Als Premierminister Alexander De Croo an die elf Millionen Belgier für Solidarität im Rahmen der Pandemie appelierte, dachte er wohl nicht an die Menschen, die sich seit vielen Jahren illegal in Belgien aufhalten und die Parallelwirtschaft ankurbeln. Es ist in der Tat leichter für die Politik, bei der Fußball-EM mit Regenbogensymbolen gegen die Menschenrechtsverletzungen eines Viktor Orban zu protestieren, als die humanitären Probleme vor der eigenen Haustür zu regeln.
Im Grunde genommen verständlich, denn das Gesetz sollte für alle gelten. Auch für diejenigen, die sich seit Jahren illegal in Belgien aufhalten und seit 41 Tagen nichts mehr essen, um eine Regularisierung zu erzwingen. Sie sind die Gestrandeten der Pandemie. Diejenigen, die jahrelang im Baugewerbe, im Horeca oder als Kindermädchen schwarz arbeiteten und sich über Wasser hielten. Mit der Pandemie gab's keine Schwarzarbeit mehr, kein Geld. Die bis dahin Unsichtbaren und seit Jahren von der Gesellschaft Geduldeten drohten zu ertrinken wie die Flüchtlinge im Mittelmeer. Ihr einziger Ausweg: der Hungerstreik. Und damit wurden sie sichtbar und lösten eine politische Debatte aus.
Die Botschaft der Politik ist klar und nachvollziehbar - Gesetz ist Gesetz. Koalitionsabkommen ist Koalitionsabkommen, sagt unter anderem der für Asyl und Migration zuständige Staatssekretär Sammy Mahdi. Als Sohn eines irakischen politischen Flüchtlings, der in den 70er Jahren nach Belgien kam, weiß er, wovon er spricht. Die Regierung hält sich an ihr Abkommen.
Währenddessen fordern die drei frankophonen Oppositionsfraktionen in der Kammer schnelles Handeln und klare Kriterien bei der Regularisierung. Doch es geht nicht nur um die humanitäre Situation, es geht auch um reine Politik. Schließlich sollen die Rechtsextremen nicht die Möglichkeit bekommen, die Situation auszuschlachten.
Auf der anderen Seite sind die belgischen Anwälte, die in dieser Woche auf eine dringende Lösung drängten. Es werde zum Beispiel händerringend nach Pflegern gesucht. Wie könne das Land manchen Illegalen, die über die nötige Ausbildung verfügen, ein Aufenthaltsrecht verweigern, fragen sich die Anwälte. Das Gesetz sehe außergewöhnliche Umstände vor. So argumentieren auch die Rektoren. Die Pandemie sei eine außergewöhnliche Situation, die diese Menschen in eine humanitäre Krise gestürzt hätten. Auch die Rektoren aller flämischen Universitäten wollen, dass schnell nach pragmatischen Lösungen gesucht wird, um diese Tragödie zu beenden.
Auch wenn die Politik sich bereiterklärt, jeden Fall zu prüfen, läuft die Zeit davon. Manche Hungerstreikende sind schon in einem derart kritischen gesundheitlichen Zustand, dass ein Zurück unmöglich scheint.
Bleibt wirklich noch genügend Zeit für politisches Palaver und Politisierung des Problems? Die humanitäre Krise in Brüssel ist akut. Menschen werden sterben. Manche werden sagen: selbstverschuldet. Kein Platz für Erpressung. Andere sprechen von einem Akt der Verzweiflung.
Sind wir wirklich dazu bereit, Tote in Kauf zu nehmen?
Wie lässt sich das mit dem Gewissen vereinbaren? Es ist genau so, wie wenn wir die Augen vor den menschlichen Tragödien im Mittelmeer verschließen. Etwas mehr Menschlichkeit würde nicht schaden. Oder wie es die Rechtsanwälte des Landes diese Woche formulierten: die Stärke einer Demokratie ergibt sich auch aus der Art und Weise, wie sie mit den Schwächsten umgeht.
Chantal Delhez
Werte Frau Delhez
Ein guter Kommentar, der zum Nachdenken angeregt.
Der Staat darf sich nicht erpressen lassen, unter keinen Umständen. Das würde seine Glaubwürdigkeit vermindern. Die hat schon genug gelitten seit dem Beginn der Pandemie.
Die Hungerstreikenden spielen mit den Gefühlen der Menschen. Wollen Mitleid und Mitgefühl erregen. Diese Leute benutzen ihren Körper als Waffe genau wie ein Selbstmordattentäter.
Um Schlimmeres zu verhindern, sollte die Aktion gewaltsam beendet werden, die Hungerstreikenden zwangsweise aufgepäppelt werden und dann abgeschoben werden. Das wäre eine humanitäre Handlungsweise eines starken Staates.
Das Problem der Papierlosen wird so schnell nicht gelöst Es sind zu viele, die davon profitieren. Diese Menschen sind Arbeiterskräfte, Verbraucher. Dann benutzen politische Organisationen und Parteien diese Menschen für ihre Ziele.
Eine Lösung, die die Betroffenen vor dem Hungertod bewahrt, könnte so einfach sein und ist doch unendlich schwer herbeizuführen.
Eigentlich bräuchte nur eine Seite zu Zugeständnissen bereit sein und schon könnte gemeinsam um einen Kompromiss gerungen werden.
Ich bin sicher, dass es einen solchen geben kann, aber dazu bedarf es der Bereitschaft, die eigene Haltung zu überdenken.
Manchmal sind Problemlagen halt so komplex, dass sich eine zufriedenstellende dauerhafte Lösung, die auch in einen rechtlichen Rahmen gegossen werden kann, nicht binnen kurzer Frist finden lässt.
Natürlich könnte man allen, die sich ohne Papiere eine gewisse Zeit im Land aufhalten, einfach einen dauerhaften Aufenthaltsstatus gewähren, dann bestünde jedoch die Gefahr einer Sogwirkung, zudem würde damit das gesamte Asylrecht ad absurdum geführt.
Die Hungerstreikenden vor dem Tod zu bewahren und ihnen eine Perspektive für ein Leben in Belgien zu ermöglichen, wie auch immer der rechtliche Rahmen dafür aussehen mag, sollte jedoch durch die Bereitschaft zu Zugeständnissen möglich sein.
Die Frage ist , wie viele Asylsuchende kann sich Belgien noch erlauben.
Noch 10.000, 100.00, 1.000.000 oder gar mehr .
Gibt es eine Statistik wie viele ins Land gekommen sind und nun eine Ausbildung und einen festen Arbeitsplatz haben, wie viele mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind.
Zur Zeit sind circa über 80 Millionen Menschen in irgendeiner Art und Weise auf der Flucht, viele in Richtung Europa, können wir die alle aufnehmen und wenn ja, was machen wir mit dem Rest der Welt.
Irgendwann ist Afrika leer..