Es waren dann deutlich weniger Zuschauer beim angeblich doch so mitentscheidenden TV-Duell zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen - deutlich weniger als erwartet und auch weniger als bei früheren Fernsehdebatten. Beobachter schließen daraus auf ein Desinteresse am politischen Diskurs.
Da ist etwas dran, wenn wir schon sehen, worauf selbst die noch Interessierten ihr Augenmerk gerichtet haben: Ist der Amtsinhaber auch nicht zu selbstgewiss, zu abgehoben rübergekommen? Wirkte das Lächeln seiner Herausforderin echt oder nur aufgesetzt? Oder ist sie auf die direkte Konfrontation so schlecht vorbereitet wie noch vor fünf Jahren?
Dazu sind die Fernsehdebatten da: für das Erscheinungsbild. Show. Wer sich für das politische Programm interessiert ist nicht auf ein Format angewiesen, bei dem die Rolle der ausgewählten Journalisten sich darin erschöpft, auf die Redezeit zu achten und die Kandidaten für deren Einhalten wie Kinder zu loben. Unangenehme Fragen: Fehlanzeige!
Geradezu lächerlich wird es, wenn angeblich präsidiable Kandidaten wie Marine Le Pen in einem Privatfernsehformat übers Backen oder über Katzen plaudern und beiläufig die rechtsextreme Ausrichtung ihrer Partei herunterspielen dürfen - natürlich völlig unwidersprochen. Oder wenn sich Emmanuel Macron bei Instagram auf einem Sofa fläzt, mit halb aufgeknöpftem Hemd und sprießender Brustbehaarung.
Ausdruck des Zeitgeistes
Nun ist diese Form der Anbiederung kein französisches Phänomen, eher Ausdruck des Zeitgeistes: Wir kennen von Politikern ähnlich unsägliche Homestories und wenig aufschlussreiche Mitteilungen von Kochrezepten oder "Workouts". Äußerlichkeiten halt.
Nun geht es im Wahlkampf und erst recht bei einer Stichwahl darum, auch die Stimmen derer zu gewinnen, die "mit dem ganzen Boutique nichts am Hut haben". Die Unentschiedenen. Auch diejenigen, die sich überlegen, ob sie überhaupt zur Wahl gehen - und wenn, dann um irgendjemandem eins auszuwischen. Oder mal etwas anderes zu probieren.
Das könnte nach hinten losgehen. Wofür die Partei von Martine Le Pen politisch steht, hat sich denen, die es noch nicht wussten, beim Wahlduell im Fernsehen in der letzten halben Stunde gezeigt: Xenophobie, also Fremdenfeindlichkeit, und Frankreich den Franzosen. Das eigene Volk zuerst.
Damit trifft sie den Nerv der Unzufriedenen, derjenigen, die sich in gelben Leuchtwesten ohne klares Ziel manifestiert hatten und ohne klare Botschaft - außer vielleicht: sich selbst der Nächste! Was ihr Land wohl davon hätte, sich auf sich selbst zurückzuziehen? Marine Le Pen kann ja mal bei Boris Johnson anrufen. Wie die Briten und wie ihr "Busenfreund" Putin, den sie inzwischen - wahltaktisch - verleugnet, schwebt ihr und ihren Anhängern eine bestimmende Rolle der "Grande Nation" in der Welt vor.
An diesem Sonntag muss „La Grande Nation“ ihre innere Größe beweisen. Nicht auszudenken, wenn sie sich aus Prinzip, aus Langeweile oder aus Desinteresse auf ein ungewisses Abenteuer einließe.
Stephan Pesch
Diese Wahl ist demokratisch.Und das Ergebnis ist auch demokratisch.Egal wie die Wahl ausgeht.
Es sollte doch zum Nachdenken anregen, dass es LePen soweit gekommen ist und nicht ein linker Kandidat.Die französischen Sozialisten haben den gleichen Fehler gemacht wie überall.Politik gegen die eigene Wählerschaft (kleine Leute) gemacht. Und das linke Spektrum hat sich zu sehr mit sich selbst beschäftigt, anstatt mit Zukunftskonzepten.Die eigene Haltung war wichtiger als das Handeln, Egoismus das oberste Prinzip.