Eine vorsitzende Richterin im Brüsseler Handelsgericht, die für ihren Bruder bürgte und deshalb erpressbar sei. Ein Rechtsanwalt, der sein Geld mit der Suche nach Schwarzgeld macht, im Auftrag seiner Mandanten, etwa geschiedene Ehefrauen oder frühere Teilhaber, die sich geprellt fühlen. Ein Polizeichef, der laut denkt, dass beide unter einer Decke stecken, etwa dadurch, dass die Richterin dem Anwalt zu Expertisen und Durchsuchungsbefehlen verhilft.
Die Richterin zeigt den Polizeichef daraufhin des Rufmordes an und lässt mitverstehen, der Polizeichef wolle dem Anwalt ans Leder und benutze sie dafür, um laufende Verfahren zu Fall zu bringen. Laufende Verfahren gegen wen? Gegen zwei seiner Spezis.
Nein, kein Tarantino-Drehbuch, sondern belgische Wirklichkeit. Dabei ist es für diesen Kommentar eigentlich zweitrangig, ob die gegenseitigen Anschuldigungen nun stimmen oder jeder Grundlage entbehren. Entscheidend ist, dass es sie gibt und zudem in aller Öffentlichkeit.
Das weckt Erinnerungen an die Dutroux-Affäre. Erinnern Sie sich an den Satz des Vorsitzenden des Dutroux-Ausschusses an die Untersuchungsrichterin Doutrewe und den Gendarmen Lesage: "Einer von euch beiden lügt!"
Zugegeben, jeder Vergleich hinkt, aber war der Dutroux-Skandal nicht auch die Folge von Rivalität zwischen Gendarmerie und Justiz, vielmehr als eine Rivalität unter Polizeikorps, als der sie der Öffentlichkeit präsentiert wurde? Ist es verwegen, diese Affäre als eine Spätfolge des Versuchs der Aufarbeitung des Dutroux-Skandals zu betrachten?
Nach dem Martyrium der Kinder war der Gendarmerie die Hauptwucht der Entrüstung entgegengeschlagen. Sie ging in einer neuen Struktur auf, und der Staat nutzte die günstige Gelegenheit, die Kosten auf die Kommunen abzuwälzen. Diese wurden mit dem Privileg geködert, Bagatell-Delikte ahnden zu dürfen - doch von Aufarbeitung keine Spur.
René Michaux, der Ermittlungsbeamte, der unter einem Vorwand im Keller war, fiel zunächst einer Depression und dann dem Krebs zum Opfer, und wird nicht mehr reden. Die ergeizigen Gendarmerie-Offiziere, die die Beschattungsaktion des verdächtigen Sexualverbrechers aus Marcinelles unter dem Code-Wort "Otello" kommandierten, sind erneut in Ämtern und Würden, meist höheren.
Der Justiz war ein "hoher Justizrat" verordnet worden, der dort alles zum Besseren wenden sollte, während Justizministerin Onkelinx sich hoffnungslos in den Fallstricken von Hardware und Software verheddert. Auch Stefan De Clerck wird es wohl kaum gelingen, die dritte Macht im Staate zu informatisieren.
Überhaupt, De Clerck: Kein Mann, um mit ihm in Urlaub zu fahren, scheint er doch der geborene Pechvogel. Erst Dutroux, dann dessen Fluchtversuch, und jetzt Frau De Tandt und Polizeichef Audenaert. Dieser übrigens ähnlich den Gendarmerieoffizieren der Othello-Aktion und der allwissenden zentralen Datenbank, ein Mann voller Ambitionen, womit er gerne kokettiert.
Jetzt also hat De Clerck der Staatsanwaltschaft den offiziellen Auftrag erteilt, Ermittlungen aufzunehmen. Dabei weiß er, dass dies die gleichen sind, die bisher die Offenlegung der Peinlichkeit einer verschuldeten und somit erpressbaren Richterin schleifen ließen, wenn man dem Polizeichef glaubt.
Vor allem aber ist De Clerck der Dienstherr der Einrichtung, die auf Justizebene die Folgen des Dutroux-Affäre abfedern sollte, nämlich des hohen Justizrates. Der hat der Ernennung der Richterin zugestimmt und verteidigte sich mit dem Hinweis darauf, für eine Überprüfung nicht alle Befugnisse zu haben. Zur Zeit gibt es stressfreiere Jobs, als den eines belgischen Jusitzministers.
Korruption und Bestechung: der Fall De Tandt - ein Kommentar
In dieser Woche gab Justizminister Stefan De Clerck seine Zurückhaltung auf. Er will die Vorwürfe gegen die Vorsitzende des Brüsseler Handelsgerichtes Francine De Tandt überprüfen lassen.