In Jalhay (und nicht nur da) wird der amtierende Bürgermeister von einer aufstrebenden Mitstreiterin aufgrund der Vorzugsstimmen aus dem Sattel gehoben. Er klagt, die Konkurrenz aus den eigenen Reihen habe ihn ausgetrickst und außerdem größere Wahlplakate gehabt als er …
In Rochefort (und nicht nur da) wird die Liste mit den meisten Wählerstimmen von der Konkurrenz ausgekontert. Ihre Wähler belagern daraufhin das Rathaus …
In Flandern wird die Wahlpflicht ausgesetzt und doch liegen die Wahlvollmachten stellenweise doppelt so hoch wie im Durchschnitt - landauf, landab Ermittlungen wegen möglichen Wahlbetrugs …
Geschichten, wie sie die Gemeinderatswahlen schreiben. In Ostbelgien sind sie nicht ganz so abenteuerlich - und dennoch. Auf die Kelmiser Wohnsitzaffäre müssen wir nicht mehr weiter eingehen: hierfür hat es die Quittung gegeben.
Überall ist jetzt zu hören, dass es darum gehe, den Wählerwillen zu berücksichtigen. Als gäbe es so etwas wie ein Kollektivbewusstsein, einen aus unzähligen Einzelinteressen zusammengepuzzelten Masterplan.
Wenn Politiker behaupten, den Wählerwillen zu kennen und - mehr noch - ihn umsetzen zu wollen, sollten die Alarmglocken schrillen. Es ist ja nicht verkehrt, "das Ohr am Bürger oder Wähler" haben zu wollen. Den einen homogenen "Wählerwillen" aber gibt es nicht! Stattdessen gibt es unzählige "Wählerwillen", im Grunde so viele, wie es Wähler gibt. Selbst Weiß- und Nichtwähler beanspruchen für sich, damit ein Zeichen gesetzt haben zu wollen.
Zwangsläufig müssen so viele Willen enttäuscht werden oder im besten Fall per Kompromiss halbwegs zufriedengestellt. Was heißt das für die Koalitionen, die angeblich diesem nicht fassbaren "Wählerwillen" Rechnung tragen sollen? Auch ihnen liegen viele unterschiedliche Interessen zugrunde. Nicht nur bei den Beteiligten. Dass die übergeordnete (Partei-)Ebene mächtig mitmischt, ist anderswo ein offenes Geheimnis und sozusagen Teil des Spiels.
Hier schwört man Stein und Bein, dass nichts dergleichen vor sich gehe: Die Parteioberen und Minister sind sich demnach nur zufällig über den Weg gelaufen, wo gerade über mögliche Mehrheiten verhandelt wurde. Hier steht das Kürzel OB für Ostbelgien, nicht für Oberbürgermeister.
Die Spiegelung der Eupener PDG-Mehrheit: also Zufall? Mögliche Interessenkonflikte, wo berufliche Abhängigkeit besteht, wo parteiübergreifend Tisch und Bett geteilt werden: Zufall? Alles völlig legitim? Mag sein. Die Wahlarithmetik macht so einige Spielzüge möglich. Aber lasst bitte den "Wählerwillen" aus dem Spiel!
Stephan Pesch
Guter Kommentar Herr Pesch.
"Wählerwille" ist ein Konstrukt genau wie "Gottes Willen", den Politiker benutzen, um sich zu rechtfertigen und zu legitimieren. Soll der eigenen Handlungsweise eine Aura der Unantastbarkeit verleihen, weil man nicht aus Eigennutz sondern im Auftrag der Allgemeinheit handelt.
Eigentlich gibt es keinen "Wählerwillen" sondern nur "Wählerstimmen". Ein anderes Wort für "Wählerwille" ist Kaffeesatzleserei oder der Blick in die Kristallkugel.
ganz ohne auf die Schweiz hinzuweisen Herr Scholzen? Dort gibt es für jede noch so unwichtige Frage Wahlen, da muss die Schweiz sehr schnell von Scholokade auf Kaffee umrüsten, um genug Kaffeesatz zu haben.... Selten dummeren Kommentar gehört. Mal konstruktiv gedacht: wie sehen Sie denn eine Demokratie? Ich glaube eher gar nicht, denn jeder, der sich einbringt ist für Sie ein Pöstchenjäger (ausser wenn man Sie damals genommen hätte...)