Zugleich gab Evers zu verstehen, dass er bei den nächsten Wahlen unter Umständen auf einer anderen Liste kandidieren würde - auf der Liste der neuen ProDG-Formation. Was dem aufsehenerregenden Zeitungsinterview folgte, waren Rechtfertigungen, Stellungnahmen, Schlichtungsversuche. Fred Evers hat sich noch einmal zu Wort gemeldet, wie man es von ihm kennt: unverblümt und unmissverständlich. Aber: was steckt hinter diesem Frontalangriff eines verdienten Politikers, der seinen Zenit längst überschritten hat?
Rudi Schroeder kommentiert:
Der Mann ist eine Wucht: knapp zwei Meter Länge, gut zwei Zentner Gewicht, reichlich 1.000 Volt Energie. Alfred Evers, der lange Fred, hat ostbelgische Politik geprägt, liberal bis unter die Haarspitzen, belgisch vom breiten Scheitel bis zur feinen Ledersohle. Ein Manager- und Kumpeltyp zugleich, mal distanziert, mal schulterklopfend. Und: ein Mann für alle Fälle - Unternehmer und Geschäftemacher, Abgeordneter und Bürgermeister, Verbands- und Parteipräsident, Golfspieler und Kugelstoßer.
Immer schon ragte er heraus. Fred Evers ist "Selfmademan", einer, der sich selbst gemacht hat, vom Laufburschen zum Chef aufgestiegen, vom Mitläufer zum Potentaten. Jetzt ist er 73 und faktisch keine große Nummer mehr im politischen Geschäft, das er so geliebt, das er mit geradezu sinnlicher Lust betrieben hat. Da waren ihm - fast - alle Mittel recht, um Recht zu behalten und oben zu bleiben.
Bei allem Abstand, den der Bürger zu seinem Erfolg und zu seiner Größe verspürte: Fred Evers war populär und erfüllte den Begriff Populismus mit Leben. Der Selfmademan wusste, wem er sein Glück zu verdanken hatte: vor allem sich selbst. Und deshalb dankte er gerne anderen und meinte damit nicht selten auch sich.
Heute ist er ein stattlicher Siebziger - mit viel Freizeit und so wenig Einfluss wie nie zuvor. Das kratzt und ärgert den "Langen" gewaltig. Die Pilgerströme Richtung Binstert, wo er gerne im großen Weißen Haus seine Audienz hielt, sind übersichtlicher geworden. Die Parteifreunde trinken den Cognac lieber eine Etage tiefer. Sie haben sich emanzipiert vom großen Meister. Sie entscheiden inzwischen zumeist ohne ihn. Im demokratischen Prozess - nach ordentlicher Diskussion. Daran könnte er teilnehmen, aber zu den Versammlungen erscheint er fast nie.
Dafür meldet er sich immer wieder einmal in der Tageszeitung zu Wort: scheinbar bescheiden unter der Rubrik Leserbriefe oder mit seiner ganzen Pracht auf einer vollen Seite im Interview mit dem Chefredakteur. Und was es da zuletzt zu lesen gab, war nicht von schlechten Eltern. Unter dem Motto "Hau den Ferdel" zog der Fred vom Leder, als ginge es darum, der PFF den Teufel auszutreiben. Man darf spekulieren, was den 73-Jährigen da geritten hat: die Angst vor dem Alter, vor dem Nichtmehrgebrauchtwerden, Revanchegelüste gegenüber alten Weggefährten, die schon längst an ihm vorbeigezogen sind, ewige Rache an der CSP, die ihn einst vom Bürgermeister-Thron in Eupen stieß? Wer weiß es schon so genau?
Und dann sein Flirt mit der neuen Paasch-Formation "ProDG". Der einstige PDB-Fresser - jetzt ein Sympathisant von Verfechtern dereinst verdächtiger Werte wie deutscher Kultur? Oliver Paasch hat sich geschickt distanziert von den Bewerbungsversuchen, einen Übertritt Evers' ins ProDG-Lager als höchst unwahrscheinlich bezeichnet.
Die PFF selbst scheint weitgehend geschlossen hinter ihrem Präsidenten Ferdel Schröder zu stehen - Vize-Ministerpräsident Gentges will den Bruch kitten, andere wie Provinzialrat Heinz Keul üben sich in Gelassenheit und postulieren: Reisende sollte man nicht aufhalten.
Wird Fred Evers es schaffen, loszulassen und die Reise an seinem hoffentlich noch langen Lebensabend zu genießen? Vielleicht hilft ja auch ihm die Weisheit des Alters, milder und gelassener zu werden.