Kein Thema hat in dieser Woche die (ostbelgische) Aktualität so bestimmt wie die Zukunft unserer Kinder. Nein, die Rede ist hier ausnahmsweise mal nicht vom Weltklimagipfel in Dubai - obwohl das eigentlich vorrangig wäre - sondern etwas, von dem jeder glaubt, mitzureden zu dürfen, weil er es doch selbst mitgemacht hat: die Schule!
Nicht genug, dass die Parteien sich am zweifellos übermäßigen Gebrauch von Smartphones innerhalb der Schulbevölkerung abarbeiten: Nach dem Vivant-Vorschlag zu einem glatten Handy-Verbot an Schulen und der "Alles-Quatsch"-Reaktion der fraktionslosen Jolyn Huppertz folgten diese Woche vermittelnde Stellungnahmen von Ecolo und SP und ein regelrechter Spagat der CSP: Handyverbot ja - aber die Schulen sollen selbst entscheiden. Ja, wenn das so einfach wäre.
Ein ähnliches Schulbeispiel von "Wir-würden-es-am-liebsten-allen-recht-machen" folgte dann in der zweiten Wochenhälfte mit einer Themendebatte im PDG zur "Taktung" des Schulalltags. Einfacher erklärt: Die extralangen Sommerferien würden kürzer, dafür die Herbst- und Karnevalsferien länger. Das ergäbe einen neuen, stimmigen Rhythmus zwischen Wochen der schulischen Anspannung und der Entspannung durch die Ferien. Wie in der Französischen Gemeinschaft.
Der Biorhythmus der Kinder müsste nicht mehr mit dem Mondkalender Schritt halten, der am Ursprung einiger kirchlicher Feiertage steht und damit auch der Ferien zu Ostern oder Karneval.
Und weil eine amtlich in Auftrag gegebene chronobiologische Studie ergeben, nein: bestätigt hat, dass viele Schüler (besonders in der Pubertät) frühmorgens noch nicht bei der Sache sind, könnte der Unterricht für sie auch später anfangen. Krass!
Oder auch nicht. Zumindest bei den Ferien wollen die von uns in dieser Woche befragten Schüler, das alles so bleibt, wie es ist. Schließlich habe man sich daran gewöhnt. Und das war auch der Tenor in der Themendebatte im PDG: Wer weiß denn, ob was Neues besser wäre? Und dann die ganze Umstellung - schon bei der Ferienbetreuung und der Urlaubsplanung … Es ist wie so oft in der Politik: Das Streben um den breitest möglichen Konsens steht einer Lösung im Weg.
Lange konnte sich die DG hinter der Französischen Gemeinschaft verstecken: Mon Dieu, was gäbe das nur, wenn zwischen DG und FG unterschiedliche Ferienzeiten herrschten?! Dann hat die Fédération Wallonie-Bruxelles Nägel mit Köpfen gemacht und nun fühlt man sich hier überrollt - von einem Zug, der abgefahren ist. Ein "compromis à la belge", wie ihn der Ecolo-Abgeordnete und Lehrer Andreas Jerusalem vorschlug, ist weit entfernt, nachdem die anderen Fraktionen von einer Anpassung des Schulkalenders nichts wissen wollen. Und auch die Flamen ziehen ihren Stiefel durch.
Sicher gibt es momentan dringende Herausforderungen für die Schulen wie die von der Ministerin genannte Digitalisierung. Oder die Chancengerechtigkeit, weil die Schüler nun mal sehr unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen. Aber greift nicht auch hier eins ins andere?
Vor allen Dingen braucht es Mut und die Bereitschaft zur Veränderung. Richtig, dabei sind alle gefordert. Es geht nicht, wenn Entscheidungen, die das schulische Umfeld betreffen an der Lebenswirklichkeit der Schüler und ihrer Familien vorbeigeplant werden. Umgekehrt können die Eltern auch nicht unangenehme Erziehungsaufgaben oder -entscheidungen auf die Schulen abschieben. Der Schulferienkalender wäre insofern ein interessantes Experimentierfeld gewesen. Nicht um der Ferien willen, sondern um sich darüber im Klaren zu sein, um wen es hier eigentlich geht.
Die im Grunde müßige Diskussion um ein Handyverbot geht in eine ähnliche Richtung: Die Schule möchte ich sehen, die so etwas durchsetzen will. Aber der verantwortungsvolle Umgang mit den neuen Möglichkeiten will gelernt sein. Das wäre dann auch eine der "essentiellen Grundkompetenzen", die von so vielen gefordert werden, um dem in der PISA-Studie belegten Leistungsabfall zu begegnen: Mit Rechnen, Lesen und Schreiben allein kommt man heutzutage auch nicht weit.
Zusammenhänge herstellen und verstehen, sich kein X für ein U vormachen lassen … das wären doch gesamtgesellschaftliche Bildungsziele, für die es sicher einen breiten Konsens gibt.
Stephan Pesch