Seit Montag Nachmittag ist Belgien ein Stück mehr in den amerikanischen Afghanistan-Krieg verwickelt. Zwar stehen die 4 F 16-Kampfflugzeuge der NATO-Truppe zur Verfügung, die unter dem Namen ISAF den Wiederaufbau Afghanistans im Auftrag der UNO absichern soll, doch operieren neben diesen Streitkräften auch anglo-amerikanische Streitkräfte, die in Afghanistan den von US-Präsident Bush ausgerufenen "Krieg gegen den Terror" unter dem militärischen Namen "Enduring freedom" führen.
Doch beide Streitkräfte operieren nicht nur nebeneinander. Nach 6 Jahren paralleler Arbeit haben sich die Konturen verwischt. ISAF-Soldaten sind zunehmend zusammen mit amerikanischen Soldaten in Kämpfe verwickelt. Die Verquickung wird am deutlichsten dadurch, dass der amerikanische Verteidigungsminister Gates dem Oberbefehlshaber der ISAF die 18.000
amerikanischen Soldaten unterstellt hat.
Das weiß auch die belgische Regierung, ermächtigt sie doch die Piloten, in besonderen Fällen den amerikanischen Soldaten zu helfen und dies sogar im pakistanischen Luftraum. Die Erwartung, dass Belgien somit nicht den Soldaten des Pentagon zugerechnet wird - sicherlich aus Sicht der Afghanen - ist somit
falsch. Richtig dürfte die Annahme sein, dass Belgien sich damit dem Pentagon gegenüber gefällig zeigen kann, ohne ein großes Risiko einzugehen, was Verluste angeht: verfügen die Taliban doch über keine Flak beziehungsweise über keine Boden-Luft-Raketen, zumindest noch nicht.
So viel zur Beschreibung der Sachlage, die notwendig ist, um sich zu vergegenwärtigen, was sich zurzeit im belgischen Namen tut. Dies gutzuheißen oder zu missbilligen, entspricht einer Glaubensfrage: wird Belgien am Hindukusch verteidigt, um in Abwandlung den früheren deutschen Verteidigungsminister zu zitieren? Darf der 11. September ungesühnt bleiben? War Afghanistan das geeignete Ziel, Aufmarschgebiete von Terroristen zu bekämpfen? Soll man als mit Amerika befreundetes Land abseits stehen oder Solidarität zeigen?
All dies sind Fragen, die schon jede für sich nicht schlüssig beantwortet werden können. Doch was zutiefst schockierend ist, ist die Tatsache, dass die Afghanistan-Beschlüsse zu keinem Zeitpunkt Gegenstand einer gesellschaftlichen und parlamentarischen Erörterung gewesen sind. Was nicht heißt, dass eine solche Erörterung diese Fragen erhellt hätte. Auch war sie nicht zwingend notwendig, ist doch noch stets der Verfassungsartikel von 1830 in Kraft, der den Krieg dem alleinigen König anheimstellt, also der Regierung. Vom Parlament ist nicht die Rede, es sei denn, dass es informiert werden muss.
Doch in einer zeitgemäßen Demokratie darf dies einfach nicht der Fall sein. Dann reißen Unsitten ein, wie die von dieser Woche, als ein Generalleutnant der Entsendung von Bodentruppen in den Süden Afghanistans das Wort redete. Nun weiss man seit Clémenceau, dem großen Journalisten, Arzt und Politiker, dass der Krieg eine zu ernste Sache ist, um ihn den Militärs zu überlassen.
Da Regierung und Parlament schweigen, blickt jeder auf den, der laut und vernehmlich redet, dabei nicht frei von Eitelkeit: Pieter De Crem, den das führende politische Magazin "Knack" diese Woche "Kriegsminister" nennt. Bereitwillig hat der ausgewiesene Atlantiker De Crem dem Frust von Teilen der Streitkräfte Gehör geschenkt, die Armee habe kein bewaffneter Zivilschutz zu sein und auch kein technisches Hilfswerk im Ausland.
Pieter De Crem hat sich oft so und ähnlich geäußert. Diese Auffassung ist schon deshalb diskutabel, weil Belgien allein seit 1992 einunddreißig Soldaten bei Auslandseinsätzen verloren hat, zuletzt in dieser Woche im Libanon. Doch diskutiert werden darf und sollte über De Crems Auffassung. Für seine Auffassung ist er nicht zu rügen. Wohl aber dafür, dass er den Eindruck entstehen ließ, er tue es aus Eitelkeit, oder um seinem Vorgänger Flahaut eins auszuwischen bzw. sich von ihm abzuheben. Clémenceaus Zitat darf erweitert werden: "Der Krieg ist eine zu ernste Sache, um ihn Pieter De Crem zu überlassen." Auch wenn das zu kurz gegriffen ist. Denn in der Regierung sitzen schließlich noch andere Leute und andere Parteien als Pieter De Crem.