Man lernt nicht alles in der Schule. Und lange Sommerferien können traumhaft sein. Eine Zeit zum Entspannen und Erholen, in der Kinder und Jugendliche sowohl körperlich als auch geistig regenerieren können, fern vom akademischen Druck und Stress. Da ist Raum für persönliches Wachstum und Entdeckungen, neue Aktivitäten können ausprobiert werden.
Ja, die Ferien ermöglichen es, praktische Erfahrungen und Fähigkeiten außerhalb des Klassenzimmers zu erwerben. Ein Paradies für die persönliche Entwicklung oder auch ganz einfach zum Mensch sein: singen am Lagerfeuer, Ausflüge zum Baden oder einfach nur unendlich lange die Sterne am Himmel beobachten. Wer kennt sie nicht, diese wunderbaren Geschichten? Die einen aus dem Fernsehen oder von Erzählungen, die Glücklicheren aus eigener Erfahrung.
Denn machen wir uns nichts vor: Unter den Sommererinnerungen sind auch viele Momentaufnahmen, die man im Nachhinein über-romantisieren kann. Trauriger ist aber, dass sie ungleich verteilt sind. Kinder von Eltern mit höherem Sozialstatus können reisen, ins Sprachen- oder Ferienlager geschickt werden oder mit ihren Eltern spannende Museen besuchen.
Die langen Sommerferien gehen auf die Landwirtschaft zurück, in der die Kinder bei der Ernte helfen mussten. Dieser wirtschaftliche Zwang ist längst verschwunden. Dafür gibt es heute zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen über das Phänomen des sommerlichen Lernverlusts. Die überwiegende Mehrheit der Untersuchungen kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Kürzere Sommerferien führen zu einem geringeren Lernverlust, insbesondere bei Schülern, die Schwierigkeiten haben.
Nicht nur in der Französischen Gemeinschaft hat man die Konsequenzen gezogen. Andere europäische Länder sind uns da seit Jahrzehnten voraus. In der Deutschsprachigen Gemeinschaft und in Flandern fehlt da noch der Mut - nicht aber das Expertenwissen.
Dirk Van Damme ist Bildungsexperte und Vorsitzender der Kommission der Weisen für den flämischen Bildungsminister Ben Weyts. Für Van Damme tragen kürzere Sommerferien dazu bei, den Lernverlust zu verringern. Es sei eine einfache Maßnahme, um dem Qualitätsverlust in der Bildung entgegenzuwirken.
Lange Sommerferien sind aus pädagogischer Sicht sogar schädlich. Die Routinen im Unterricht und beim Lernen werden unterbrochen. Lernen brauche aber Regelmäßigkeit und Kontinuität, so Van Damme.
Tatsächlich wissen viele Lehrer nur zu gut, dass zu Beginn eines neuen Schuljahres manchmal ein ganzer Monat der Wiederholung nötig ist, bevor der Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten beginnen kann. Nicht zu vergessen, dass nach einer langen Pause auch die Lernmotivation und Selbstdisziplin wieder in Gang gebracht werden müssen.
Durch die Verlängerung der Herbst- und Frühlingsferien und die Verlegung der Osterferien in den Mai besteht das gesamte Schuljahr in der Französischen Gemeinschaft nun aus Blöcken von sieben Wochen Unterricht und zwei Wochen Ferien. Eine klare Struktur, die mehr Sinn macht, als einmal sechs Wochen und danach zehn oder elf Wochen Unterricht. Die längeren Ferienwochen im Jahr bieten auch den Lehrern mehr Möglichkeiten, sich zu erholen. Bei einer Woche Urlaub bleibt der Fokus auf die Arbeit eher bestehen.
Für Eltern ändert sich im Grunde nichts: Die Kinderbetreuung während des Jahres wird kniffliger, das Sommerpuzzle dadurch einfacher. Doch auch hier darf man optimistisch sein: Dass es im Jahr weniger Jugendlagerangebote gibt als im Sommer, hat auch damit zu tun, dass im Jugendbereich aktive Studenten dem Schuljahresrhythmus nicht folgen. Noch nicht! Hochschulen wollen sich bereits anpassen, Universitäten denken darüber nach.
Nicht nur ein Fall von Angebot und Nachfrage, sondern getreu der Staatsdevise: L'union fait la force. Einigkeit macht stark.
Entscheidung in der DG noch nicht getroffen
Zum Thema Schuljahresrhythmus gibt es eine Stellungnahme der Unterrichtsministerin der DG, Lydia Klinkenberg. Demnach wurde die Entscheidung für oder gegen die Anpassung des Schuljahreshythmus für die Deutschsprachige Gemeinschaft noch nicht getroffen. Man beschäftige sich weiterhin im Rahmen der "Vision 2040 für das Bildungswesen" mit der Frage, da eine solche Anpassung weitreichende Konsequenzen für nahezu alle Lebensbereiche in Ostbelgien, z. B. Kinderbetreuung und Tourismus mit sich bringe.
Bis 2024 soll neben der Vision für das Bildungswesen auch der Umsetzungsplan mit den entsprechenden Maßnahmen vorliegen. Erst dann werde eine Entscheidung in Sachen Schuljahresrhythmus getroffen. Bis dahin beobachte man die Entwicklungen und die gesammelten Erfahrungen in der Französischen Gemeinschaft genaustens.
Laut Arnaud Michel, Sprecher des französischsprachigen katholischen Bildungswesens, ist der große Schock, den viele erwartet haben, ausgeblieben. Bernard Hubien, Vorsitzender der frankophonen Elternvereinigung Ufapec, erklärte, dass die Kinder geistig und körperlich ausgeruhter sind. Hubien zufolge ist die große Mehrheit der Eltern mit dem neuen Schuljahreshythmus zufrieden. Die Kinder fühlen sich besser. Das ist es, worauf es letztendlich ankommt, so der Elternsprecher.
Manuel Zimmermann