Der Etat 2010: solide oder auf Sand gebaut? Die Realität in den nächsten zwölf Monaten wird es zeigen, alles andere ist eine Frage des Standpunktes und des Glaubens. Weil es letztlich in diesen Krisenzeiten eine Rechnung mit vielen Unbekannten ist. Dafür allerdings ist niemand in dieser Gemeinschaft verantwortlich zu machen - auch die Regierung nicht.
Der Debatten-Marathon zum Etat wurde überstrahlt durch die Diskussionen um den Parlamentsumzug. Im Nachhinein darüber Klage zu führen, dass den wichtigeren Themen nicht genügend Raum gegeben wurde, ist verzerrend und unredlich. Denn die Mehrheit hat sich das 22,5-Millionen-Problem selbst eingebrockt. Innerhalb weniger Tage reifte die Einsicht, dass ein solches Vorhaben gegen den Willen einer breiten Mehrheit in der Bevölkerung nicht durchzusetzen ist. Also: Salto rückwärts statt Salto mortale. Der Bürger-Protest ist in seiner Dynamik beispiellos in der Geschichte der DG. Und er zeigt, dass der Bürger gegenüber der Politik doch nicht machtlos ist.
Ein anderes - höchst umstrittenes - Projekt, das Regierungsgebäude Gospert 42, ist längst Wirklichkeit geworden: 7,5 Millionen Euro hat es gekostet. Für die einen das Paradebeispiel von Prunk und Protz, für den Ministerpräsidenten eine gelungene Investition. Die Direktoren von Arbeitsamt und Krankenhaus säßen in prächtigeren Büros als er, stellte der MP in den Raum. Selbst wenn es so sein sollte, was zu recherchieren ist, kann eine solche Argumentation nicht durchgehen. Hier geht es um das Regierungsgebäude: Und dazu müssen kritische Fragen erlaubt sein. Welcher Direktor sich wie möbliert, ist ihm beziehungsweise seinen Aufsichtsräten zu überlassen. Sie haben zu entscheiden, was angemessen ist. Und wenn in diesem Zusammenhang tatsächlich öffentliche Gelder verschwendet würden, wäre die Aufsichtsbehörde am Zuge. Aber da hat man bislang nichts gehört ...
Kurzum: Positiv erscheint, dass der Haushalt 2010 trotz erheblicher Sparzwänge nicht auf drastische Kürzungen setzt und mit einer eher moderaten Neuverschuldung auskommt. In einigen Bereichen allerdings tut das Sparen doppelt weh. Der neue Sozialminister Mollers verwies darauf, dass die Sozialhilfedotation von 2008 auf 2009 um hundert Prozent aufgestockt wurde. Vor diesem Hintergrund müsse man die zweiprozentigen Kürzungen der Zuwendungen an die Öffentlichen Sozialhilfezentren sehen.
Rundum positiv: die konsequente Linie, den Bildungsbereich weiter zu stärken und von Streichungen zu verschonen. Das ist eine unbestritten richtige Investition in die Zukunft.
Was auch dieser Debatte fehlte: das grundsätzliche kritische Hinterfragen des geistigen politischen Klimas in der DG. Der Herausgeber der Literaturzeitschrift "Krautgarten", Bruno Kartheuser, fühlt sich und die DG-Bürger unter einem künstlichen Plastikdeckel, den die Autonomie uns auf den Kopf gesetzt habe. So formuliert Kartheuser es in einem Grenz-Echo-Gespräch. Erst wenn dieser Deckel weg sei, könnte man wieder frei atmen, wie das in anderen Regionen um uns herum der Fall sei.
Tatsächlich: Was fehlt, ist der offene, angstfreie und politikübergreifende Diskurs in intellektueller Freiheit. Weil eben alles so verschachtelt oder miteinander verflochten ist, scheut so mancher das offene Wort. Auch, weil dann in der politischen Replik bisweilen unverhohlen gedroht wird. Genau in diesem Bereich müsste sich Grundlegendes ändern, müsste ein anderer Geist von Toleranz und Meinungsoffenheit einziehen. Dann könnte man - ohne persönlichen Groll und Konsequenzen befürchten zu müssen - mit Sachverstand und Emotionen über den Haushalt debattieren. Um möglicherweise - wie in diesem Fall - zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass es uns in dieser Gemeinschaft dann doch gar nicht so schlecht geht ...
Haushalt 2010 - ist er zu stemmen? Ein Kommentar
Der Haushalt 2010 ist verabschiedet - mit den Stimmen der Mehrheit. Wie dünn ist das Eis, auf dem wir uns bewegen? Und wie ist es - auch vor dem Hintergrund der Diskussionen um Parlament und Sanatorium - um das politisch-gesellschaftliche Klima in der DG bestellt?