"Beleidigende Worte", "abscheuliche Äußerungen", "Kreuzzug gegen die Frauen" - die verbale Empörung war am Donnerstag groß in der Kammer, als vier Abgeordnete, alles Frauen, und danach Premierminister De Croo Äußerungen von Papst Franziskus scharf verurteilten. Äußerungen, die der Papst zum Thema Schwangerschaftsabbruch gemacht hatte während seines Besuchs in Belgien und kurz danach im Flugzeug auf dem Weg nach Rom - und zum Thema Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft.
Klar: Einen Schwangerschaftsabbruch als "Mord" zu bezeichnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, als "Auftragsmörder" quasi zu beschimpfen - man darf sich durchaus fragen, warum Franziskus das Thema überhaupt wieder auf die Tagesordnung setzen wollte bei seinem überdies schon problembeladenen Verhältnis zur Gesellschaft in Belgien.
Die war ja ganz gespannt gewesen, wie der Papst sich zu den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche verhalten würde. Und kaum, dass der Papst dieses Problem durch kluges Verhalten mehr oder weniger aus der Welt geschafft hatte, holte er den alten Zwist über den Schwangerschaftsabbruch aus der Mottenkiste. Denn dass es bei diesem Thema unterschiedliche Meinungen gibt zwischen Papst und Belgien, ist nicht neu - weshalb die Empörung der Politiker am Donnerstag in der Kammer, aber auch die Tage zuvor schon etwas aufgesetzt erscheint. Denn natürlich wussten auch sie schon längst, dass der Papst zum Thema Abtreibung eine ganz andere Meinung hat, nämlich die konservative Meinung der katholischen Kirche.
Wie übrigens auch beim Thema Frauen, zu dem von vornherein ein Austausch mit Studenten und Lehrkräften an der Uni Neulöwen geplant war. Die Uni-Angehörigen hatten dann auch Fragen an den Papst formuliert, der antwortete im Sinne des konservativen Kirchenbildes, von dem sich die Leitung der Uni in einer Stellungnahme direkt nach der Rede ausdrücklich distanzierte. Wobei dieser Text wohl schon vor der Rede des Papstes vorbereitet worden war. Was der Papst übrigens auf seinem Rückflug nach Rom ausdrücklich bedauerte. Durchaus verständlich: Denn wenn die Uni-Leitung vorher schon wusste, was sie sagen wollte, ohne überhaupt den Worten des Papstes zuzuhören, dann braucht man den Papst auch eigentlich gar nicht sprechen lassen. Aber das nur am Rande.
Denn die Äußerungen bleiben natürlich - und auch die Provokation mit dem Thema Abtreibung. Und es wäre naiv zu glauben, dass Papst Franziskus die Wirkung seiner Worte nicht bedacht hätte. Er wusste, dass der Aufschrei der Empörung groß sein würde. Und wahrscheinlich war das auch sein Ziel. Denn im konservativen-katholischen Weltbild des Papstes ist ein Schwangerschaftsabbruch eben nichts Gutes - um es mal so auszudrücken. Wenn er das in Belgien anspricht, ist das sein gutes Recht. Als Christ und Papst darf Franziskus unbequem sein, darf und soll geradezu seine christlichen Überzeugungen auch in einem Land vertreten, das andere Überzeugungen hat. Das Gleiche gilt für das, was er über Frauen gesagt hat.
Deshalb aber den päpstlichen Nuntius vorzuladen, um ihm die Leviten zu lesen und dem Papst quasi eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Belgiens vorzuwerfen - vielleicht kommen auch die Politiker zu der Einsicht, dass das ein bisschen überzogen ist. Meinungen darf der Papst vertreten. Ob man sie teilt, ist eine andere Frage. Der große Aufschrei darüber lässt aber tief blicken. Wie heißt doch noch das Sprichwort: Der getroffene Hund bellt?
Kay Wagner
Wenn der Papst Ärzte, die Abtreibungen durchführen, als Auftragsmörder bezeichnet und zu Ende gedacht, Frauen, die Abtreiben möchten, als Mordauftraggeberinnen, ist dies keine “Meinung” sondern die Diffamierung, Kriminalisierung und Verhetzung von Menschen.
Der Aufschrei hätte noch größer sein müssen, auch bei denen, die von dem Besuch dieses Papstes, der sich offensichtlich nicht unter Kontrolle hat (dies war nicht der erste Ausfall), so “begeistert” waren.
Das, was dieser Papst vertritt, sind keine christlichen Werte - was immer das auch sein mag - sondern ist reaktionärer Durchfall eines überforderten alten Mannes, Oberhaupt einer verstaubten überflüssigen Institution, der glücklicherweise immer mehr Menschen den Rücken kehren.
Die meisten Einwohner Belgiens haben sich doch nicht interessiert für dieses Mittelalterspektakel. Regierung und Parlament haben sich damit beschäftigt. Es war eben auch ein offizieller Staatsbesuch eines ausländischen Staatsoberhauptes.
Das beste wäre, Staat und Kirche zu trennen wie in Frankreich. Dann auch die diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Stuhl abbrechen. So wird Religion zur Privatsache ohne staatlichen Einfluss. Wenn der Papst oder ein anderes religiöses Oberhaupt kommt, ist das eine private Reise ohne offiziellen Charakter, genau wie eine Urlaubsreise.
Ich finde den Kommentar von Herrn Kay Wagner zum Thema gut. Er ist differenzierter als das was wir von den „Empörungsreaktionen“ kennen. Auch bei uns. Ich teile nicht die harten Worte des Papstes bzgl. Mord und Auftragsmörder … da ist er in meinen Augen zu weit gegangen…
Es leuchtet ein, dass der Papst die Abtreibung nicht gutheißen kann, beim katholischen Menschenbild, und dass der Schutz des Lebens für Ihn einen hohen Stellenwert hat.
Ich bedauere, dass man sich in Belgien nicht mit vergleichbarer Energie dafür einsetzt, unerwünschte Schwangerschaften zu verhindern und wenn es zur Schwangerschaft gekommen ist, die Menschen berät und begleitet, und bespricht auf was sie sich einlassen, in beide Richtungen. Wer spricht von den Nöten, die Frauen möglicherweise ihr Leben lang mit sich tragen … im Bewusstsein, dass Sie dem Kind keine Chance zum Leben gegeben haben. Es gibt keine einfachen Situationen, Lösungen.