Das Frühjahr ist für Belgiens Tennisspieler die schönste Jahreszeit. Zu Tausenden ziehen sie auf die Plätze und spielen Interclub. Die Mannschaftsmeisterschaft bis hinunter zur achten Regionalklasse. Nach dem Match wird dann geschaut, wie es richtig geht. Das Fernsehen zeigt Tennis aus Berlin, Rom und vor allem aus Paris. Auf Roter Asche, so wie zu Hause, aber mit den Profis.
Der Blick auf den Bildschirm wird den belgischen Fans in diesem Jahr definitiv weniger Freude bereiten. Denn Tennis läuft ab sofort nur noch ohne Justine Henin, die Weltranglistenerste. Ohne Belgiens größte Sportlerin aller Zeiten. Die hat zur Wochenmitte ihre Laufbahn beendet. Für die meisten völlig überraschend, denn endlich einmal Wimbledon und ein zweites Mal Olympiagold wollte sie eigentlich noch gewinnen. Doch offenbar hatte sie es eilig, sich vom Druck des Sports zu befreien, der zwanzig Jahre ihr Leben getaktet hat.
Mit den Erfolgen im Tennis hat Justine sich einen Platz an der Sonne erkämpft. Sich so wie Asterix durchgerungen. Zäh und clever. Bei einer Größe von gerade einmal 1,67 Metern körperlich deutlich überlegene Gegnerinnen besiegt und eindrucksvoll Revanche genommen für Rückschläge im familiären Umfeld. 41 Turniersiege im Profi-Tennis und alle nur denkbaren Auszeichnungen bis hin zur Weltsportlerin des Jahres 2007 durfte Justine Henin feiern.
2007 das war das Schlüsseljahr. Sportlich erfolgreicher als je zuvor fand Justine zu ihrer Familie zurück. Die bis dahin meist unscheinbar auftretende Tennisspielerin blühte auf und genoss sichtlich die Anerkennung einer endlich befreiten und charmanten jungen Frau. Ohne es wahr haben zu wollen, dürfte diese innere Ruhe und Zufriedenheit ein Grund dafür gewesen sein, sich auf dem Tennisplatz, wo sie so gut wie alles erreicht hat, nicht mehr zu 100% quälen zu können.
98% reichen nicht. Auch nicht bei Justine Henin. Das haben die frühen Niederlagen in Miami, Dubai und Berlin gezeigt. Und weil Justine Henin für halbe Sachen nicht zu haben ist, machte sie Schluss.
Nicht wie es zur Grande Dame des Tennissports passen würde auf dem Center Court von Roland Garros sondern in der provinziellen Enge des Tenniszentrums von Limelette. Doch manchmal sucht Justine Henin halt die Hintertür. So wie nach ihrem Olympiasieg in Athen, wo sie sich am Brüsseler Flughafen mit der Goldmedaille im Gepäck an den wartenden Fans vorbei schleusen ließ und durch den Personalausgang entschwand. Mit dem Argument, sie müsse für die US Open trainieren.
Kompromisslos war sie, dem Umfeld und sich selbst gegenüber. Anders hätte sie es auch nicht geschafft, mehr als zwei Jahre die Nummer Eins der Weltrangliste zu sein. Das ist sie ab Montag nicht mehr. Der Tennissommer 2008 findet ohne Justine Henin statt.
Bei aller Enttäuschung hat die Sportwelt mit Verständnis und Anerkennung auf diese Entscheidung reagiert. Vor allem im eigenen Land sollte Dank hinzu kommen. Denn Justine Henin war auf dem Sportplatz nicht zuletzt eine herausragende Vertreterin Belgiens. Und die sind vom Aussterben bedroht.