Erinnert sich noch jemand an die Slapstick-Komödie "The Interview", die vor etwas mehr als zehn Jahren rauskam? Wahrscheinlich nicht unbedingt, so toll war der Film nämlich laut Bewertungen und Kritiken nicht. Aber Geschmack ist bekanntermaßen subjektiv.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang eigentlich auch nur, dass der Film das nordkoreanische Regime auf die Palme brachte, weil der glorreiche, unkritisierbare Führer des Landes, Kim Jong-un, dabei ziemlich durch den Kakao gezogen wurde.
Anderes Beispiel, das vermutlich – oder hoffentlich! – mehr Menschen kennen: "der Große Diktator", also Charlie Chaplins Veräppelung von Adolf Hitler und seinem Nazi-Regime aus dem Jahr 1939. Dass der Film im Dritten Reich und in den besetzten Gebieten nicht gezeigt werden durfte, ist ja klar. Was aber weniger bekannt sein dürfte ist, dass "Der Große Diktator" auch in diversen lateinamerikanischen Ländern verboten war. Warum? Weil dort aktive Nazis dagegen auf die Barrikaden gegangen waren.
Und weil wir gerade bei offensichtlich humorlosen Nazis sind, noch ein schönes Fundstück aus dem Internet, ursprünglich aus dem Archiv der New York Times: "Goebbels beendet die Karrieren von fünf 'arischen' Schauspielern, die Witze über das Nazi-Regime gemacht hatten", so die Überschrift der Depesche aus Berlin vom 3. Februar 1939. Und diese Überschrift sagt eigentlich schon alles Wichtige.
Was für politische repressive Systeme gilt, gilt natürlich auch für extremistische Ausprägungen von Religionen, siehe Mohammed-Karikaturen oder "Das Leben des Brian", das fundamentale Christen zur Weißglut getrieben hat. Oder auch, fiktiv in diesem Fall, aber deswegen nicht weniger glaubhaft: "Der Name der Rose" von Umberto Eco. Und Eco bringt es im Prinzip perfekt auf den Punkt, wenn er einen der Protagonisten sagen lässt: "Lachen tötet die Furcht. Und ohne die Furcht kann es keinen Glauben geben."
Glauben muss sich ja nicht nur auf Religion beziehen. Glauben können Menschen genauso an Ideologien, Führer und Systeme. Und natürlich wird es immer Menschen geben, die aus Überzeugung glauben oder weil sie selbst davon gesellschaftlich oder materiell profitieren. Es wird aber eben auch immer Menschen geben, die einfach nur aus Angst vor möglichen Konsequenzen gehorchen. Oft sind diese Menschen sogar deutlich in der Mehrheit. Seien wir mal ehrlich: In autoritären Regimen egal welcher Couleur profitieren eigentlich immer nur ein paar Wenige an der Spitze.
Der große Rest muss also unter Kontrolle gehalten werden, damit er nicht aufmuckt. Und das geht, die Geschichte hat es ja bereits unzählige Male bewiesen, am effektivsten mit Brutalität und Angst. Deren Erzfeind: das Lachen, beziehungsweise genauer das der Lächerlichkeit Preisgeben der Regime und ihrer Vertreter.
Zu den ersten Zielen solcher Regime gehören deshalb auch immer Menschen, die andere zum Lachen bringen können über aus Sicht des Regimes "falsche" Sachen. Also Komiker, Karikaturisten, Dichter und Schriftsteller oder eben auch scharfzüngige Late-Night-Show-Moderatoren. In diesem Sinn muss man die Absetzung von Kimmel und Co. auch unmissverständlich als das bezeichnen, was sie ist: als Zensur und weiteren gefährlichen Schritt in Richtung Diktatur.
Wir brauchen uns auch in Europa und Belgien nicht sicher zu fühlen. Es gibt auch hierzulande schon genug Mini-Trumps, die ihrem Vorbild nacheifern und anderen Spielregeln diktieren wollen, an die sie sich selbst natürlich nicht halten wollen. Und zwischenzeitlich können wir uns auch schon mal überlegen, was wir machen sollen, wenn Trump oder seine Kulturkrieg-Schergen auch hier Kritikern und Komikern das Wort verbieten wollen.
Kleine Randnotiz noch: Charlie Chaplin hatte noch nicht mal angefangen, seinen Großen Diktator zu drehen, da verkündete die britische Regierung von Neville Chamberlain schon, in vorauseilendem Gehorsam, dass sie den Film verbieten wolle. Alles im Namen der Appeasement-Politik. Und wir wissen ja, wie erfolgreich die letzten Endes war.
Boris Schmidt
Guter Kommentar.
Linke und rechte Extremisten sind humorfeindlich. Ein gutes Beispiel ist Greta Thunberg. Wehe man macht Witze über die Klima-Heulsuse...
Rheinhard Mey wurde 1972 stark kritisiert für sein Lied "Annabelle". Es ging um eine humorlose Emanze.
Auf Drucker der Politik werden in den USA Sendungen abgesetzt...
Und sieht es in deutschen Medien besser aus? Erst gestern wurde die kritische Journalistin Julia Ruhs vom NDR gecancelt; Ruhs hatte in der Sendung "Klar" Themen wie Immigration, Asylpolitik, Bauernproteste, Corona mal kritisch und volksnah unter die Lupe genommen. Und prompt wurde sie 'freigestellt'.