Man hatte uns vor Ende des Jahres eine Regierung versprochen, und...wir haben eine.
Plötzlich ging diese Woche alles ganz schnell.
Haben wir das dem neuen Regierungsbildner Guy Verhofstadt zu verdanken ? Ist der vielleicht so viel besser als Leterme ?
Natürlich hat ein alter Fuchs wie Verhofstadt mehr Erfahrung und zweifellos auch mehr diplomatisches Geschick, doch das allein erklärt noch nicht seinen Blitzerfolg.
Für ihn lag die Latte ein ganzes Stück niedriger. Er brauchte keine Staatsreform auszuhandeln und auch kein langfristig ausgelegtes sozialwirtschaftliches Programm.
Von seiner Interimregierung erwartet man in der Hauptsache, dass sie etwas Ruhe in die erhitzten Gemüter bringt und das beschließt, was unter Dringlichkeitsstufe 1 rangiert : Maßnahmen, die den Haushalt aus den roten Zahlen halten sowie insbesondere die Rettung der Kaufkraft, vor allen Dingen die jener Mitbürger, denen das Wasser nach dem Energiepreisgalopp bis zum Hals steht.
Darüber eine Einigung zu finden, ist keine politische Meisterleistung.
Schwieriger wird es schon bei der zweiten Aufgabe der Übergangsregierung, wenn es darum geht, für das definitive Kabinett, das zu Ostern das Ruder übernehmen soll, ein sozialwirtschaftliches Langzeitkonzept zu erarbeiten und die Grundlage der von Flandern geforderten großen Staatsreform zu legen.
Genau betrachtet, ist diese Übergangsregierung also eine Vorstufe zur geplanten definitiven Koalition, für deren Arbeit sie hinter den Kulissen das Terrain ebnen soll.
Und gerade dabei droht erneut Ärger und Ungemach.
Zunächst bei den Fragen im Bereich Wirtschaft und Soziales, für den die Präsenz von Sozialisten und Liberalen unter einem Dach befürchten lässt, dass man sich gegenseitig weitgehend neutralisiert. Dies umso mehr, als in gut einem Jahr Regionalwahlen ins Haus stehen, die den Profilierungsdrang verschärfen.
Bedenkt man zusätzlich, wie sich MR und PS in den letzten Monaten mit giftigen Hasstiraden förmlich bombardiert haben, dann lässt deren durch die Krise erzwungenes Zusammengehen in der Übergangsregierung nichts Gutes vorausahnen.
In noch weitere Ferne rückt die Aussicht auf einen Konsens beim Kapitel Vorbereitung der Staatsreform.
6 Monate lang sind diesbezüglich die zum Teil diametral gegensätzlichen Standpunkte von Flamen und Frankophonen ergebnislos aufeinander geprallt.
Betrachtet man die Positionen nüchtern und objektiv, dann stehen die Aussichten, dass sich das unter der Übergangsregierung zum Guten wendet, weiterhin schlecht, denn Flamen und Frankophone sind in dieser Hinsicht immer noch meilenweit voneinander entfernt.
Ein wenig einfacher wird es auf frankophoner Seite, weil dort jetzt die drei großen Parteien in der Regierung sind, und sie sich somit bei Zugeständnissen an die Forderungen Flanderns nicht gegenseitig Verrat an den Interessen der Französischsprachigen vorwerfen können.
Auf flämischer Seite hingegen bleibt das große Problem die NVA, der kleine nationalistische Kartellpartner der Christlichsozialen.
Das Endziel der NVA ist bekanntlich das Ende Belgiens und so lange diese Partei mit am Verhandlungstisch sitzt, wird sie die Forderungen so hoch schrauben, dass sie für die Frankophonen unannehmbar sind.
Übrigens versteht wohl niemand, was eine Partei, die Belgien zerstören will, in einer belgischen Regierung zu suchen hat, schließlich wählt man ja auch keinen Atheisten zum Papst.
Eine Perspektive für einen Kompromiss in Sachen Staatsreform gibt es aller Voraussicht nach nur, wenn die christlichsoziale CD&V sich von ihrem Kartellpartner NVA trennt.
Im Gegenzug werden die Frankophonen deutlich mehr Konzessionsbereitschaft zeigen müssen als bisher.
Die Botschaft, die diese Weihnachtsregierung begleitet, lautet ja „Friede den Menschen, die guten Willens sind“. Man kann nur hoffen, dass bei den Politikern etwas davon ankommt. Bisher hat es nämlich auf beiden Seiten an gutem Willen gefehlt.
Indessen besteht vorerst wohl noch kein Grund, die belgischen Fahnen an den Balkonen und Fenstern zahlreicher Landsleute rein zu holen.