Wenn man allein ist, kann man machen, was man will. Kommt eine zweite Person hinzu, wird das schon schwieriger. Will man jetzt etwas machen, und zwar gemeinsam, müssen beide Personen das auch wollen. Will A aber zum Beispiel spazieren gehen und B lieber einen Film gemeinsam im Fernsehen schauen, hat man ein Problem.
Zwei Lösungen gibt es da - und das kennt jeder von uns aus seinem eigenen Privatleben. Entweder verzichtet man darauf, etwas gemeinsam zu machen. Oder man schließt einen Kompromiss. Geht zum Beispiel erst spazieren und schaut sich danach einen Film an. Beides gemeinsam.
Das ist eine Binsenweisheit, könnte man sagen - und das stimmt auch. Aber angesichts der andauernden Schwierigkeiten bei dem Aufstellen eines Haushalts für Belgien scheint es nötig, an solche einfachen Dinge zu erinnern. Denn in der Politik läuft es ja nicht anders. Ein Alleinherrscher kann manchen, was er will. Aber schon zu zweit in einer Regierung muss man Rücksicht darauf nehmen, was auch der andere will. Und schon ist der Kompromiss wieder im Spiel.
Grundsätzlich müssten das auch alle unsere Föderalpolitiker wissen. Zumal gerade in Belgien die Kunst des Kompromisses als quasi "typisch belgische" Qualität sogar hoch in Ehren gehalten wird. Umso erstaunlicher ist es, dass unsere Politiker, zumindest einige von ihnen, diese Binsenweisheit gerade vergessen zu haben scheinen. Und sich lieber an Wahlversprechen halten, die von vornherein zum Scheitern verurteilt waren. Denn wer kann schon davon ausgehen, nach Wahlen - zumal in Belgien - ganz alleine regieren zu können, um dann alles eins zu eins umzusetzen, was im Wahlkampf versprochen wurde?
Der Kompromiss muss bei Wahlversprechen gerade in Belgien bei seiner Vielparteienlandschaft doch immer mitberücksichtigt werden. Es wäre kurzsichtig zu glauben, dass die Wähler das nicht wüssten. Und nicht zu vergessen: Wenn man sich dazu bereit erklärt, Verantwortung in einer Regierung zu übernehmen, dann ist das auch ein Versprechen. Nämlich das Versprechen, das Gemeinwohl über das Wohl der Partei zu stellen. Auch das scheinen unsere Föderalpolitiker vergessen zu haben.
Premierminister Bart De Wever hat Recht, wenn er sinngemäß sagt: Regieren ist kein Sonntagsausflug. Regieren heißt, auch schwere Entscheidungen zu treffen. Was mitunter auch heißen kann, sich von eigenen Idealvorstellungen zu trennen - um gemeinsam mit den Partnern voranzuschreiten.
Von dieser Einsicht scheint zu wenig vorhanden zu sein bei den aktuellen Haushaltsgesprächen. Anders ist es nicht zu erklären, dass sie so lange dauern und kompliziert zu sein scheinen.
Weniger persönliche Egos, mehr Gemeinschaftssinn - das wäre jetzt gut. Dann würde es bald einen Haushalt geben, dann würde bald wieder regiert. Ein Versprechen gegenüber den Wählern wäre dann eingelöst.
Kay Wagner