittlerweile altbacken klingen mag: Er ist zum Aushängeschild unseres touristischen Angebotes geworden.
Er hat sich eingeprägt - im In- und Ausland und vor allem bei der wichtigsten Zielgruppe von Feriengästen und Tagestouristen, die man seit jeher anpeilt: nämlich bei den Urlaubern aus Flandern und den Niederlanden.
Wenn Flamen über unsere schöne Natur, ihre Rad- und Wanderwege oder die gute Küche ins Schwärmen geraten, nehmen sie fast ausnahmslos und spontan den Begriff "Oostkantons" in den Mund, nicht Ostbelgien und schon gar nicht DG.
Hinter dem Begriff steckt also mit Sicherheit mehr, als er erahnen lässt: Er ist zugleich Markenname und Werbeträger. Will man ihn streichen und durch Ostbelgien ersetzen, ist das von der Vermarktung her nicht ganz ohne Risiko und auf jeden Fall gewöhnungsbedürftig.
Wenn aus dem Verkehrsamt der Ostkantone eine Tourismus-Agentur wird, kann man durchaus Verständnis dafür haben. Immerhin klingt Agentur zeitgemäßer und auch dynamischer als ein Amt es vermitteln kann. Aber Begriffe sind natürlich nicht alles. Sie sind oft vordergründig und nur Teil eines Ganzen. Aber: Sie sind auch Ausdruck einer Philosophie.
Magneten Malmedy und Weismes
Viel wesentlicher ist das, was dahinter steckt. In diesem Falle ist die Stoßrichtung die: Das neue Verkehrsamt, also die Tourismusagentur, soll sich bei der touristischen Produktentwicklung auf die neun deutschsprachigen Gemeinden fokussieren.
Hier sind die frankophonen Nachbargemeinden Malmedy und Weismes - die bisher als vollwertige Partner mit im Boot saßen - nicht mehr automatisch dabei, sondern nur noch bei der Vermarktung.
Hier wird die Reform schon bedenklicher. Denn Malmedy und Weismes als bloßes Anhängsel ausgrenzen, das ist weder realistisch noch fair. Vor allem Malmedy und sein direktes Umfeld sind ein Touristenmagnet und ziehen an normalen Tagen mehr Besucher an als St.Vith und Eupen zusammen.
Es ist nicht zuletzt auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Von den neun deutschsprachigen Gemeinden sind nur wenige echte touristische Renner, bestenfalls der Süden der Eifel, der ohnehin eng mit dem Malmedyer Land verwurzelt ist. Der typisch belgische Weg "Erst dividieren und dann Kooperationen schließen" ist im Tourismus ein unsinniger Umweg.
Tourismus ist nicht Politik
Auf vielen politischen Feldern hierzulande lässt sich ein eigenständiges Vorgehen nicht mehr vermeiden, aber der Tourismus ist eben anders gestrickt. Er lässt sich nicht in subregionale Grenzen einengen. Er sieht über den Tellerrand hinaus.
Und wenn die Politik es nicht tut, tun es die Touristen. Sie scheren sich nicht um institutionelle Vorgaben. Sie wollen eine Region großräumig erleben und auch so beworben werden. Nicht von ungefähr setzt man ja seit Jahren auch in der Region mit Erfolg auf Zusammenschlüsse über Grenzen hinweg - weil sie sinnvoll sind und sich bewährt haben.
Sicher, man ist bemüht, die Reform mit den politischen Sachzwängen und der institutionellen Dynamik in der DG zu begründen. Aber ist es nicht - wie so oft - bloßer Selbstzweck?
Wenn der Verwaltungsrat des Verkehrsamtes im kommenden Frühjahr über die Reform abstimmen wird, sollte er sich die Sache genau überlegen.