Eine Rosskur wirft ihre Schatten voraus. Vier Parteien verhandeln ja derzeit über das Programm der möglichen künftigen Regierung. Und was so aus den Gesprächen nach außen dringt, klingt in den seltensten Fällen angenehm.
Die "Schwedische Koalition" wird sparen müssen. Doch formiert sich Widerstand: Die Sozialistischen Parteien und auch die Gewerkschaften versprechen schon einen "heißen Herbst". Das hat etwas Reflexartiges, doch kann man nicht nur den Linken ideologischen Starrsinn vorwerfen. Auch die Rechtsparteien verfallen in altbekannte Verhaltensmuster. Es wäre denn auch wünschenswert, wenn alle Akteure ihre Scheuklappen ablegen würden, .
Wie glaubwürdig und konstruktiv ist eine Politik, die von Rachegelüsten geleitet ist? Das ist in diesen Tagen wohl die zentrale Frage.
Auf der Föderalen Ebene verhandeln derzeit vier Mitterechtsparteien über das Regierungsprogramm. N-VA, CD&V, MR und OpenVLD verbindet aber vor allem eins: Der Wille, um nicht zu sagen: die Lust, ohne die PS zu regieren. Das ist der Mörtel der "Schwedischen Koalition".
Das treibt allerdings zuweilen seltsame Blüten. Immer wieder hat man den Eindruck, als verfolge diese Koalition vor allem ein Ziel: Den Sozialisten - koste es was es wolle - ins Schienbein zu treten. Das Wort "Sozialisten" kann man übrigens wahlweise durch "Gewerkschaften" ersetzen. Quasi alle Maßnahmen, auf die sich die vier Parteien bislang verständigt haben, stehen auf der Schwarzen Liste der Roten, sind auch für die Gewerkschaften absolut tabu. Beispiel Minimaldienst im Streikfall, Beispiel Rentenreform, Beispiel Nulldiät für den Staat. Die Inspirationsquelle der Rechtsparteien, das scheinen allein die heiligen Kühe der Linksparteien zu sein. Insofern ist die PS, die man doch ach so gerne los wäre, bei diesen Verhandlungen dennoch allgegenwärtig. Es ist fast so, als säße sie mit am Tisch. Das hat was von Besessenheit. Der eine oder andere Sozialistenfresser am Verhandlungstisch gehört eigentlich mal auf die Psychologencouch. Bestenfalls kann man eine "altbackene, typisch rechte Politik" erkennen. Kreativ ist wohl was anderes.
Gegenseite nicht viel origineller
Die Gegenseite ist da aber nicht sehr viel origineller. Auf die Absichten der Schwedischen Koalition reagieren die Gewerkschaften quasi reflexartig mit Fundamentalopposition, beginnen sogleich mit dem Bau einer Wagenburg, ordnen die Generalmobilmachung an. Die selbsternannten Gralshüter der sozialen Errungenschaften sind dabei gnadenlos rückwärtsgewandt, wollen nicht einsehen, dass das von ihnen so umsorgte System ohne tiefgreifende Reformen dem Untergang geweiht ist.
Beispiel Rentenreform: Ein durchschnittlicher belgischer Rentner blickt auf eine Laufbahn von 32 Jahren zurück. Jetzt mal ehrlich: 32 Jahre, da ist der eine oder andere länger in Rente, als er gearbeitet hat: Das kann doch nicht funktionieren!
Und doch warnen Gewerkschaften davor, dass unsere Gesellschaft um 50 Jahre zurückgeworfen werden könnte. Dabei vergessen sie die Fehlentwicklungen eben dieser besagten 50 Jahre, in denen etwa eine Staatsschuld angehäuft wurde, die wieder 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreicht. Wer da die Kosten für die Bankenrettungen als eine der wichtigsten Ursachen benennt, der verkennt die Realität, nämlich das strukturelle Defizit in den Staatsausgaben. Heißt: Investitionen in die Zukunft herausgerechnet gibt der Staat mehr aus, als er einnimmt. So kann es nicht weitergehen! Insbesondere angesichts der Vergreisung der Bevölkerung wird diese Staatsschuld nämlich nicht, wie es einst der PS-Haushaltsminister Guy Mathot postulierte, "von alleine" verschwinden, eher im Gegenteil. Schon jetzt sind die finanziellen Auswirkungen der Vergreisung der Bevölkerung spürbar. Und in absehbarer Zeit ist fast jeder dritte Belgier älter als 65. Das sagt doch alles...
Wir können nicht länger auf Pump leben! Und da muss man nicht immer wieder die böse, böse EU mit ihren angeblichen Spardiktaten als Buhmann bemühen: Es sollte doch jedem einleuchten, dass im Sinne der künftigen Generationen gespart werden muss.
Die Frage ist freilich, wie man spart. Die Sozialisten machen da immer noch glauben, dass das ohne schmerzhafte Einschnitte möglich ist. Und entsprechend hart wollen sie denn auch mit der Schwedischen Koalition ins Gericht gehen, wenn die einmal ihr "rechtes" Sparprogramm vorgelegt hat.
Nun: Zum Glück sind die föderalen frankophonen Oppositionsparteien PS und CDH in der Wallonie und in der Französischen Gemeinschaft am Ruder. Da können sie ja dann ihre angeblich schmerzlosen Rezepte anwenden. Die Resultate werden in jedem Fall messbar sein, in Form von Haushaltszahlen.
Die Sozialisten, flankiert von den Gewerkschaften, agieren und argumentieren im Grunde genauso "ideologisch", wie man es den Mitte-Rechts-Parteien vorwerfen kann. So typisch rechts der eine, so typisch links der andere.
Was dieses Land braucht, ist aber keine moderne Version des Klassenkampfes, sondern eine vernünftige, intelligente Sparpolitik. Kein Sparen um des Sparens Willen, und auch keine Vogelstraußpolitik.