Man kann über das Wie streiten. Darüber streiten, ob es im Sinne der Sache war, dass Nicole de Moor ihre Vorschläge zur Einwanderungspolitik erst der Presse präsentierte, bevor sie zum Beispiel den Abgeordneten im Parlament Einsicht in ihre Arbeit gab oder auch nur den Koalitionspartnern genügend Zeit einräumte, das 2.000 Seiten starke Werk einmal quer zu lesen.
Das machte Nicole de Moor nicht, und vielleicht steckt dahinter tatsächlich wahlpolitisches Kalkül - nämlich, dass de Moor sich profilieren will. Dass sie der Öffentlichkeit zeigen will: Seht her, das sind meine Vorstellungen. Das würde ich gerne haben. Wenn nachher etwas anderes herauskommt – ich hatte ursprünglich etwas anderes gewollt.
Natürlich kann man das kritisieren, und dass die Opposition das macht, gehört zum politischen Spiel dazu. Die deutliche Kritik aus den Reihen der eigenen Regierungskoalition dagegen ist eher ein Armutszeugnis. Denn das zeigt erneut: In der großen Föderalpolitik geht es letztlich nicht um die Sache, sondern es geht um Egos, um Wahlen, um alles andere – aber nicht um den Inhalt.
Denn sonst würde ein großer Applaus durch die Reihen der Föderalregierung gehen, würde man de Moor kurz gratulieren zum Abschluss einer dreijährigen Arbeit, die ihr Vorgänger Sammy Mahdi begonnen hatte und die de Moor jetzt abgeschlossen hat, um danach schleunigst damit zu beginnen, den Text zu bearbeiten, damit er noch vor den Wahlen im Juni verabschiedet werden kann.
Das könnte man von Politikern erwarten, die doch schon seit Jahren darauf drängen, die Regeln der Einwanderungspolitik zu erneuern. Aber jetzt, wo diese Regeln vorliegen, winken die meisten Politiker ab. Am peinlichsten die Aussage von Egbert Lachaert von der OpenVLD: Zu spät käme der Vorschlag, zu spät vor den Wahlen. Das sei unseriös.
Eine peinliche Offenbarung, denn das heißt ja auch: Arbeiten will Lachaert nicht mehr bis zu den Wahlen. Wenn es ihm und den anderen Kritikern ernst wäre mit einer wirklichen Reform, dann würden sie die Ärmel hochkrempeln. Sagen: Sehr ambitioniert, das ganze bis zu den Wahlen noch zu verabschieden. Aber: Wir schaffen das schon.
Arbeiten statt meckern, das wäre auch ein Zeichen an die Bürger, an die Wähler. Nämlich das Zeichen: Uns Politikern in Regierungsverantwortung ist es ernst, etwas zu gestalten. Etwas, worauf viele warten. Denn der ungeregelte Zustrom von Menschen nach Belgien ist ein Problem, das viele Bürger – wie auch immer – beschäftigt. Da Handlungsfähigkeit zu zeigen, wäre auch eine Gelegenheit, extremen Kräften Wind aus den Segeln zu nehmen.
De Moor hat den ersten Schritt - zugegeben: spät - aber trotzdem gemacht. Den zweiten Schritt nicht mit aller Tatkraft zu versuchen, wäre eine vertane Chance nicht nur für alle Regierungsparteien, sondern auch für die Demokratie.
Kay Wagner
Guter Kommentar.
Ich komme immer mehr zum Schluss, daß man das Problem der Migration/Asyl nicht lösen will. Weil sich zuviele Postenjäger aller Couleur damit profilieren wollen.
Wäre es gelöst, müsste man etwas anderes finden und das ist schwer.
Dieser Egoismus kostet den Staat viel Geld und geht auch auf Kosten der politischen Glaubwürdigkeit. Aber wen interessiert das einige Monate vor der Wahl. Da macht man sich Hoffnungen auf ein gut bezahltes Pöstchen als Minister, Staatssekretär, Abgeordneter. Problemlösungen ist etwas für das niedere Volk und nicht für wichtige Leute, die sich Volksvertreter nennen, aber längst den Kontakt zum Volk verloren haben.