Gut gemeinter Kostümierungsvorschlag anno 2023: "Der Mann ohne Eigenschaften". Aber der landet sicher auch bald auf dem woken Index - weil: zu wenig divers! Gewissenskonflikte drohen angesichts der Gefahr, dass sich jemand auf den zur Weiberfastnacht abgetrennten Schlips getreten fühlen könnte.
Qual der Wahl? Pustekuchen! Als Don-Kosak? Na, danke Putin. Als Ölscheich? Das ging nur in den vollklimatisierten WM-Stadien in Katar. Oder wie in der Kindheit, als "Kobeu" und Indianer? Geht auch nicht mehr nach der Aufregung um Karl Mays - Achtung, jetzt stark bleiben - fiktiver Figur Winnetou. Das Musterbeispiel eines edlen Wilden, der wortkarg, aber immer auf Verständigung aus ist. Das Indianerkostüm muss notgedrungen im Schrank bleiben, um, ja, wen eigentlich nicht zu kränken. Das Cowboy-Outfit auch - wegen unerlaubten Waffentragens und Herabwürdigung eines volksernährenden Berufsstandes.
Noch ein Beispiel? Die Aufregung um die Figur des "Sâvadje-Cayèt" im Malmedyer Karneval: schwarz geschminkt mit Holzpaillettenkostüm. Auf dem "hippen" (sagt man das noch?) RTBF-Sender "Tipik" hat sich der Komiker André Demarteau auf diese Figur eingeschossen: Geht gar nicht im postkolonialen Zeitalter!
Ähnliches ist vor ein paar Tagen einer Karnevalsgruppe aus Ober-Mörlen passiert. Das liegt in Hessen, nicht in Afrika. Trotzdem führt sie einen schwarz angemalten Mann im Wappen, der dem bekannten "Sarotti-Mohren" ähnlich sieht. Den gibt es seit fast 20 Jahren nicht mehr - und auch die Ober-Mörlener wollen künftig auf ihren verzichten.
Solche Debatten gab es um den "Zwarte Piet", um die Sternsinger oder um den emblematischen "Sauvage" der weltberühmten Ducasse in Ath. Dort hat man sich daraufhin näher mit der Figur auseinandergesetzt, mit der Entwicklung ihrer Darstellung im Laufe der Zeit. Und tatsächlich hat es Zeiten gegeben, in denen dieses "Blackfacing" eher niedrigen Beweggründen entsprang. Das ist heute aber anders - und lohnt die Auseinandersetzung statt Verdrängung.
André Demarteau will den Malmedyer Karneval dieses Jahr boykottieren, weil: zu wenig inklusiv! Na gut, sagt da die "Grosse Police": Dann bleibt er halt zu Hause. Oder im rheinischen Jargon: Jede Jeck is‘ anders! Köln gilt in dieser Hinsicht sowieso als das Mekka (ups!) der Toleranz: Vom kölschen Grundgesetz über den CSD bis zum gerne beschworenen Zusammenhalt zwischen "echten Kölsche" und zugezogenen "Imis". Mit einem Dreigestirn, in dem ein Mann die Rolle einer Jungfrau einnimmt.
Friede, Freude, Reibekuchen? Von wegen: Die Werbung eines Hotels mit "Bloodwoosch, Kölsch un e lecker Mädchen" hat eine aufgeregte Nachbarin zum Anlass einer Beschwerde genommen, weil: zu sexistisch und diskriminierend. Nun lasst aber mal den Dom in Kölle!
Am Karneval gäbe es viel auszusetzen: zu laut, zu aufdringlich, zu ausgelassen, zu aufgesetzt … Als gesellschaftlich legitimierte Reizabfuhr erlaubt er aber ausdrücklich die Narrenfreiheit. Die besteht auch darin, sich und das Leben mal nicht ganz so ernst zu nehmen. Wer das nicht kann, muss es nicht nachmachen. Zur Not tut‘s auch ein gutes Buch. Zu empfehlen wäre, wenn schon nicht Karl-May, vielleicht "Identitti" von Mithu Sanyal. Oder "Der Mann ohne Eigenschaften" von Robert Musil. Das langt von der Dicke her locker bis Aschermittwoch.
Stephan Pesch
Solange ein Kostüm nicht ausdrücklich verboten, sollte man es tragen. Der Gesetzgeber bestimmt was erlaubt und verboten ist, und nicht irgendwelche Aktivisten oder Moralapostel.
Als Greta Thunberg oder Klima-Kleber sich verkleiden, wäre doch mal was anderes.