Das Sparbuch, der Belgier liebstes Kind. 300 Milliarden Euro schlummern auf belgischen Bankkonten. Und die Summe wird eher noch größer als kleiner. Die Bewohner des Ländchens zwischen Antwerpen und Arlon, zwischen De Panne und Eupen, diese Menschen sind - zumindest was ihre Finanzen angeht - nicht besonders risikofreudig.
Das Phänomen ist längst bekannt. Und es gab auch schon viele Versuche, zumindest einen Teil dieser Gelder zu "mobilisieren", also in die Wirtschaft einfließen zu lassen. Doch geändert hat das so gut wie nichts. Selbst die Ära der Niedrigzinsen, in der das Geld auf der Bank de facto sogar noch an Wert verlor, konnte die Belgier nicht dazu bringen, sich vielleicht doch mal nach anderen Anlageprodukten umzuschauen.
Jeder weiß das. Die Banken natürlich auch. Und die bauen darauf. Mehr noch, die haben offensichtlich versucht, gewissermaßen aus der Not eine Tugend zu machen. Nach dem Motto: Wenn man die Menschen schon nicht dazu bewegen kann, in andere Anlageprodukte zu investieren, nun, dann verdient man sein Geld eben mit Sparbüchern.
Fakt ist jedenfalls: Die Sparzinsen belaufen sich in diesem Land auf durchschnittlich 1,5 Prozent. Die Banken selbst bekommen aber, wenn sie ihrerseits ihr Geld parken, viel höhere Renditen: 3,75 Prozent, also mehr als das Doppelte. Anders gesagt: Sie werden schlafend reich. Und es sind solche Zahlen, die die Menschen langsam aber sicher richtig wütend machen. Zumal die Banken ja auch noch parallel dazu weiter munter Zweigstellen schließen, Personal abbauen und ihren Service zurückschrauben, um so ihre Profite noch weiter zu maximieren.
"Der Kunde ist letztlich immer der Dumme", kein Wunder, dass sich dieses Gefühl bei vielen Sparern breitgemacht hat. So sehr, dass es am Ende auch der Politik zu bunt wurde. Mehrmals und ungewöhnlich nachdrücklich rief die Regierung die Banken dazu auf, ihre Sparzinsen zu erhöhen. Ohne Erfolg. Die Banken weigern sich weiter beharrlich, ihren Kunden auch nur ein kleines Stückchen vom Kuchen abzugeben.
Und da keimt dann doch ein unheimlicher Verdacht auf: Wenn die Großbanken glauben, es nicht nötig zu haben, ihre Kunden bei der Stange zu halten, dann, weil es letztlich keinen Wettbewerb gibt, keine Konkurrenz. Wie es in dieser Woche auch schon die Zeitung Het Laatste Nieuws treffend formulierte: Da bedarf es wohl noch nicht mal irgendwelcher geheimer Absprachen. Die großen Platzhirsche ziehen - jeder für sich - denselben Schluss, der da lautet: Die Kunden werden schon nicht weglaufen, das Gras ist ja ohnehin nirgendwo grüner.
Jetzt aber gibt es ihn eben doch, den "grüneren Ort", um im Bild zu bleiben. Der Staatsbon, den die Regierung aufgelegt hat, der ist nämlich quasi auf die Sparbuchbesitzer zugeschnitten: Eine Laufzeit von nur einem Jahr, und das mit einer Netto-Rendite von 2,81 Prozent. Das ist mehr oder weniger das Doppelte von dem, was man bei einer Großbank bekommt.
Einziger Wermutstropfen: Die Regierung hat speziell für diesen Staatsbon die Quellensteuer halbiert, die Regeln also den eigenen Bedürfnissen angepasst. Einen Schönheitspreis verdient das nicht, und man kann nur hoffen, dass dieses Spiel mit gezinkten Karten auch vor Gericht Bestand hat. Im Zweifel gilt aber: Der Zweck heiligt die Mittel, geht es doch darum, die Banken jetzt eben quasi durch die Hintertür dazu zu nötigen, ihre Zinsen endlich zu erhöhen.
Mit diesem Produkt konnte die Regierung jedenfalls nur ins Schwarze treffen. Denn dieser Staatsbon ist in nahezu allen Belangen ein "besseres Sparkonto", bis hin zur Sicherheit, die dem heimischen Sparer ja so wichtig ist. Die Garantie, die der Staat bietet, steht ja sogar noch über der der Banken.
Kein Wunder also, dass die Staatsbons weggehen wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Klar ist auch eine Rendite von 2,81 Prozent immer noch letztlich bescheiden: 281 Euro Zinsen bei einer Spareinlage von 10.000 Euro (die man erstmal haben muss), das ist immer noch nicht wirklich ein Lottogewinn. Aber vier Erdnüsse sind eben mehr als zwei. Und vor allem geht es vielen hier wohl auch ums Prinzip.
Wenn man bei gleicher oder sogar noch besserer Sicherheit sein Geld anderswo gewinnbringender anlegen - und bei der Gelegenheit auch noch seiner Bank mal ein Schnippchen schlagen - kann, dann zögern viele offensichtlich nicht lange. Die Banken sollten den Erfolg des Staatsbons denn auch als das verstehen, was es ist: ein ausgestreckter Vier-Milliarden-Mittelfinger nach gerade mal anderthalb Tagen, der vielleicht am Ende sogar zu einem 20-Milliarden-Mittelfinger wird.
Zugegeben: Für die Banken wäre selbst das noch zu händeln. Was sind schon 20 Milliarden angesichts besagter 300 Schlummer-Milliarden? Aber die eigentliche Neuigkeit ist doch die, dass der Belgier offensichtlich unter gewissen Umständen doch sein herzallerliebstes Sparbuch anrührt. Und das sollte den Banken vielleicht zu denken geben.
Roger Pint
Der belgische Staat sollte sich nicht zu früh freuen.Warten wir doch mal auf die Retourkutsche.Die kann nächstes Jahr nach den Wahlen kommen, wenn nicht schnellstmöglich eine Regierung gebildet wird.Sollte die Regierungsbildung wieder Monate dauern, dann könnten die Finanzmärkte gegen den belgischen Staat spekulieren mit der Konsequenz, dass die Zinssätze auf Staatsanleihen steigen.
Genauer betrachtet ist der belgische Staat als Finanzkunde durchaus fragwürdig.Die Unregierbarkeit rügt immer näher.