Jetzt also auch wieder Belgien. Das, was im Nachbarland Deutschland über die Jahre immer mal wieder thematisiert wurde und gerade im Erzbistum Köln zu massiven Austrittswellen von Katholiken aus ihrer Kirche geführt hat, ist jetzt auch wieder in Belgien hoch aktuell: sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche.
Und die Bilder und Geschichten ähneln sich. Opfer, die mit ihrem Schicksal allein gelassen werden. Eine Kirche, die höchstens halbherzig, wenn überhaupt, daran geht, die Missbrauchsfälle zuzugeben, aufzuarbeiten und die Opfer so gut wie möglich zu entschädigen.
Schlimm, dass es so etwas überhaupt gibt. Das dürfte außer Frage stehen. Doch wie jetzt damit umgehen? Welche Konsequenzen sollte die neue Empörung in Belgien nach sich ziehen?
Einige Ideen stehen da schon im Raum. Unter anderem die, dass sich an der Finanzierung der Kirche etwas ändern muss. Aktuell wird die katholische Kirche von jedem Belgier über seine Steuergelder mitfinanziert. Einige fragen jetzt, warum ihr Geld dafür verwendet wird, so einen "Club von Pädophilen" zu unterstützen.
Jeder Steuerzahler sollte die Wahl bekommen, wird gesagt. Man soll künftig sagen dürfen: Nein, ich möchte nicht, dass mit meinen Steuern die Kirche unterstützt wird. Mit dem, was da passiert, will ich absolut nichts zu tun haben. Ein Argument, das zunächst durchaus nachvollziehbar ist. Aber auch wenn es jetzt aufstößt: Eigentlich ist die in der Verfassung eingebettete Art und Weise, wie der belgische Staat die katholische Kirche und andere Glaubensrichtungen finanziell unterstützt, ein gutes System. Aus mindestens zwei Gründen.
Zum einen sind Religionsgemeinschaften wichtig für viele Menschen. Der Staat hat das erkannt. Er will, dass es seinen Bürgern gut geht, dass sie sich auch spirituell oder weltanschaulich im Staat Belgien zu Hause fühlen. Deshalb gibt es Geld für anerkannte Gemeinschaften, übrigens auch laizistische.
Zum anderen ist die Finanzierung der Religionsgemeinschaften gut, weil der Staat sich damit quasi ein Mitspracherecht bei der Kirche erkauft. Wer Geld gibt, der darf kontrollieren. Ganz legitim. Und darauf sollte der Staat nicht verzichten.
Vielleicht wird das, also das Kontrollieren, übrigens zu wenig getan. Denn zu Recht fragte am Donnerstag in der Kammer die N-VA-Abgeordnete Valerie Van Peel, wo Justizminister Vincent Van Quickenborne denn all die Jahre gewesen sei? Warum man nicht schon längst etwas gegen das getan habe, was in der katholischen Kirche immer noch schiefläuft? Warum erst eine TV-Doku daran erinnern musste?
Und über all der Aufregung sollten zwei Dinge auch nicht vergessen werden: Erstens macht die Kirche auch sehr viele gute Dinge, nicht nur für Einzelne, sondern auch die gesamte Gesellschaft. Zweitens werden mit Steuergeldern auch ganz viele Sachen mitfinanziert, mit denen sicher nicht jeder Steuerzahler immer einverstanden ist. Panzer, Sozialhilfe oder Windräder könnte man da nennen.
Die perfekte Welt gibt es eben nicht, das perfekte Belgien ebenso wenig. Und auch nicht die perfekte katholische Kirche. Aber man kann sich darum bemühen, Dinge zu verbessern. Das gemeinsam, also im Verbund von Kirche, Staat und Gesellschaft zu versuchen, wäre eine konstruktive Art, mit der aktuellen Empörung umzugehen.
Kay Wagner
Guten Abend Herr Wagner.
Ich bin nicht ganz einverstanden mit Ihnen.Die Finanzierung der Kulte in Belgien ist diskriminierend.Es gibt Religionsgemeinschaften, die kriegen Geld, andere nicht.Und die Kriterien sind nicht klar.Da hat es auch schon Gerichtsverfahren gegeben.Wenn nun keiner mehr etwas kriegt, gibt es auch keine Diskriminierung mehr.Das Argument der Kontrolle lasse ich nicht gelten.Ein Staat muss immer und überall kontrollieren können auch ohne Zuschuss gegeben zu haben, siehe Verkehrskontrolle oder Steuererklärung.
Am besten ist es einen Laizismus, also Trennung von Staat und Religion, wie in Frankreich zu praktizieren.Das hat dem französischen Staat nicht geschadet. Religion muss Privatsache sein, wie andere Betätigungen außerhalb des Berufes.
Stimmt, der Staat finanziert allerlei. Nur das basiert auf einem Gesetz, das die Ausgaben regelt.Ob das so bei der Kirche ist, weiß ich nicht.
Ja, Herr Wagner, Religionsgemeinschaften sind für viele Menschen wichtig, aber… die Kirchen werden immer leerer.
Es soll auch viele Menschen geben, für die Alkohol und Drogen (welcher Art auch immer) wichtig sind…
Was genau kontrolliert der Staat durch die Finanzierung der Religionsgemeinschaften und mit welchem Ergebnis? Und warum wäre eine Kontrolle ohne Finanzierung nicht möglich? Wäre es auch wünschenswert Scientology oder… die Mafia zu finanzieren, um sie besser kontrollieren zu können?
Warum finanziert der Staat einen Verein, in dessen “Statuten” mehr als “hundertmal von durch Gott befohlenem Mord und Völkermord sowie von 600 weiteren Morden und Massenmorden und rund 1000 Zorn- u. Strafaktionen eines blindwütigen Gottes” (P. Furer) berichtet wird und die in zentralen Teilen gewalttätig-inhumane Inhalte propagieren, die als Grundlage einer heute verantwortbaren Ethik völlig ungeeignet sind? Kontrolle?
“Die Religion wurde vom Volk zu allen Zeiten als wahr, von den Weisen als falsch und von den Herrschern als nützlich betrachtet.”
(E.Gibbon)
Nachtrag
Wenn Staat und Religion getrennt sind, ist das gut für beide. Die Religionsgemeinschaften unterliegen keinem staatlichen Einfluss und der Staat muss sich nicht um religiöse Belange kümmern. In Russland und Iran sind Staat und Religion nicht getrennt. Das ist eine gefährliche Mischung.