Weshalb dieser Blick auf die flämische Politik? Nun, weil dort die politische Landschaft aufgesplittert ist und weil die so genannten klassischen Parteien schwach sind. Und weil die Erwartungen, mit denen das Kartell die Wähler geködert hatte, sich erwartungsgemäß nicht erfüllten.
Und so sind die Auswirkungen der föderalen Politik auf die regionalen und die Europawahlen nicht abzuschätzen. Da zeigte sich schon mal eine ganze Reihe von Akteuren erleichtert, dass der zuletzt aufgetretene Störfaktor Dedecker sich selbst ausgeschaltet hatte, weil er einen anderen Politiker - zudem seinen liebsten Feind, Außenminister De Gucht - hatte beschatten lassen, durch einen Privatdetektiv, wie es in ersten Darstellungen hieß.
"Gestapo-Manieren", hatte De Gucht gekontert. Und viele konnten dessen Reaktion nachvollziehen. Doch dann begannen eigentlich erst De Guchts Probleme: Denn es war kein schnüffelnder Observant mit Teleobjektiv auf Jagd nach kompromittierenden Fotos von de Gucht oder gar seiner etwas schillernden Frau Mireille, der den Hintergrund bildete.
So konnte Dedecker dann auch wieder punkten, wo er das am besten kann, als Liberaler der alten Schule: Nie und nimmer würde er sich um das Privatleben anderer kümmern, das sei ihm piepegal, hörte er nicht auf zu hämmern, er, der seine Ja-Stimme zur Schwulenehe mit dem zweifelhaften Bonmot versehen hatte, jeder habe Anrecht auf sein eigenes Unglück (iedereen heeft recht op zijn eigen miserie).
Mit solchen Machosprüchen konnte er aufbauen auf frühere Sprüche wie "Freie Fahrt für freie Bürger", zwar nicht in diesem Wortlaut aus dem vorigen Jahrhundert, aber so ungefähr. Das war übrigens das, was ihn populär gemacht hatte, sein Eintreten gegen die Bußgelder, die in ihrer ersten Fassung besonders überzogen und sozialfeindlich waren.Der SPA-Minister Landuyt hatte diese eingeführt, und so muss sich die SPA an die eigene Nase fassen, einen ernstzunehmenden Konkurrenten herangezüchtet zu haben.
Genauso wie De Gucht sich an die Nase fassen muss, weil er ihn in seine Open VLD geholt hatte, und ihm somit, als er der Partei polternd den Rücken kehrte, eine richtige Tribüne verschaffte. Und jetzt hat De Gucht ihn gleich zweimal erneut im Nacken: weil er sich zum Gestapo-Vergleich hinreißen ließ und sich somit doch etwas unbeherrscht zeigte, und weil es Dedecker inzwischen gelungen ist, den Eindruck zu erwecken, den Ball zu spielen und nicht den Mann.
Etwas, was ganz aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden war, geisterte in dieser Woche über die spätabendlichen Bildschirme der VRT. Und floss in dieser Woche aus der vitriolhaltigen Feder Rik Van Cauwelaerts, dem Kommentator des Magazins Knack, einem der einflussreichsten Meinungsmacher in Flandern: dass der Steuerzahler eine 1,5 Millionen Euro-Miete für das Gerichtsgebäude in Veurne zahlt, an eine Firma im steuerfreundlichen Irland.
Und dass die blau-rote Regierung mit den Gegenzeichnungen von Finanzminister Reynders und Justizministerin Onkelinx zwischen 2001 und 2005, neben dem Gerichtsgebäude in Veurne, insgesamt für ungefähr eine Milliarde Euro Gebäude der öffentlichen Hand verkaufte, für 45 Millionen allein an die besagte Firma, die über ein Eigenkapital von nur 20.000 Euro verfügte.
Ob De Gucht etwas mit dieser Firma zu tun habe, sollte die Detektivin in den Akten überprüfen. Was Dedecker die Möglichkeit eröffnete, maliziös zu vermerken, die Detektivin habe den Wirrwarr nicht durchschauen können. Womit Dedecker wieder in seiner Paraderolle auftrumpfen kann. Dann kann er auch verschmerzen, dass er durch einen Überläufer keine Fraktionsstärke mehr in der föderalen Kammer hat, wenngleich das ein Loch in die Kasse schlägt, dafür kann er aber mit dem messerscharf argumentierenden Zyniker und Kolumnisten Derk-Jan Eppink einen früheren EU-Kommissions-Insider als EU-Kandidaten aufbieten.
Dass das stets freche und anregende Magazin "Humo" jetzt mit dem Vorabdruck der dunklen Seiten des früheren Judotrainers beginnt, dürfte dem als Büffel titulierten Storyhelden am Ende noch schmeicheln, auch, wenn er dort als jemand geschildert wird, der sich bei Sport und Sportförderung auch selbst nicht übergangen hat.
All das dürfte ihn nicht auf die Matte werfen, seine Gegner müssen sich weiter ärgern und ihm wohl oder übel einen großen Teil der Protestwähler überlassen.