Sie hat glorreichere Zeiten gekannt, die belgischen Autoindustrie - Zeiten, in denen Namen wie Imperia oder Minerva im gleichen Atemzug wie Voisin, Maybach oder Rolls-Royce genannt wurden und Luxusautos aus Antwerpener Fertigung sich an den Königs- und Kaiserhöfen Europas oder bei Filmstars und Industriellen in den USA größter Beliebtheit erfreuten.
Unter den Bewunderern und Besitzern eines Minerva war damals übrigens auch ein gewisser Henry Ford. Belgische Automobile hatte Weltruf erlangt. Minerva, um bei diesem Beispiel eines Autoherstellers aus Antwerpen zu bleiben, baute vor dem ersten Weltkrieg Luxuskarossen, die - als die meisten Autos noch von Hand mit einer Kurbel angelassen werden mussten - bereits bereits auf Wunsch elektrische Anlasser und auch eine Beleuchtung hatten.
Neben den recht primitiven Blattfedern, die damals in den PKW verbaut wurden, verfügten Minervas aus Antwerpen bereits über Stoßdämpfer und aufwendige Hinterachsgetriebe.
Qualität beim Autobau hatte Tradition im Land
Auch wenn heute nur Nostalgiker noch von Minervas Typen wie AKS, AL oder AH träumen, blieb Belgien als Standort von Montagewerken großer Automobilhersteller ein Begriff. Einziger Unterschied: Heute sind es ausländische Konzerne, die in Belgien fertigen lassen. Und das ist ein Umstand, der in Zeiten der Wirtschaftskrise zu einer Abhängigkeit, ja Hilflosigkeit führt, die uns derzeit schmerzlich - wieder in Antwerpen, der einstigen Minervastadt- vor Augen geführt wird.
Schmerzlich, weil man mit ansehen muss, dass die Entscheidungen über Zukunft oder Ende eines Produktionsstandortes weit weg von den Fabriken, in denen die Autos gebaut werden, fallen. Globalisierung nennen wir das heute. Antwerpen, dabei fällt den Wenigsten noch der Markenname Minerva ein, steht heute für Opel und das Montagewerk des US Autokonzerns General Motors.
Opel, die Konzerntochter - abhängig von Entscheidungen der Unternehmensführung in den USA. Und dort steht GM das Wasser bis zum Hals. Man wird die vielen Autos, die inzwischen riesige Areale füllen nicht mehr los. Es droht Insolvenz. Milliardenzuwendungen der US-Regierung waren und sind wohl noch nötig um den GAU, also ein völliges Ende von GM, mit all seinen sozialen Folgen bei weltweit mehren Hunderttausend Mitarbeitern des Konzerns, zu vermeiden.
Bangen bis Ende März
Deshalb muss saniert werden. Auch bei der Europäischen Tochter Opel. Mehrere Werksschließungen werden befürchtet. Ende März soll Klarheit herrschen. Bis dahin heißt es abwarten. Regierungen im In- und Ausland wollen mit Finanzspritzen Opel helfen. Sie streben sogar ein Herauslösen des Autobauers aus dem Konzern General Motors an, um einen eigenständigen Europäischen Fahrzeughersteller entstehen zu lassen.
Denn schaut man nur zu und wartet ab, dann droht der US-Konzern seine Tochterfirmen endgültig in die Existenzkrise zu treiben. Letztes Beispiel: der schwedische Autobauer Saab, der ebenfalls zu GM gehört. Mit Saab könnte der Überlebenskampf des US-Automobilriesen General Motors in Europa ein erstes prominentes Opfer fordern.
Die schwedische GM-Tochter steht als erster europäischer Autohersteller in der aktuellen Rezession heute vor dem Aus. Der Grund: Die schwedische Regierung hat sich geweigert, Saab zu helfen - und das, weil man vermeiden will, dass das Geld schwedischer Steuerzahler bei GM versickert.
Einzige Lösung scheint die Insolvenz zu sein. Und dass Saab mit einer eher bescheidenen Produktion von nur 125.000 Autos pro Jahr "lebend" aus einem Insolvenzverfahren herauskäme, ist schwer vorstellbar.
Und Opel Antwerpen?
Bei Opel Antwerpen ist noch bei weitem nicht sicher, ob man in den kommenden Wochen und Monaten eine Weiterbeschäftigung für die Mitarbeiter von Opel und seinen Zulieferfirmen sicherstellen kann.
Die derzeitige Wirtschaftskrise könnte für den Autobauer an der Schelde erneut fatal werden, so wie die Weltwirtschaftskrise 1929 den Tot der Antwerpener Fahrzeugnobelmarke Minerva besiegelt hatte.
Die Geschichte scheint sich zu wiederholen.