Hätte man ein Tippspiel zum Ausgang der Wahlen in der DG veranstaltet, wäre es zu einer äußerst bescheidenen Gewinnausschüttung gekommen. Kaum jemand hätte auf einen Regierungswechsel gewettet. Schon vier Tage nach dem erwarteten Wahlausgang ist alles, fast alles, klar: Die alte Regierung ist auch die neue - mit einigen Verschiebungen innerhalb der Koalition, die allerdings nicht zu unterschätzen sind.
Erkenntnis eins: Karl-Heinz Lambertz bleibt die starke Nummer eins: darüber hat es eigentlich nie einen Zweifel gegeben. Der Ministerpräsident hat nicht zuletzt durch einen beträchtlichen Zuwachs an Vorzugsstimmen, aber auch aufgrund des Verhaltens seiner Gegner wie Mitstreiter an Einfluss und Macht gewonnen. Ohne ihn geht in dieser DG absolut gar nichts. Lambertz' Stärke resultiert nicht nur aus seiner Kompetenz und seinem ausgeprägten Machtinstinkt, sondern auch aus den Schwächen der Konkurrenz.
Erkenntnis zwei: Lambertz' Kronprinz, Oliver Paasch, hat die PDB-Nachfolgeformation ProDG zu einem bemerkenswerten Wahlerfolg geführt. Paasch und seine Leute präsentierten sich jung, frisch, selbstbewusst und konnten dabei vor allem auf die überzeugende Unterrichtspolitik ihres Leaders bauen. Der wiederum blieb gegenüber Lambertz loyal und schärfte dennoch das eigene Profil. Paasch empfahl sich für die kommende Legislatur als potenzieller MP und sorgte dafür, dass ProDG mit Harald Mollers einen zweiten Gemeinschaftsminister stellen darf.
Erkenntnis drei: Die PFF ist nur noch der dritte Partner im Koalitionsbund. Die Liberalen schrumpften und müssen sich mit einer Ministerin begnügen. Spitzenkandidat Ferdel Schröder scheiterte mit seinem Versuch, den Parteikollegen Bernd Gentges als Vize-Ministerpräsident zu beerben. Schröder darf jetzt den obersten Repräsentanten der Gemeinschaft, den Parlamentspräsidenten, geben: eben repräsentieren, aber nicht regieren. Und weg ist für die PFF auch das Amt des Gemeinschaftssenators: Berni Collas tritt es frustriert an Louis Siquet ab.
Die PFF will aus diesen Niederlagen lernen und sich erneuern. Das versprach die designierte neue Parteipräsidentin, Kattrin Jadin. Ihr, der jungen Kammerabgeordneten, trauen die Liberalen offensichtlich am ehesten zu, den Karren wieder flott zu machen. Man darf gespannt sein.
Erkenntnis vier: Die nach wie vor größte, aber in den letzten zehn Jahren beängstlich schwächelnde politische Kraft Ostbelgiens, die CSP, ist untergetaucht. Nach der eingestandenen Wahlniederlage wird immerhin analysiert, woran es gelegen haben mag, dass der angestrebte Wechsel von der Oppositions- auf die Regierungsbank scheiterte. Fest steht: Viele konservative Wähler haben den Christlich-Sozialen ihre Gefolgschaft verweigert und trauen der Konkurrenz einfach mehr zu. Da half auch keine Finanz- oder Wirtschaftskrise. Spitzenkandidatin Patricia Creutz stieß an ihre Grenzen und die ihrer Partei. Sie muss ihre Konturen besser herausarbeiten, Themen stärker besetzen und den jungen Talenten eine wirkliche Chance bieten. Sonst geht die Talfahrt unaufhaltsam weiter.
Erkenntnis fünf: Ecolo ist trotz der Rückeroberung des dritten Sitzes nicht der erwartet deutliche Befreiungsschlag gelungen. Franziska Frantzen und Co. erzielten einen Achtungserfolg - nicht mehr und nicht weniger. Zweifellos: Sie tun der DG-Demokratie gut, die Grünen, aber ihr Einfluss aus der Opposition heraus wird bescheiden sein. Das gilt auch für Vivant, die sich halten konnten.
Abschließende Erkenntnis: Trotz Krisenzeiten und schwieriger finanzieller Rahmenbedingungen wird die neue DG-Regierung erst einmal schalten und walten können, wie sie möchte. Es ist zunächst niemand in Sicht, der ihr das Wasser abgraben könnte.
Die Erkenntnisse nach den Wahlen und der Koalitionsbildung - Ein Kommentar
Die Stärke der alten und neuen DG-Regierung ist auch die Schwäche der Opposition. Und das obwohl die fortbestehende Koalition mit einem deutlich geschwächten Partner arbeiten muss. Die Liberalen stehen am Scheideweg. Und das gilt in der Opposition auch für die unaufhaltsam ins Tal fahrende CSP, meint Rudi Schroeder in seinem Wochenkommentar.